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Der Mensch Jens Söring

40.372 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Kino, Gefängnis ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Mensch Jens Söring

Der Mensch Jens Söring

14.02.2020 um 10:54
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:@Melusine
Ach so, nach ihrer Verurteilung? Gar nicht, da hast Du Recht, sie hätte nicht noch einmal verurteilt werden können.
Mhm, das wundert mich jetzt aber sehr. Weil du 2017 etwas anders schriebst.
Ich stellte dir damals folgende Frage:
Zitat von ligalaligala schrieb am 04.09.2017:@Rick_Blaine
Daran anschließend habe ich auch mal eine juristische Frage:
Nehmen wir nur mal einen Augenblick an, dass:
Rick_Blaine schrieb:
2) War EH die Mörderin? Und JS blieb in Washington?
richtig sei:
Wäre es dann theoretisch nach virginischem (heißt das so? ;-) ) Strafrecht möglich, sie des Mordes anzuklagen, falls ganz unabweisbare Beweise auftauchen?
Mir ist zwar bekannt, dass in Virgina das "Double Jeapardy" gilt, aber sie wurde ja nicht des Mordes verurteilt, sondern wegen "accessory for the fact". Das wäre ja dann ein anderes Delikt !?
Oder ist das ein für alle Mal unmöglich?
Das ist alles hypothetisch gemeint, es geht mir nur darum, wie das grundsätzlich einzuschätzen ist.
Deine Antwort darauf war:
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb am 04.09.2017:@ligala
Das ist eine sehr gute Frage. Generell ist man inzwischen in den USA dazu übergegangen, den "accessory before the fact" als "principal of the second degree" anzusehen, und, wie auch schon zuvor im common law, ihn mit der gleichen Strafe zu bestrafen, wie den Haupttäter (principal of the first degree.) In deutschen Termini gesagt, unterscheidet man nicht mehr zwischen Beihilfe vor der Tat und Mittäter, sondern behandelt beide als Mittäter.
Daraus ergibt sich praktisch: es macht beim Strafmass keinen Unterschied, wenn jemand erst als Mittäter verurteilt wird, und sich dann herausstellt, dass er der Haupttäter gewesen ist. Ich muss zugeben, dass mir kein solcher Fall bekannt ist, und ich nicht weiss, ob das auf akademischer Ebene hier diskutiert wird, das wäre aber mal interessant. Im Jurastudium kann ich mich nicht daran erinnern.
Spannender würde allerdings die Frage, wenn eine Person erst als Verschwörer verurteilt würde, und sich dann herausstellt, dass sie doch Täter war. Denn das ist, zum Beispiel in Virginia, ein Unterschied im Strafmass (Verschwörer zum Mord bekommt maximal 20 Jahre).
Zum Unterschied zwischen Verschwörer und Beihilfe/Mittäter schreibe ich jetzt mal nichts, der Verschwörer ist in der Regel etwas weniger an der Tat beteiligt.
Hier ist es so, dass double jeopardy, also die auch in Deutschland gültige Regel "ne bis in idem" nicht greifen dürfte, da es sich um zwei verschiedene Straftaten handelt. Eine verurteilte Verschwörerin, der man die Tat als principal später nachweisen kann, könnte dementsprechend neu verurteilt werden zu einem dann höheren Strafmass. Zu beachten wären allerdings eventuelle Verjährungen.
(Fettungen von mir)
Also ich entnehme aus dem, was du 2017 schriebst, dass Elizabeth Haysom sich 1990 durchaus hätte verschlechtern können.
Mal abgesehen davon, dass sie ihr damals noch realistisch erscheinendes Parole für 1995 (ich meine, die Erfolgsquote lag damals bei ca. 40%) hätte gefährden können.


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Der Mensch Jens Söring

14.02.2020 um 11:34
Zitat von MelusineMelusine schrieb:als sie als Zeugin zu seinen Ungunsten aussagte, obwohl ihr doch eigentlich nichts mehr passieren konnte.
Wo liegt denn da das Motiv?

So sehr du dich um Verständnis für die Irrungen und Wirrungen der Söringschen Befindlichkeiten sorgst, (und nein, nicht als Fangirl), so holzschnitthaft bleibt dabei deine Zeichnung der bösen, verlogenen, manipulativen EH.

Könnte es nicht schlicht so sein, dass sie die Gelegenheit nutzte, um reinen Tisch zu machen?


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Der Mensch Jens Söring

14.02.2020 um 11:57
Zitat von Venice2009Venice2009 schrieb:das ist aber nur eine reine Mutmaßung. Denn Beweise gibt es dafür letztlich nicht.
Es kommt darauf an, was du als "Beweis" gelten lassen würdest.
Im Grunde hat JS bereits alle Beweise immer wieder aufgelistet, die für EH Beteiligung sprechen.
Wenn ich jetzt darauf verweise, kommt wieder die "Fanclub"-Keule. Eine never ending story.
Zitat von ligalaligala schrieb am 04.09.2017:Mir ist zwar bekannt, dass in Virgina das "Double Jeapardy" gilt,
Danke, das ist wirklich interessant, ich habe mir das mal bei Wikipedia durchgelesen:
Wikipedia: Ne bis in idem#Regelungen im US-Strafrecht
Im Absatz über das britische Strafrecht steht, dass man sich sogar ziemlich in Schwierigkeiten bringt, wenn man (es klingt etwas melodramatisch) "selbst den Vorhang [wegreißt], der die Tat verschleiert".

Das wäre also juristisch widersinnig. Aber auf der Gefühls-Ebene könnte sich jemand, der einen anderen Tatbeteiligten geschützt hat, durchaus "verraten" vorkommen, wenn dieser Tatbeteiligte seine (volle) Beteiligung weiterhin leugnet, unabhängig davon, ob dieser Tatbeteiligte ebenso hart bestraft wurde wie man selbst oder nicht.
Zitat von TrimalchioTrimalchio schrieb:So sehr du dich um Verständnis für die Irrungen und Wirrungen der Söringschen Befindlichkeiten sorgst, (und nein, nicht als Fangirl), so holzschnitthaft bleibt dabei deine Zeichnung der bösen, verlogenen, manipulativen EH.
Ja, das stimmt, das fällt mir tatsächlich sehr schwer, mich in sie reinzuversetzen. Sie gibt keine Interviews, man kann keinen richtigen Eindruck von ihr gewinnen (und selbst der könnte falsch sein).

Ich gebe zu, dass ich am Anfang "schlechter" von ihr dachte als jetzt, wo ich mich mit Kindheits-/Bindungsforschung beschäftigt habe.

Böse = nein. Als Kind traumatisiert. Danach selbstverletztendes Verhalten (ungepflegtes Äußeres, Drogen, wahllose Liebschaften, etc.)
Verlogen = nein, eher "zu ihrem Vorteil lügend", das hatte sie gut gelernt, schließlich hatten ihr schon ihre eigenen Eltern vorgelebt, dass man ihre Bedürfnisse nicht ernstnimmt, lieber auf Parties geht, sie nach dem Hundebiss-Vorfall ins Internet abschiebt, die Vergewaltigung weglügt und sie dann auf eine andere Schule schickt, etc.
Manipulativ = wenn man es nicht als Selbstzweck, sondern als "an die Gegebenheiten anpassend" sieht, dann würde ich sagen, auch das hatte sie gut von ihren Eltern gelernt, insbesondere von ihrer Mutter. Dazu kommt noch ihre Liebe für Bücher und ihre Fantasie, die für sie ein Weg war, ihre Gefühle zu bewältigen.
Zitat von TrimalchioTrimalchio schrieb:Könnte es nicht schlicht so sein, dass sie die Gelegenheit nutzte, um reinen Tisch zu machen?
Was ist für dich "reiner Tisch"?
Im Gerichtssaal saß ihr ihre eigene Familie gegenüber. Sie wurde sogar direkt mit den Aussagen ihrer Brüder konfrontiert, die offen direkt vor ihr aussagten, dass sie ihr nicht glauben und sich für die höchstmögliche Strafe einsetzen. Auch Frau Massie war sich sicher, dass EH im Haus war.

Es fällt mir wirklich schwer, mich in sie hineinzuversetzen, aber ich denke, es macht wohl einen Unterschied, ob man zugibt, dass man seine eigenen Eltern erstochen hat im Angesicht seiner eigenen Geschwister oder ob man "nur" ihren Tod wünschte und einen anderen zur Tat angestiftet hat.


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14.02.2020 um 11:57
Zitat von MelusineMelusine schrieb:Ich war übrigens neulich zu einem Abendessen eingeladen. Plötzlich erzählte mir der Gastgeber sinngemäß: An Tag X war es so warm, da hat der Alkohol noch viel mehr reingeknallt. Ich war verblüfft und fragte nach (da ich keinen Alkohol trinke). Er meinte sinngemäß: Ja, es war warm und ich hatte viel mehr Durst und weil ich dann (statt Wasser) viel mehr Alkohol in kürzerer Zeit getrunken habe, war ich total schnell dicht.
Wie ich schon mehrfach schrieb, war es an dem Tag für einen Frühlingstag außergewöhnlich warm: 28° C.
Hierzu nur eine ganz kleine Anmerkung: Das Wetter/die Außentemperatur kann zwar Einfluss auf die subjektive Verträglichkeit des Alkohols haben, nicht aber auf die Alkohol- Konzentration im Blut. Dafür sind andere Faktoren entscheidend.
https://www.suchtschweiz.ch/fileadmin/user_upload/DocUpload/alkohol_koerper.pdf
Die Haysoms hatten einen Wert von ca. 2,2 Promille, soweit ich mich erinnere.
Ansonsten lese ich gerade all deine ausgezeichneten und sehr sorgfältig ausgearbeiteten Beiträge nochmals in Ruhe durch und schreibe dann peu à peu noch was dazu. Ich bin aber nicht so schnell wie du, deshalb braucht's noch ein wenig Zeit :)
Aber auf der Gefühls-Ebene könnte sich jemand, der einen anderen Tatbeteiligten geschützt hat, durchaus "verraten" vorkommen, wenn dieser Tatbeteiligte seine (volle) Beteiligung weiterhin leugnet, unabhängig davon, ob dieser Tatbeteiligte ebenso hart bestraft wurde wie man selbst oder nicht.
Ja, völlig klar. Da stimme ich dir zu.


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14.02.2020 um 12:30
Zitat von MelusineMelusine schrieb:Danke, das ist wirklich interessant, ich habe mir das mal bei Wikipedia durchgelesen:
Wikipedia: Ne_bis_in_idem#Regelungen_im_US-Strafrecht
Im Absatz über das britische Strafrecht steht, dass man sich sogar ziemlich in Schwierigkeiten bringt, wenn man (es klingt etwas melodramatisch) "selbst den Vorhang [wegreißt], der die Tat verschleiert"
Das wäre also juristisch widersinnig
Ja, schon. Aber :
1. steht ja in dem von dir verlinkten Wikipedia-Artikel:
Im US-Strafrecht kann niemand, der von einer Jury von zwölf Geschworenen freigesprochen worden ist, für ein und dieselbe Straftat in derselben Gerichtsbarkeit erneut angeklagt werden
Aber E:Haysom wurde ja nicht von einem Geschworenengericht verurteilt, sondern hatte einen plea-Deal.
2. hatte Rick Blaine in seinem Beitag von 2017 geschrieben:
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb am 04.09.2017:Hier ist es so, dass double jeopardy, also die auch in Deutschland gültige Regel "ne bis in idem" nicht greifen dürfte, da es sich um zwei verschiedene Straftaten handelt. Eine verurteilte Verschwörerin, der man die Tat als principal später nachweisen kann, könnte dementsprechend neu verurteilt werden zu einem dann höheren Strafmass.
Puuh, alles gar nicht so einfach, wenn man's genau wissen will :) Aber wichtiger ist hier natürlich, dass Jens Söring sich als "verraten" vorgekommen haben kann.


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14.02.2020 um 13:11
Zitat von ligalaligala schrieb:Puuh, alles gar nicht so einfach, wenn man's genau wissen will :) Aber wichtiger ist hier natürlich, dass Jens Söring sich als "verraten" vorgekommen haben kann.
kann sich nicht auch EH verraten vorgekommen sein? Immerhin hat JS am 05.06 zuerst gestanden, EH hat bis zum 08.06. durchgehalten. Wäre das möglich? was meinst du?
Ich finde dieser Aspekt bleibt immer unberücksichtigt. Weshalb eigentlich? Frage geht auch an @Melusine ich bin schon gespannt auf Eure Einschätzung.


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14.02.2020 um 13:28
Zitat von ligalaligala schrieb:Puuh, alles gar nicht so einfach, wenn man's genau wissen will :) Aber wichtiger ist hier natürlich, dass Jens Söring sich als "verraten" vorgekommen haben kann.
Für wen oder was ist das wichtig?
Um besser verstehen zu können, warum er genau das Gleiche bei seiner Gerichtsverhandlung getan hat? Nämlich die ganze Schuld alleine auf E.H. zu schieben. Ich denke, es ging ihm zuallererst darum, seinen eigenen A... zu retten. Emotionale Befindlichkeiten spielen da eine untergeordnete Rolle.


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14.02.2020 um 13:34
@Venice2009

Die Ermittler hatten die Briefe und Tagebuchaufzeichnungen zu dem Zeitpunkt gefunden und gelesen. Sie wussten, dass in Virginia der Mord an den Haysoms begangen worden war.
Was hat denn Söring in diesem Geständnis konkret geäußert, das EH als Mörderin oder Anwesende vor Ort belastete ?
Das ist eine für mich offene Frage, vielleicht kannst du mir weiterhelfen.
Zitat von Judith123Judith123 schrieb:Für wen oder was ist das wichtig?
Für mich. Ich wüsste es halt gern. Ist ja nicht verboten :)


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14.02.2020 um 13:38
Zitat von ligalaligala schrieb:Was hat denn Söring in diesem Geständnis konkret geäußert
woher sollte EH denn wissen, was er geäußert hat? Sie wusste nur, er hat gestanden ;) zuerst. Die beiden wurden ja gegenseitig ausgespielt. Kannst du dir diesen Verrat vorstellen, den sie möglicherweise gefühlt hat? Ich schon.


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14.02.2020 um 14:12
Aber das wusste sie doch genau so gut wie er:
Zitat von ligalaligala schrieb:Die Ermittler hatten die Briefe und Tagebuchaufzeichnungen zu dem Zeitpunkt gefunden und gelesen. Sie wussten, dass in Virginia der Mord an den Haysoms begangen worden war
Wieso sollte sie denn automatisch annehmen, dass Söring sie mit dem was er gesagt oder nicht gesagt hat, in die Pfanne gehauen hat?
Dass Ermittler manchmal Tricks benutzen, wird sie ja schon mal gehört haben.

Dagegen wurde Söring das, was E. Haysom über ihn sagte, direkt bekannt: 1987 bei ihrem plea wurde sehr breit darüber in den Zeitungen berichtet. 1990 bei seinem Prozess konnte er ihren Auftritt als Zeugin der Anklage selbst mitverfolgen.
Für mich ist das ist doch ein deutlicher Unterschied.


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14.02.2020 um 14:40
Zitat von ligalaligala schrieb:Wieso sollte sie denn automatisch annehmen, dass Söring sie mit dem was er gesagt oder nicht gesagt hat, in die Pfanne gehauen hat?
naja, weil sie nicht sicher sein konnte, ob er sie nicht mit hineinzieht? Wenn z. B. besprochen war, beide schweigen und er hat das Schweigen zuerst gebrochen. Dann war das ein Vertrauensbruch gewesen oder nicht?
Immerhin schwieg sie selber ja, entweder war es so besprochen oder sie schweig einfach so. Wobei sie ihn hätte ja eigentlich belasten können, immerhin war ja abgesprochen gewesen, er nimmt die Tat auf sich um sie zu retten.


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14.02.2020 um 15:08
Zitat von MelusineMelusine schrieb:Was ist für dich "reiner Tisch"?
Im Gerichtssaal saß ihr ihre eigene Familie gegenüber.
Bringst du jetzt nicht zwei Sachen durcheinander? Bei IHREM Prozess 1987 sass die Familie, aber nicht Söring.

Dass sie gegen ihn aussagte, erfolgte doch aber erst 1990 bei SEINEM Prozess, oder liege ich da jetzt falsch?

Dein Ausgangspunkt war doch dieser:
Zitat von MelusineMelusine schrieb:Es geht mir um die psychologische Seite, dass JS sich "unglaublich verraten" fühlte.

Inwiefern hätte EH sich rechtlich gesehen selbst verschlechtert, wenn sie 1990 die "Doppeltäter-Theorie" zugegeben hätte??

Sie war ja schon verurteilt. Und es heißt doch in Filmen immer, man kann nicht 2x für dasselbe Verbrechen verurteilt werden.
Sie ist ja 1990 immerhin den sexuellen Missbrauch zugegeben bzw. nicht mehr abgestritten (das war ihr offensichtlich wichtig), aber gleichzeitig hat sie JS nochmal eins mitgegeben, was er für ein "wimp" gewesen sei.
Zitat von MelusineMelusine schrieb:Okay, ich sehe schon, es gab rechtlich keinerlei Ausweg für ihn, aber von den Gefühlen her machte es sehr wohl einen Unterschied für ihn, als sie als Zeugin zu seinen Ungunsten aussagte, obwohl ihr doch eigentlich nichts mehr passieren konnte.
Und dazu schrieb ich:
Zitat von TrimalchioTrimalchio schrieb:Wo liegt denn da das Motiv?
[...]
Könnte es nicht schlicht so sein, dass sie die Gelegenheit nutzte, um reinen Tisch zu machen?



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Der Mensch Jens Söring

14.02.2020 um 15:15
Zitat von Tatort70Tatort70 schrieb:Dass man zur Erfüllung seiner extrem bizarren Sexfantasien vielen Seelen ihre Körper raubt? Dass man manipulative Superkräfte hat und es einem leicht fallen würde vielen Leuten ihren Besitz zu stehlen? Man soll nicht alles schön reden. Das erinnert mich an Amokläufer die 30 Leute erschossen haben, zuvor alles ihrem Psychiater erzählt, der wohl in der Zeit aus dem Fenster schaut und gelegentlich geistesabwesend "ja,ja" sagt ;-)
Nehmen wir an, von 100 Menschen, die solche "bizzaren" Worte wählen, die solche Phantasien haben, begeht einer (1) ein Verbrechen. Sind deshalb alle 100 pathologisch böse oder gefährlich? Was schließe ich auch solchen Worten und Gedanken?

Der Psychiater schließt daraus erst einmal: Da braucht jemand Hilfe. Und er wird nicht aus dem Fenster sehen, sondern versuchen mit dem Patienten zu ergründen, woher diese Gefühel und Gedanken kommen. Und der Psychiater weiß auch, wenn das geschieht, wenn solche Gefühlte und Gedanken konstruktiv bearbeitet werden, dann haben sie nicht mehr Macht über den Betroffenen. Sondern der Betroffene gibt ihnen einen Raum. Kontrollierte Selbstreflexion. Ein Tagebuch, einen Punchingball, dosierte Agression usw.
Zitat von MelusineMelusine schrieb:Nein, das sind keine normalen Gedankengänge. Habe ich das irgendwo geschrieben und das irgendwo relativiert? Ich schrieb, dass ich erkenne, dass er unerklärliche Wut- und Hassgefühle in sich spürte.
"Unerklärlich" für ihn. Aber, mein Gott, was ist schon normal??? Man beurteilt natürlich den Weihnachtsbrief vom Verbrechen her und sieht einen Weg geradewegs darauf zu laufen. Wenn ich aber an Regisseure und Schriftsteller denke, an deren Psycho-Werke (von van Gogh über Charles Bukowski bis hin zu "Clockwork Orange", "The Wall" oder Gangsta-Rap), dann frage ich mich schon, ob sich hier nicht auch jemand produzieren wollte, beeindrucken wollte, Elizabeth beeindrucken wollte. Was beim Aussehen Jens' ja auch notwendig war. Denn auch für die Maßstäbe der 1980er Jahre war er nun nicht gerade attraktiv.

Hinzu kommt, dass sowohl Jens als auch Elizabeth außerordentlich viel gelesen haben. Sie müssen Literatur geradewegs verschlungen haben. Darunter viele Werke, die ich im gleichen Alter nach ein paar Seiten wieder zur Seite gelegt habe. Albert Camus? Zu abgefahren, zu trostlos. Shakespeere? Langweilig und verquast. Die beiden werfen sich dagegen permanent Bälle zu. Machen Patchwork aus Zitaten und Anspielungen. Steigern sich hinein. Wo hört das Spiel auf und fängt der Ernst an? Hat man nur die schriftlichen Zeugnisse vor dem Mord, kann man eben keine klare Linie zum Mord ziehen.


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14.02.2020 um 15:28
Zitat von monstramonstra schrieb:Nehmen wir an, von 100 Menschen, die solche "bizzaren" Worte wählen, die solche Phantasien haben, begeht einer (1) ein Verbrechen. Sind deshalb alle 100 pathologisch böse oder gefährlich? Was schließe ich auch solchen Worten und Gedanken?
woher weißt du, dass viele Personen solche Gewaltphantasien überhaupt haben? Das ist die Frage. Ich bezweifel nämlich stark, dass das tatsächlich so ist. Dann stimmt mMn etwas nicht. Das hat einen anderen Ursprung, weshalb jemand von diesen Dingen träumt. Das aber als "normal" darzustellen, nur weil derjenige diese nicht auslebt, finde ich doch sehr fraglich.

Es gibt ja auch Pädophile die keine Kinder mißbrauchen, trotzdem ist es doch nicht normal, dass sie solche Gedanken haben?


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14.02.2020 um 15:29
Noch kurz zur Begrifflichkeit, was Anstiftung, Beteiligung und Mittäter anbelangt. Im deutschen Recht wird da sehr genau (zwischen Täterschaft und Teilnahme, §§ 25 ff. StGB) unterschieden und im US-Recht - wenn ich @Rick_Blaine richtig verstanden habe, findet sich das in etwa auch wieder:

Täter ist der unmittelbare Täter (der die Tat begeht) oder der seltene mittelbare Täter (der von einem Anderen als schuldloses oder irrendes Werkzeug benutzt wird).

Täter sind auch Mittäter. Mittäter leisten vorsätzlich (gemeinsam oder arbeitsteilig) einen Tatbeitrag zur von beiden geplanten Tat. Dieser muss wesentlich sein. Der Mittäter muss also die Tat als eigene und nicht als fremde betrachten (gemeinsamer Tatplan). Die Strafe ist für alle Mittäter gleich.

Teilnahme ist Anstiftung und Beihilfe.

Der Anstifter wird gleich dem Täter bestraft. Er muss einen Dritten bestimmt haben, die Tat zu begehen. Das ist die Tathandlung.

Der Beihelfer leistet einem anderen zu dessen Tat Hilfe. Im Abgrenzung mit Mittäter oder Anstifter betrachtet er die Tat nicht als eigene, stammt der Tatplan nicht von ihm. Deshalb erhält er eine mildere Strafe als der Täter.

Im Einzelnen ergeben sich dogmatisch und rechtspraktisch immer wieder große Abgrenzungsprobleme (Z.B. war Beate Zschäpe Mittäterin der Morde von Mundlos und Bönhardt, obwohl es kein Indiz dafür gibt, dass sie an einem der Tatorte gewesen ist!).


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Der Mensch Jens Söring

14.02.2020 um 15:38
Zitat von Venice2009Venice2009 schrieb:Es gibt ja auch Pädophile die keine Kinder mißbrauchen, trotzdem ist es doch nicht normal, dass sie solche Gedanken haben?!?!
Mal davon abgesehen, dass hier niemand behauptet hat, Jens Söring sei "normal" und es völlig belanglos ist, was ich oder Du für "normal" halten:

Was ist normal? Und woher weißt Du das?

Millionen Deutsche kaufen SUVs oder machen Billig-Urlaub, machen Schulden, kucken Dschungel-Camp, besaufen sich am Wochenende oder machen 48 Stunden Clubbing, haben täglich wechselnde Sexualpartner oder hängen 18 Stunden vor dem Computer rum. Alle normal?

Rechtlich ist normal, wer sich an die Gesetze hält. Psychiatrisch ist normal, wer nicht erkrankt ist. Krank ist, wer leidet. Millionen Deutsche leiden an Depressionen, Angstzuständen, Zwangsstörungen, Schiziphrenie, Suchterkrankungen und allen möglichen Neurosen. Die meisten begehen keine Morde. Alle nicht normal?


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14.02.2020 um 15:43
Zitat von monstramonstra schrieb:Nehmen wir an, von 100 Menschen, die solche "bizzaren" Worte wählen, die solche Phantasien haben, begeht einer (1) ein Verbrechen. Sind deshalb alle 100 pathologisch böse oder gefährlich? Was schließe ich auch solchen Worten und Gedanken?

Es waren ja nicht nur Worte, sondern seine Taten, die im Einklang mit seinen Worten standen, die zu seiner Verurteilung geführt haben und vermuten lassen er könnte gefährlich sein. Söring litt während der Tat an Erinnerungslücken, er muss während der Erinnerunglücke die Haysom´s verstümmelt haben. Hier zeigt sich eine Auffälligkeit die mMn. durch richterlicher Anordnung hätte psychiatrisch/neurologisch untersucht und geklärt hätte werden müssen.


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14.02.2020 um 15:48
Zitat von monstramonstra schrieb:Was ist normal? Und woher weißt Du das?
alles was andere psychisch oder physisch schädigen könnte ist für mich nicht normal. Solche Phantasien müssen ja einen Ursprung haben, es ist ja nicht so, dass man einfach grundlos davon träumt Menschen zu töten? Abnormale Gedanken schädigen zwar niemanden, trotzdem sind sie eben nicht normal. Sonst gäbe es diese Begriffe nicht.


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14.02.2020 um 15:56
Zitat von RosenmontagRosenmontag schrieb:Es waren ja nicht nur Worte, sondern seine Taten, die im Einklang mit seinen Worten standen, die zu seiner Verurteilung geführt haben und vermuten lassen er könnte gefährlich sein. Söring litt während der Tat an Erinnerungslücken, er muss während der Erinnerunglücke die Haysom´s verstümmelt haben. Hier zeigt sich eine Auffälligkeit die mMn. durch richterlicher Anordnung hätte psychiatrisch/neurologisch untersucht und geklärt hätte werden müssen.
Natürlich sind - im Lichte der Tat besehen - die Selbstzeugnisse von Jens (und Elizabeth) belastende Indizien. Ich glaube auch, dass diese für die Entscheidung der Jury sehr wesentlich waren.

Die "Erinnerungslücken"? Das hatten wir schon. Werden durch Alkohol erklärt. Müssen aber auch keine gewesen sein. Sondern schlichtes Nichtwissen, das kaschiert wird, um ein glaubhaftes Geständnis abzuliefern. Und die Ermittler wollten das Geständnis auch glauben. Weil sie dann gute Arbeit gemacht hätten.

Ob Jens eine verminderte Schuldfähigkeit für sich in Anspruch hätte nehmen können? Das hätte die Verteidigung geltend machen müssen. In den USA spielt aber verminderte Schuldfähigkeit wohl keine große Rolle bei der Strafzumessung. Und die vom Vater eingeholten psychiatrischen Gutachten waren im Prozess bedeutungslos. Vermutlich sah die Verteidigung da kein Potential, etwas zu erreichen. In Deutschland wäre das anders gewesen. Aber auch da hätte ich meine Zweifel, wenn sich Söring so verteidigt hätte, wie er sich in Virginia verteidigt hat. Denn da agierte jemand, der sehr klaren Verstandes war. Da war kein Bewusstsein getrübt. Und dafür gibt es bei der Tatausführung (seine Schuld unterstellt) auch keine Anhaltspunkte.
Zitat von Venice2009Venice2009 schrieb:Sonst gäbe es diese Begriffe nicht.
Der Begriff "normal" ist vor Gericht oder bei Psychologen oder Psychiatern so hilfreich wie "schön".


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Der Mensch Jens Söring

14.02.2020 um 16:11
Zitat von monstramonstra schrieb:Man beurteilt natürlich den Weihnachtsbrief vom Verbrechen her und sieht einen Weg geradewegs darauf zu laufen. Wenn ich aber an Regisseure und Schriftsteller denke, an deren Psycho-Werke (von van Gogh über Charles Bukowski bis hin zu "Clockwork Orange", "The Wall" oder Gangsta-Rap), dann frage ich mich schon, ob sich hier nicht auch jemand produzieren wollte, beeindrucken wollte, Elizabeth beeindrucken wollte.
Danke dafür! An Bukowski etc. habe ich in Bezug auf den Weihnachtsbrief auch immer wieder denken müssen... Wobei das schriftstellerische Talent des JS mich dort so gar nicht überzeugen mag. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass er in diesem Brief versucht, die literarisch ambitionierte EH zu beeindrucken und eben vieles überzeichnet, sich als enfant terrible stilisiert.

Es kann natürlich auch anders sein. Aber wäre JS schon immer von Gewaltfantasien besessen gewesen, hätte sich das nicht irgendwie manifestieren müssen? Soweit ich weiß, fallen diese Menschen eher früh auf, durch Empathielosigkeit, Tierquälerei etc. Davon hört man über JS nichts, weder vor noch nach der Tat.

Nochmal: Ich halte JS für schuldig. Und ich will nichts entschuldigen oder beschönigen. Nur verstehen.


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