Andante schrieb:Es gibt nicht nur die Kantsche Auffassung. Ein anderer Ansatz ist das Verständnis von Strafe als Wiederherstellung einer vom Täter gestörten (Rechts-)Ordnung. Dieser Ansatz hat für mich sehr viel mit "Gerechtigkeit" zu tun.
Allerdings.
Cpt.Germanica schrieb:Ist so was denkbar @Rick_Blaine?
Man kann einfach nachschauen: Neaton hatte mehrfach Probleme mit der Anwaltskammer: Am 5.6.1995 wurde seine Lizenz das erste Mal für eine bestimmte Zeit lang gesperrt, für 3 Jahre rückwirkend von 1993 an. Der Grund war die mangelhafte Vertretung eines Mandanten in einem Schadenersatz-Fall. Das ist eine typische Sanktion, die Anwälten drohen kann. Man gibt Anwälten eine Chance, ihren Lebensunterhalt später noch einmal in ihrem erlernten Beruf zu verdienen.
Leider hat Neaton diese Chance nicht genutzt, denn die Kammer verhängte bereits 1996 eine weitere Suspendierung, für vier Jahre, rückwirkend zum 1.6.1995. Noch einmal also entschied man, ihm noch eine Chance zu geben.
Wieder hat er die Chance nicht genutzt, sondern ihm wurde anschliessend vorgeworfen, Mandantengelder veruntreut zu haben, Unterschriften gefälscht zu haben usw. Damit war für die Kammer das Mass voll und man entzog ihm nun endgültig die Lizenz, als Anwalt zu praktizieren. Das war am 2.2.2001. Damit war nun endgültig besiegelt, dass er nicht mehr als Anwalt praktizieren darf. Er hat dann versucht, sich als Finanzberater zu betätigen, aber auch dafür bedurfte es einer Lizenz, und bei der Beantragung verschwieg er die vorherigen Sanktionen. Usw. Neaton ist schon ein tragischer Fall, denn er scheint immer noch nicht daraus gelernt zu haben. Das Verfahren der Finanzaufsicht zog sich noch bis 2008 hin, aber er hat seit 2001 keine Erlaubnis mehr gehabt, und bis heute nicht, als Anwalt zu praktizieren.
Man findet das alles zusammengefasst im Urteil der Finanzaufsichtsbehörde:
https://www.sec.gov/litigation/opinions/2011/34-65598.pdfAllerdings muss man aufpassen, dass man hier nicht, wie es JS's treuer Fanclub oft tut, einem "red herring" hinterherläuft. Anwaltliches Fehlverhalten, das den Ausgang eines Verfahrens materiell beeinflusst hat, ist ein Revisionsgrund. Die Revisionsgerichte in Soering's Fall haben das jedoch nicht erkannt. Daher ist es für diesen Fall komplett irrelevant, was aus Neaton wurde.
Trimalchio schrieb:Habe mir grad diesen Brief von Harding an die FAZ durchgelesen. Einfach unfassbar, mit welch substanzlosem Gefasel ein ehemals verdienter Beamter sich selbst und seine Mitstreiter in die Pfanne haut. Selbst nicht in der Lage zu Andrew Hammel zu recherchieren, unfähig, das Prinzip der Kontamination von Blut und DNA zu verstehen, ignoriert er das Täterwissen im Geständnis, fabuliert von einem unfairen Verfahren... Dazu ein Selbstbewusstsein, das im umgekehrten Verhältnis zur nur marginal sichtbaren Fachkompetenz zu stehen scheint. Warum tut einer sowas?
Da wird einem doch Angst und Bange um die vielen hundert verurteilten Angeklagten, die dieser Mann nach eigenem Geständnis zu verantworten hat! Nicht ein Einziger wurde freigesprochen! Noch nichteinmal dies lässt den Sheriff zweifeln.
Ja, ich frage mich auch schon lange, was man hiervon halten soll. Festhalten sollte man jedenfalls, dass dieser Harding weder ein Jurist ist, noch in diesem Fall offiziell ermittelt hat. Sein Herumreiten auf seinem Titel "Sheriff" ist daher wieder ein red herring. Seine Aussage, er sei sich sicher, dass Soering heute nicht verurteilt werden würde, ist daher nichts als die Meinung eines Aussenstehenden. Juristen sehen das z.B. durchaus anders.
Deshalb entscheiden auch nicht Polizisten, ob ein Fall zu einer Anklage gebracht wird oder nicht, sondern Staatsanwälte. Und auch hier ist in erster Linie auf die vielfältigen Revisionen zu verweisen, die durchgehend abgelehnt wurden.
Harding betätigt sich in diesem Fall als Privatdetektiv mit einer privaten Meinung, und kann keineswegs behaupten, dass diese Meinung die einzig richtige sein muss. Man kann die Meinung zur Kenntnis nehmen, aber kann sie durchaus als irrelevant abtun.
Noch einmal: er ist ein lokaler Polizeiverwaltungschef, zuständig für einen ländlichen Landkreis in Virginia. Das ist ungefähr so, wie ein Polizeidirektor einer Kreispolizeibehörde in Deutschland. Würde ein solcher sich zu einem aufsehenerregenden Fall der deutschen Kriminalgeschichte, sagen wir mal z.B. einem Fall Böhringer/Todt äussern, an dem er selbst nie irgendwie ermittelt hat, dann hat das zwar einen gewissen Stellenwert, aber der ist begrenzt. Es erinnert mich ein wenig an den deutschen Axel Petermann, der auch damit hausieren geht, mal Leiter einer Mordkommission gewesen zu sein (und Harding hatte nie eine solche Position) und daher meint, zu jedem heutigen Kriminalfall eine Meinung abgeben zu müssen.
Morpheus1PB schrieb:So sieht es aus. Ich frage mich halt echt, warum manche das so klar sehen und andere nicht? Warum sieht man die ganzen Widersprüche nicht in seiner Geschichte? Warum erkennt man die ganzen Belege für seine Lügen nicht an? Wie kann ein Mensch soviele Menschen so blenden?
Das ist, was mich auch erstaunt und etwas ratlos macht.
Seps13 schrieb:Sieh dir die Bilder hier in der Bildergalerie an. Jeder Laie kann die Abdrücke vergleichen. Tatortabdruck und Söringfuß passen nunmal sehr gut zueinander. Das durfte der Gutachter nicht behaupten, aber die Jurymitglieder durften ihre Augen benutzen. Elizabeths Abdruck passt nunmal nicht. Und wenn der Besitzer des passenden Fußes dann noch erzählt hat, dass er am Tatort auf Socken durch Blut gelaufen ist... Und sich auch verletzte, wo passend dazu Blut seiner Blutgruppe gefunden wurde... dann ist irgendwann mit Flucht, Briefen, Nachtatverhalten etc. auch der Indiziensack zu.
Genau. Wieder ein red herring. Die Qualifikation des "Gutachters" wird ja gerne als Unschuldsbeweis herangezogen, aber schon das Tatgericht hat damals der Jury gewissermassen den Auftrag gegeben, den Gutachter zu ignorieren und danach zu entscheiden, was sie selbst sehen können. Das ist m.E. auch ganz richtig, denn die Jury braucht in diesem Fall niemanden, der ihr erklärt, was sie sieht oder nicht sieht.