Mordfall Peggy
Neue Vorwürfe gegen Verdächtigen
Im Fall der verschwundenen Peggy aus Lichtenberg (Lkr. Hof) sind offenbar neue Vorwürfe gegen einen Verdächtigen aufgetaucht. Einem Zeitungsbericht zufolge ermitteln zwei Staatsanwaltschaften gegen den 29-Jährigen.
Stand: 06.09.2013
Mordopfer Peggy | Bild: Bayerischer Rundfunk
Der Mann aus Sachsen-Anhalt soll die Tochter seines älteren Bruders sexuell missbraucht haben, berichtet der "Nordbayerische Kurier". Den Angaben zufolge haben die Staatsanwaltschaften Bayreuth und Halle entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Mann sei geständig, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Herbert Potzel der Zeitung. Demnächst werde Anklage erhoben.
Freund der Familie als neuer Verdächtiger
Zuvor war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Bayreuth den 29-Jährigen auch im Hinblick auf den Mordfall Peggy ins Visier genommen hat. Er lebt in Halle und zählte bereits zum Tatzeitpunkt zum engsten Freundeskreis von Peggys Familie. Aktuell führe man Ermittlungen mit Vernehmungen, mehr könne man dazu aber nicht sagen, so der Leitende Oberstaatsanwalt Potzel. Der Familienfreund war schon vor zehn Jahren im Visier der Ermittler. Im Februar 2013 wurde der Mann zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil er sich an seiner zwei Jahre alten Tochter vergangen hatte. Der Verdacht gegen zwei weitere Männer hat sich dagegen laut Potzel nicht erhärtet.
120 Vernehmungen, kein Erfolg
Fall Peggy | Bild: Bayerischer Rundfunk
Landgericht Hof
Antrag auf Wiederaufnahme im Fall Peggy
Indes läuft Wiederaufnahmeantrag im Fall Peggy vom Frankfurter Rechtsanwalt Michael Euler weiter. Er vertritt Ulvi Kulac, den ehemaligen Nachbarn von Peggy aus ihrer Heimatstadt Lichtenberg (Lkr. Hof). Kulac wurde 2004 wegen Mordes an dem spurlos verschwundenen Mädchen zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Verteidiger ist von der Unschuld des geistig behinderten Mannes überzeugt und hat einen 2.000 Seiten starken Wiederaufnahmeantrag beim Landgericht Bayreuth eingereicht. Mitte August hatte Oberstaatsanwalt Potzel bekanntgegeben, dass es 120 Vernehmungen gegeben habe, allerdings ohne "durchschlagenden Erfolg".
Wichtiger Zeuge gestorben
Unterdessen wurde auch bekannt, dass ein Zeuge, der in Eulers Wiederaufnahmeantrag eine wichtige Rolle spielt, gestorben ist. Da der Zeuge seine Angaben aber vor einem Ermittlungsrichter gemacht hatte, seien sie weiterhin verwendbar, so Euler. Der verstorbene Zeuge hatte ursprünglich behauptet, Kulac habe ihm den Mord gestanden, diese Aussage aber später widerrufen. 2010 hatte der Zeuge erklärt, er sei von der Polizei erpresst worden. Ulvi Kulac und er waren zeitweise gemeinsam im Bezirkskrankenhaus Bayreuth untergebracht. Der Oberstaatsanwalt betonte, dass die damaligen Aussagen des Zeugen bei der Urteilsfindung des Landgerichts Hof 2004 keine Rolle gespielt hätten. Das Gericht habe sich auf andere Beweise gestützt.
Wiederaufnahmeverfahren
Michael Euler | Bild: Bayerischer Rundfunk
Mordfall Peggy
Öffentliche Erklärung von Rechtsanwalt Euler
Anfang April hatte Euler in Lichtenberg eine öffentliche Erklärung abgegeben. Er gab an, sich durch 38 Aktenordner gearbeitet zu haben. Dabei sei er zu der Erkenntnis gekommen, dass Ulvi Kulac Peggy nicht getötet haben kann. Der Anwalt stützt sich beim Wiederaufnahmeantrag auf Tatsachen oder Beweismittel, die erst nach der Urteilsverkündung herausgefunden wurden, aber zu einem maßgeblich anderen Urteil führen können. Außerdem erläuterte Euler weiter, dass Zeugen bei Vernehmungen vorsätzliche Falschaussagen gemacht haben.
Genannte Gründe für Wiederaufnahme
Kulac sei im April 2004 aufgrund eines völlig widersprüchlichen Geständnisses verurteilt worden.
Peggys Leiche sei nie gefunden worden.
Es stehe nicht einmal fest, ob die damals neunjährige Schülerin aus Lichtenberg tatsächlich tot sei.
Aus der Gerichtsakte sei zu entnehmen, dass der geistig behinderte Ulivi Kulac bei polizeilichen Vernehmungen erheblich unter Druck gesetzt worden sei. Da er "seine Ruhe haben wollte" habe er die Tötung gestanden, anschließend aber sofort wieder darauf hingewiesen, dass er es nicht gewesen sei.
Ein Zeuge, der Ulvi Kulac schwer belastet hatte, habe inzwischen zugegeben, dass es sich dabei um Falschaussagen gehandelt habe. Dieser Zeuge ist inzwischen verstorben, seine Angaben seien aber noch verwendbar, da er sie vor einem Ermittlugnsrichter gemacht hätte.
Zudem sei der Zeuge von den damaligen Ermittlungsbeamten dazu angestiftet worden.
Mehr als zehn Zeugen hätten angegeben, Peggy noch am späten Nachmittag des 7. Mai 2001 in Lichtenberg gesehen zu haben. Zwei Schüler wollen Peggy gesehen haben, wie sie in einen roten Mercedes mit tschechischem Kennzeichen gestiegen sei. Kulac hatte gestanden, Peggy vor 14.00 Uhr getötet zu haben.
"Wegsperren nicht gerechtfertigt"
Grabstein von Peggy Knobloch | Bild: Bayerischer Rundfunk
Fall Peggy
Anwalt beantragt Wiederaufnahme
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Viele Bürger in Lichtenberg haben Zweifel daran, dass der geistig behinderte Ulvi Kulac tatsächlich der Täter war und gründeten eine Bürgerinitiative, die sich für seine Freilassung einsetzt. Der Leitende Oberstaatsanwalt Ernst Schmalz hatte in einer Pressemitteilung betont, dass eine Freilassung von Ulvi Kulac derzeit nicht in Betracht komme: Momentan werde nicht die lebenslange Haftstrafe wegen Mordes vollstreckt. Stattdessen sei Kulac wegen des mehrfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht, hieß es in dem Schreiben. Diese Taten seien unbestritten. Die Bürgerinitiative bezweifelt aber, dass die dauerhafte Unterbringung von Ulvi Kulac in einer Psychiatrie rechtmäßig ist, da dem heute 35-Jährigen lediglich exhibitionistische Handlungen und "gegenseitiges Betatschen" vorgeworfen wurden. Dies rechtfertige aber möglicherweise nicht das lebenlängliche Wegsperren eines geistig behinderten Menschen, so Gudrun Rödel von der Bürgerinitiative.
Wer tötete das Mädchen?
Zeitstrahl Peggy | Bild: picture-alliance/dpa Zeitstrahl öffnen
Mordprozess ohne Leiche
Ulvi Kulac vor dem Landgericht Hof (Archivfoto) | Bild: picture-alliance/dpa
Ulvi Kulac vor dem Landgericht Hof (Archivfoto)
Die neunjährige Schülerin Peggy Knobloch aus dem oberfränkischen Lichtenberg war am 7. Mai 2001 spurlos verschwunden. Rasch geriet Ulvi Kulac unter Verdacht, das Mädchen ermordet zu haben, um einen vorangegangenen sexuellen Missbrauch zu vertuschen. 2004 verurteilte ihn das Landgericht Hof unter anderem wegen Mordes an Peggy zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Ein Jahr später bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil. Ulvi Kulac ist derzeit im Bezirkskrankenhaus Bayreuth untergebracht. Der heute 35-Jährige hat einen Intelligenzquotienten von 67 und ist damit laut Gutachten auf dem geistigen Stand eines zehnjährigen Kindes. Peggys Leiche wurde nie gefunden.
Quelle :
http://www.br.de/nachrichten/oberfranken/peggy-lichtenberg-wiederaufnahme-100.html (Archiv-Version vom 12.03.2013)Beim Anklicken der Quelle werden Bilder und ein Zeitstrahl sichtbar .