monstra schrieb:nun die allerdämlichste, die man sich ausdenken kann. Außer sie stimmt.
Mit dieser Totschlagargumentation machst Du die Tür natürlich komplett zu:
Sind seine Lügen gut, sind sie nicht zu wiederlegen.
Sind sie schlecht und widerlegbar, können sie deshalb keine Lüge sein.
Ich bin zwar ein Anhänger der Glaubensrichtung "Schuldig". Da ich aber nicht othodox bin, nenne ich Dir jetzt trotzdem eine Argumentation, wie man das "Drogenfahrt-Alibi" begründen könnte:
Glaubt man den Berichten von Englade hatte EH in Europa einen Horror-Trip hinter sich, der für alle Eltern dieser Welt den optimalen Alptraum bedeutet hätte. Drogen, vermutete Prostitution, tagelange Vergewaltigungen im Dämmerschlaf. („Alle wollten diese Bienenkönigung zur Freundin haben, weil sie so welterfahren war." Puh!) Da ist es logisch, dass die Eltern von nun an jeden Schritt der Tochter überwacht haben. Und deshalb wird sich die Tochter wahrscheinlich zu Recht übermäßig kontrolliert gefühlt haben.
Nun fährt EH während eines Ausfluges zu einem Drogendealer und kommt 8 Stunden nicht zurück. Da könnte man vermuten, dass sie wieder völlig abgestürzt ist. Falls die Eltern dem Begleiter nach Ende der Reise für die Verfassung der Tochter Vorwürfe machen, legt ihnen dieser in der eigenen Hilflosigkeit Kino-Karten vor. (‚Komisch, ich verstehe das nicht, wir waren die ganze Zeit im Kino. Schauen Sie mal hier.‘). Auch wenn es unlogisch ist.
So eindringlich hat er die Geschichte vor Gericht anscheinend aber nicht erzählt.
Er war wahrscheinlich selbst nicht von der Glaubwürdigkeit überzeugt.
Herr Hammel schreibt auf
https://hammeltranslations.com/2020/05/25/3121/ (Archiv-Version vom 29.05.2020):
"Der Staatsanwalt hat natürlich diesen eklatanten Logikfehler während Sörings Kreuzverhör angesprochen. Söring meinte, etwas hilflos, dass er aus zwei Gründen die Kinotickets und Zimmerservice für zwei gekauft und die entsprechenden Belege jahrelang aufbewahrt hat. Erstens habe er die Tickets gekauft und Zimmerservice bestellt, weil er Elizabeths Eltern auf Anfrage beweisen wollte, dass Elizabeth während des Aufenthalts in Washington DC keine Drogen genommen habe. Zweitens habe er die Belege aufbewahrt, weil er von seiner Natur her ein Hamsterer sei. Natürlich fragte der Staatsanwalt, wie Kinotickets und Zimmerservice-Rechnungen beweisen könnten, dass Elizabeth keine Drogen genommen hat. Söring hatte keine überzeugende Antwort. Er steckte fest in seinem Spiegelkabinett."Als die Eltern tot waren, brauchte er die Kinokarten für diesen Zweck allerdings nicht mehr. Er hätte sie entsorgen können. Vielleicht hat er aber nicht mehr an sie gedacht. Sein Vater hat sie dann wohl gefunden und einem Rechtsanwalt geschickt.
Er wird von der totalen Unschuld seines Sohnes ausgegangen sein und gedacht haben, dass sich die Kinokarten als entsprechendes Indiz logisch einreihen. Dass sie seinem Sohn schaden könnten, ist ihm gar nicht in den Sinn gekommen.
yasumi schrieb am 27.04.2017:Kurz nach meiner Verhaftung 1986 hatte mein Vater Kontakt zu John Lowe aufgenommen, einem bekannten Strafverteidiger in Virginia, um mit ihm über meine Verteidigung in einem möglichen Prozess zu sprechen. Meinem Vater war klar, dass die Kinokarten möglicherweise sehr wichtig sein würden, und deshalb hatte er ihm Kopien davon gefaxt, zusammen mit anderen Dokumenten, die er in meinem Wohnheimzimmer gefunden hatte. Mr. Lowe nahm dann doch nicht an meiner Verteidigung teil
[...]
Am Vorabend von Liz' großem Auftritt im Zeugenstand entschloss sich John Lowe, die Faxkopien der Kinokarten Staatsanwalt Updike zu übergeben.
Ich vermute mal, es war der "große Auftritt" bei seinem Prozess 1990.
JS musste sich also kurzfristig mit den Kinokarten auseinandersetzen, weil er nicht damit rechnen konnte, das sein Vater sie weitergibt und wohin sie gelangen. Dein Aspekt, dass JS jahrelang Zeit gehabt hätte, sich bei Bedarf eine viel bessere Lüge auszudenken und dass die Aussage daher "die Wahrheit" sein muss, trifft wahrscheinlich nicht zu. Er dürfte nur wenig Zeit gehabt haben, sich etwas auszudenken.
Das Ergebnis kennen wir.