Menedemos schrieb:Außerdem fragte Truus Langendonks im Gasthaus nach dem Weg nach Reit im Winkl, also nach der Richtung, in der der Campingplatz Litzelau tatsächlich liegt. Wenn sich die Kellnerin richtig erinnert, hieße das, dass die Langendonks die richtige Richtung nach Litzelau durchaus kannten.
Aber ihr dann nicht folgten. Und da ist die Frage: warum? Von Marquartstein aus geht es direkt nach Süden, nach Reit im Winkl. Sie aber landeten in Siegsdorf im Nordosten. Das ist schon das erste ominöse Rätsel, denn tatsächlich sollte man sich eigentlich nicht verfahren: In Marquartstein ist Reit im Winkl ausgeschildert. Die generelle Fahrtrichtung ist Süden, in Richtung der Alpen. Von MS aus sollte man sogar ohne zu fragen in der Lage sein, nach RiW zu kommen. Dennoch fragten die Langendonks und dennoch fuhren sie ganz woanders hin.
Da es im Telefongespräch von Siegsdorf keine Anzeichen für Probleme gab, kann es eigentlich nur eine Erklärung geben: die Langendonks waren tatsächlich geographisch nicht sehr fit und haben sich verfahren.
Bayern macht es in dieser Gegend einem Touristen nicht ganz einfach, da es mehrfach Orte mit gleichem Namen oder ähnlichem Namen gibt. Zum Beispiel Nussdorf, zu dem Litzlwalchen gehört. Es gibt noch ein Nussdorf in der Gegend, Nussdorf am Inn, das liegt etwa genauso weit von Marquartstein entfernt wie das erste, aber in der gegensätzlichen Richtung: Nussdorf bei Traunstein liegt nordöstlich, Nussdorf am Inn liegt südwestlich. Zu den Orten Litzelau und Litzlwalchen hatte ich schon geschrieben.
Aber: Von Marquartstein nach Reit im Winkl ist es wirklich sehr einfach: man folgt einfach der Hauptstrasse durch Marquartstein und ist in wenigen Minuten in Reit im Winkl. Man kann bei gutem Wetter die Richtung klar an den Bergen erkennen: Reit im Winkl liegt tiefer in den Bergen. Siegsdorf hingegen, da wo die Langendonks nachgewiesener Weise gewesen sind, liegt im Flachland. Von Siegsdorf nach Litzlwalchen geht es nach Norden, tiefer ins Flachland, weg von den Alpen.
Auch die Theorie, sie wollten erst noch ein wenig am Chiemsee herumfahren, bevor sie vielleicht am Abend in ihrem Ziel Reit im Winkl ankommen wollten, passt nicht. Dann wären sie sinnvollerweise ins knapp 20km entfernte, aber nordwestlich liegende Prien gefahren. Siegsdorf liegt nicht am Chiemsee sondern weiter von ihm entfernt als Marquartstein.
Es ist also nicht nur der Ort Litzlwalchen, an dem die Langendonks irgendwie nichts zu suchen hatten, es ist schon die Fahrt nach Siegsdorf, die hier grosse Rätsel aufgibt. Siegsdorf selbst, vor allem im Vergleich mit Reit im Winkl, hat keinerlei touristische Vorzüge.
Der einzige Grund in Siegsdorf zu landen wäre gewesen, wenn sie Reit im Winkl ganz als Ziel aufgegeben hätten und eher in Richtung Berchtesgaden (touristisch sicherlich der Höhepunkt der Gegend) oder gar Salzburg gewollt hätten. Dies ist durchaus denkbar, denn wir wissen nicht, ob die Frage nach dem Weg nach Reit im Winkl nur bedeutete, ob sich dieser Ort als ein "Abstecher" lohnt.
In Siegsdorf selbst allerdings gibt es dann gar keinen vernünftigen Grund mehr, warum sie nach Norden in Richtung Litzlwalchen gefahren sein sollten.
Es bleibt also dabei, dass das Rätsel dieses Falles nicht erst im Hölzl beginnt, sondern schon bei der Frage: wieso sind die Langendonks überhaupt an diesem Nachmittag in Litzlwalchen? Und wieso vorher in Siegsdorf?
Menedemos schrieb:Die Frage, die ich mir stelle, ist, ob der Täter vom Hölzl oder vom ganzen Chiemgau ablenken wollte.
Wie schon bemerkt wurde, wimmelt es am Alpenrand vor gelben Nummernschildern. Wir Nürnberger kennen diese nur von der A3, aber der Alpenrand ist durchaus eine weitere niederländische Provinz auf beiden Seiten der Grenze. Als ich dort eine Zeit lang lebte, waren gelbe Nummernschilder berüchtigt: Einheitstempo 80 sagten wir, auf der Landstrasse verhungerten wir hinter ihnen und im Ort hiess es rette sich wer kann
:DEin rational denkender Täter, der nun unbedingt vom Hölzl oder vom Chiemgau ablenken wollte, hätte das Wohnmobil nur südlich der A8 irgendwo auf einem Waldparkplatz abstellen brauchen, es wäre dort nicht aufgefallen. Es hätte da sogar tagelang unbemerkt stehen können, weil es "ins Bild gepasst hätte."
Entweder hat der Täter hier nicht rational gehandelt, oder es ging ihm nicht darum, den Tatort zu verschleiern, sondern nach Nürnberg zu gelangen.
Eine ganz andere Frage wurde hier wohl noch nicht angesprochen, ich gebe sie auch mal nur als Denkanstoss, da es eh keine Antwort gibt: Nehmen wir mal an, es ging dem Täter (auch) darum, ein Fahrzeug zu erlangen, um nach Norden zu kommen. Wenn man den Zeugenaussagen glaubt, dass er sich nach der Tat noch ca. 2 Stunden am Tatort aufgehalten haben muss und wenn man dann schlussfolgert, dass er 1. bemerkt hat, dass niemandem die Tat aufgefallen war, und 2. eine Fahrt mit zwei Leichen an Bord irgendwie nicht die angenehmste Vorstellung ist: warum hat er eigentlich nicht die Zeit genutzt, die beiden Leichen im Hölz zu deponieren und das Wohnmobil ohne sie genommen und einfach irgendwo abgestellt? Auf diese Weise hätte er noch viel mehr Verwirrung stiften können: man hätte das Wohnmobil nicht sofort gefunden, und nachdem man es gefunden hat, erst einmal verblüfft nach den Besitzern fahnden müssen. Und bis sie gefunden worden wären, das hätte lange dauern können.
Nein, mir scheint immer noch, dass der Täter nicht sonderlich rational handelte. Mir scheint, er war die ganze Zeit von den Umständen getrieben: er musste/wollte nach Norden, er stellte dann fest, er musste unbedingt zurück zum Tatort, was seinen ursprünglichen Plan durcheinander brachte. Er ging Risiken ein, die ein rational denkender Täter nicht eingegangen wäre. Und er hatte einfach Glück.