monstra schrieb:Jens hat im "Versprechen" angedeutet, dass da noch etwas ist, das er bisher nicht preisgegeben hat.
Was meinst du so ungefähr? Hast du ein Zitat für mich?
monstra schrieb:Trotzdem - oder gerade deswegen - frage ich mich, ab wann Jens Söring seine Strafe als Unrecht empfand. Und warum.
Ich kann jetzt nur von mir und meiner Erfahrung mit dieser manipulativen Person in meiner Vergangenheit reden: Diese Person war ein notorischer Lügner und er hat mir Storys erzählt, von denen ich bis heute nicht weiß, ob sie stimmen. (Es gibt auch keine Möglichkeit, das je herauszufinden.) Ich habe ihn beobachtet, wie er andere Personen mühelos belogen hat und bin mir sicher, dass er auch mich belogen hat, aber wann und wo? Was stimmt und was nicht?
Ich könnte mir vorstellen, dass JS nach seinem überstürzten Geständnis ohne Anwalt erstmal einen Strohhalm gesehen hat, als er "Ashford68" im Gefängnis kennenlernte, der ihm vom deutschen Jugendstrafrecht erzählte. Dadurch hat er wahrscheinlich wieder neue Hoffnung geschöpft. Möglicherweise glaubte er sogar, Elizabeth in 10 Jahren tatsächlich wieder in die Arme schließen zu können. Also musste er erstmal sein falsches Geständnis aufrechterhalten, damit sie als "Anstifterin" eine kleinere Strafe bekommt:
"From the outset, Jens urged Elizabeth to follow his direction, saying their best bet was “to save my ass and hope somehow that will save yours.” At his father’s suggestion, Soering had decided to contest extradition to the United States, hoping for a trial in his native West Germany, where he would be tried as a juvenile and face a lighter sentence."
(Quelle: Amy Lemley: Misfit, Murderess, Martyr. The Changing Face of Elizabeth Haysom, Albemarle Magazin; Albemarle-Magazin, Juni/Juli 1990, Seite 75).
EH musste sich gleichzeitig ebenfalls eine Verteidigungsstrategie überlegen. Nun hatte zwar JS alles auf sich genommen, aber die Briefe deuteten nur auf sie. Sein "Manifest" kannte sie nicht - das habe ich jedenfalls bei Amy Lemley so verstanden, dass EH nur bis Seite 6 las und den Rest erst im Prozess zu Gesicht bekam.
Also brauchte sie "Munition". Sie bekam die Fotos und behauptete, sie sei von Jens' Brutalität geschockt. Dabei hatte sie selber dieses Blutbad (mit-)angerichtet. Dann bekam sie das psychiatrische Gutachten in die Hände und erzählte, Jens hätte sie in der Nacht nach der Beerdigung vergewaltigt. Dann bekam sie den Neil-Woodall-Brief in die Hände und erzählte, er hätte eine "Killing spree" durch Europa geplant.
Die Kinokarten tauchten erst 1990 auf. 1987 hatte Elizabeth behauptet, während der Abwesenheit von Jens Drogen genommen zu haben. Während er also angeblich unterwegs war, um ihre Eltern zu töten, war es ihr größtes "Versäumnis", diese nicht zu warnen. Wenn überhaupt, hatte sie ihn nur zur Tat angestiftet und nach seiner Abfahrt überhaupt gar nichts mehr unternommen (es gibt wohl auch noch einen Straftatbestand "Accessory after the fact"). Das Kinoticket-Alibi war zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch gar nicht bekannt.
An seiner Stelle hätte ich mich spätestens nach dem Prozess 1987 gefragt, ob überhaupt irgendetwas, das sie mir jemals erzählt hatte, der Wahrheit entsprach (sowohl Vergewaltigung, Kindesmissbrauch, Nacktfotos als auch die ganz große Liebe).
Und wenn möglicherweise alles eine Lüge war (sowohl ihre Gefühle als auch ihre Gründe), dann waren sowohl seine Tat als auch sein Opfer (die beide auf diesen Gefühlen und diesen Gründen aufbauten) komplett sinnlos. Ich glaube, in dem Moment, in dem er erkannte, dass er manipuliert worden war, lag der gedankliche Schritt zu "Ich bin an allem, was passiert ist, unschuldig" sehr nahe.
Und nachdem die Todesstrafe vom Tisch war und er sich einer lebenslangen Haftstrafe gegenübersah, blieb ihm wohl nichts übrig, als sich entweder in sein Schicksal zu ergeben oder zu kämpfen.
@Rick_Blaine:
Amy Lemley schreibt, Elizabeth hätte unter normalen Umständen nach 1/6 ihrer Strafe oder nach 12 Jahren Bewährung beantragen können:
"In Virginia, a prisoner is eligible for parole after he has served either one-sixth of his sentence or 12 years, whichever is shorter."
(Quelle: Amy Lemley: Misfit, Murderess, Martyr. The Changing Face of Elizabeth Haysom, Albemarle Magazin; Albemarle-Magazin, Juni/Juli 1990, Seite 58).
Mal angenommen, EH hätte 1987 eine kürzere Strafe bekommen, sagen wir mal, 10 Jahre. Mal angenommen, sie hätte 1990 zugunsten von JS ausgesagt, also zum Beispiel, dass sie es zusammen waren. Oder vielleicht sogar, dass sie das Messer geführt hatte (falls es so war). Was wäre dann passiert? Hätte er dann eine kürzere Strafe bekommen?