@staples Situationen, in denen ich einer Vergewaltigung entkam:
- Mit 11 auf dem Schulweg, mit dem Fahrrad durch den Stadtwald in Hannover. Hatte verschlafen, war darum alleine unterwegs (davor wurde immer ausdrücklich gewarnt, aber der andere Weg war ein langer Umweg...). Ein Mann kommt plötzlich hinter einem Gebüsch hervor und greift nach dem Gepäckträger, ich trete wie besessen in die Pedale. In der Schule habe ich gleich davon berichtet, es wurde die Polizei verständigt. "Solche Typen sind an dem Weg oft unterwegs", hieß es.
Andere hatten nicht so viel Glück.
- Mit 14 bei Freunden wo ich im Sommer zu Besuch war: ein ca. 40-jähriger Bekannter von ihnen, der als Handwerker im Haus war. Meinte, er habe sich in mich verliebt, stellte mir einige Tage lang nach, schließlich kam er in die Küche, wurde immer aufdringlicher, drückte mich an sich und wollte mich küssen. Zum Glück kam plötzlich die älteste Tochter überraschend nach Hause.
Es gab ein großes Theater, keine Anzeige.
- Mit ca. 30 in Berlin, nachts nachdem ich in einer Telefonzelle telefoniert hatte. Drei oder vier ca. 20-jährige Typen hatten mich beobachtet, quatschten mich an als ich gehen wollte und als ich deutlich sagte und zeigte, dass sie mich in Ruhe lassen sollen und über die Kreuzung zu meinem Haus lief (ziemlich schnell), folgten sie mir. Ich habe das Hoftor gleich hinter mir zugeknallt und gehofft, dass kein anderer Mieter auf ihr Klingeln hin die Tür öffnen würde, aber sicherheitshalber die Klinke hoch gestemmt (so eine Altbau-Tür, wo die Klinke fast auf Schulterhöhe war). Dann habe ich draußen Radau gehört: Die älteren Männer, die wie immer vor dem Türkischen Café nebenan saßen, haben die Typen angebrüllt ... mehr habe ich nicht mitbekommen weil ich Angst hatte, die Tür zu öffnen. Als Stille eingekehrt war, bin ich in meine Wohnung gegangen. Die Männer aus dem Café und ich haben uns fortan immer sehr freundlich gegrüßt.
(Eine Freundin von mir war auf der Treppe in ihrem Mietshaus vergewaltigt worden, kein Mieter hatte auf ihre Schreie reagiert. Darum wollte ich nicht versuchen, vor den Typen in meiner Wohnung zu sein.)
Das seltsame ist, dass mir im Verlauf dieser Diskussion Situationen einfallen, die ich lange vergessen hatte. Andere, sehr üble Situationen haben sich in meiner Erinnerung verändert... wie ich feststellen musste, als ich nach Jahren nach dem Angriff auf einer Party mein Tagebuch wieder las, hatte ich die schlimmsten Szenen des Abends total vergessen.
Das heißt, dass man ein Trauma auch damit verarbeitet, dass man ausblendet. (Ein Trauma war es definitiv, ich konnte monatelang kaum ohne Angst aus dem Haus, bin auf keine Party gegangen und habe alles getan, um dem Mann nicht zu begegnen.)
Ich bin jetzt über 50. Das heißt, auch wenn mir nicht ständig sowas passiert ist, sind doch in vielen Jahren mit einigem nächtlichen Ausgehen und Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel einige Übergriffe zusammen gekommen. Allerdings war ich auch viel alleine unterwegs, da ist man noch eher Ziel, als wenn man jemanden dabei hat. Früher sind wir auch noch getrampt, da ist es aber nur einmal zu Grapschen gekommen.