Guten Morgen,
ich fühle mich ein bisschen wie bei "Lola rennt". Ich habe nun die letzten Tage drei Möglichkeiten durchdacht:
- JS tat es alleine
- JS und EH taten es gemeinsam am Abend
- JS und EH taten es am frühen Nachmittag und wollten es so aussehen lassen, als wäre es am Abend gewesen
Am Anfang habe ich nicht verstanden, warum dieser Strang 1200 Seiten hat und sich zwei Lager gebildet haben. Nun verstehe ich es ;-)
asadeh schrieb:Ich denke auch, dass fast jede Lügengeschichte einen wahren Kern hat.
Das ist wirklich ein guter Hinweis!
Ich habe mir gestern das PDF "How the Haysom Murders may have occured" durchgelesen.
https://murderpedia.org/female.H/images/haysom-elizabeth/scenario.pdfUnd da stach mir direkt die Sache mit der Hose in die Augen:
The first thing I noticed was that she was wearing different clothes: specifically, baggier jeans with
pockets sewn onto the legs. (Quelle: How the Haysom Murders may have occured, S. 18)
Das war ja eine offene Frage für mich, wie er ohne Hose zurückgekommen sein sollte. Nur mit einem Bettlaken um sich herum?
Venice, du hast vorhin gefragt, wie er sich die Details merken konnte? Ich denke, das ist gar nicht so schwer, wenn man sich einfach die richtigen Details merkt, aber sie der falschen Person zuordnet.
Da steht also diese Frau, die man liebt, vor der Tür und hat angeblich an ihre Eltern umgebracht. Und er weiß noch, was sie für eine Hose trug? Ernsthaft? Vielleicht erinnerte er sich, weil ER selber diese Hose getragen hatte.
Im Obergeschoss war eine Schublade herausgezogen. Im Obergeschoss war EHs Zimmer. Falls sie es geschafft hatte, ohne (Blut-)Spuren zu hinterlassen, ins Obergeschoss zu gelangen, dann wäre es problemlos möglich gewesen, eine alte "baggy jeans" für Jens zu holen. Sie war 1,64 m groß, er war 1,72 m groß. Das hätte also gepasst.
asadeh schrieb:Letztendlich hatten beide wohl auch gar nicht mehr vor, die Karten als Alibi zu benutzen und hatten sie auch nicht mit auf die Flucht genommen.
Das stimmt, letztendlich gingen sie wegen der bevorstehenden Abgabe der Blutprobe und Fingerabdrücke von Jens auf die Flucht. Später musste er dann rund um die Kinokarten eine Geschichte basteln.
Dass EH bei ihrer eigenen Verhandlung erzählt hat, sie hätte Drogen konsumiert, nehme ich ihr nicht ab. Zu dem Zeitpunkt ging es ihr darum, nur das zuzugeben, was für eine Verurteilung als "accessory BEFORE the fact" nicht abzuleugnen war. Das Zugeben von irgendwelchen tatsächlich nachprüfbaren Fakten NACH der Tat / während des Kreierens des Alibis wäre für sie total kontraproduktiv gewesen. (Beim Nachprüfen wäre vielleicht herausgekommen, dass ihr "Alibi"-Alibi auch gar nicht stimmt. Daher sind jetzt so viele Fragen offen ...)
Nochmal zum Punkt: In jeder Lügengeschichte steckt ein wahrer Kern.
Laut Englade hat EH bei ihrer Verhandlung das hier gesagt:
Elizabeth leaned forward, looking very intent. “What I want you to understand (...) and I don’t mean to minimize my guilt, is that what I did, what I said, what I failed to do—my irresponsibility, my manipulation of Jens—yes, in that I’m totally guilty. I’m totally responsible for my parents’ deaths. I accept that. But what I want you to realize is that Jens acted of his
own free will. He had a choice. He had a four-hour drive. No matter what I said to him before that, no matter what I had written to him in the months before that, he had a choice whether he killed my parents or not. He sat and talked with them. He had some kind of meal with them or something. He didn’t have to do anything. Nobody forced him to do anything. And I never once believed that somebody like Jens could do something like that.”(Quelle: Beyond reason, Kapitel 49)
--> Sie musste alles negieren, was sie mit der Tat in Verbindung bringen könnte und drehte einfach alles um: Er hatte einen freien Willen. Er hatte eine Wahl. Er fuhr vier Stunden ganz alleine. Niemand hat ihn gezwungen. Und sie hätte ihm das niemals zugetraut.
Vielleicht war es tatsächlich so, vielleicht war es aber auch genau umgekehrt. Sie schrieb ihm, wie schlecht ihre Eltern sie behandelten. Sie zeigte ihm die Nacktbilder. Sie schrieb ihm, dass sie sich ihren Tod wünscht. Es gab genug Dinge, mit denen sie ihn emotional erpressen konnte (sie würde ihn verlassen, sie würde nicht mit ihm nach Europa reisen, etc.). Sie wusste, dass er ihr helfen würde. Und sie wusste, dass er es für sie tun würde.
Ich habe mir den Weihnachtsbrief nochmal angeschaut (ich habe beim 22. "I love you" aufgehört zu zählen):
I know you have at least as much pain as I do; I will try to help if you wish me to do so. (Seite 18, gleich oben)
--> Sein Schmerz ist schon ziemlich heftig (jahrelanger Außenseiter, Mutter Alkoholikerin, väterliche Wutausbrüche, totale Unsicherheit bezüglich der Zukunft) und sie hat mindestens genauso viel Schmerz und Wut in sich.
Auf Seite 20 schreibt er übrigens folgendes:
So some guy who was in Sophie's Choice visited' with your family and you Dad told about your past loves (and probably showed the epilepsy movie)? One word...--> Es fehlt nun leider das Gegenstück, aber ich lese hier heraus, dass ihr Vater sie vor anderen bloßgestellt hat. Möglicherweise fiel da ein weiterer Tropfen in ein Fass, das bald überlaufen wird.