Ich bin ehrlich gesagt etwas erschrocken, wie gering hier die Kenntnisse über Rechte und Pflichten im Rahmen von Zeugenbefragungen sind.
AnnaKomnene schrieb:Es gibt in Deutschland nur wenige Dinge, die man wirklich tun muss, und zu einer Zeugenvernehmung zu gehen ist eines davon.
AnnaKomnene schrieb:Doch als Zeuge ist er verpflichtet, zur Vernehmung zu erscheinen, und er kann die Aussage wie gesagt auch nur veweigern, wenn er sich oder einen nahen Verwandten belasten wuerde.
Slaterator schrieb:Ein Zeuge ist auch wenn er nicht als tatverdächtig vernommen wird verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Selbstverständlich kann er die Aussage verweigern, wenn er dadurch sich selbst oder einen direkten Angehörigen belasten würde. Er darf jedoch soweit mir bekannt nicht straffrei eine Lüge auftischen, nur weil ihn die Wahrheit selbst belastet. Er kann in einem solchen Fall nur die Aussage verweigern. Das ist meine persönliche Auffassung, ohne selbst Jurist zu sein. Bitte korrigieren, sollte ich da falsch liegen.
Slaterator schrieb:Als Zeuge ist man verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Also ist das schon alles ernst. ABER, das ist nicht mit einem Verhör vergleichbar. Alles geschieht ohne Druck und in freundlicher Atmosphäre. Also nicht mit einem Verhör verwechseln.
Das ist leider in Bezug auf Vernehmungen durch die Polizei komplett falsch. Ich nehme an, dass es in erster Linie daran liegt, dass ihr Vernehmungen durch Polizeibeamte in einen Topf werft mit Befragungen vor Gericht bzw. durch die Staatsanwaltschaft. Hier greifen allerdings komplett unterschiedliche gesetzliche Regelungen. Ich sage es mal in aller Deutlichkeit: Wird man zu einer polizeilichen Vernehmung vorgeladen, muss man zu dieser
nicht erscheinen. Erscheint man dennoch auf freiwilliger Basis, so muss man
nicht aussagen. Sagt man dennoch aus, steht es
nicht unter Strafe, die Unwahrheit zu sagen. Jedem, der zu einer polizeilichen Vernehmung vorgeladen wird, steht es also vollkommen frei, wie er damit umgeht. Dabei ist es rechtlich weder unzulässig, die Vorladung in den Müll zu werfen und nicht weiter darauf zu reagieren, noch ist es strafbewehrt dem Beamten das Blaue vom Himmel vorzulügen, solange man damit nicht andere Tatbestände erfüllt (in Frage kommen hier bspw. die falsche Verdächtigung nach § 164 StGB oder die Strafvereitelung nach § 258 StGB). Ratsam ist es natürlich nicht zu lügen und moralisch auch verwerflich, aber eben kein Straftatbestand.
Anders sieht es bei Vorladungen zu einer Befragung durch die Staatsanwaltschaft aus, hier muss man erscheinen und auch aussagen. Eine uneidliche Falschaussage (§ 153 StGB,
https://dejure.org/gesetze/StGB/153.html) oder ein Meineid (§154 StGB,
https://dejure.org/gesetze/StGB/154.html) sind allerdings nur vor Gericht oder vor anderen "zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle[n]" unter Strafe gestellt. Polizei und Staatsanwaltschaft sind allerdings gerade nicht zur eidlichen Vernehmung von Zeugen berechtigt:
Die Falschaussage setzt eine Aussage vor einem Gericht oder einer anderen Stelle, die zur eidlichen Vernehmung befugt ist, voraus.
[...]
Bitte beachten Sie, dass weder Staatsanwaltschaft noch Polizei zuständige Stellen im Sinne einer Falschaussage sein können! Anders lautende Belehrungen des vernehmenden Polizeibeamten sind schlicht falsch und dienen lediglich dazu, das Ermittlungsergebnis zu verbessern.
Quelle:
http://www.kanzlei-kaempf.net/uneidliche-falschaussage-%C2%A7-153-stgb-falschaussage-vor-gericht-falschaussage-polizei-strafe-anstiftung-zur-falschaussage-verleitung-zur-falschaussage-%C2%A7-160-stgb/Eine schöne Zusammenfassung wird ebenfalls hier gegeben:
http://www.helduser.de/service/was-tun-wenn/details/vorladung-zur-polizei/ (Archiv-Version vom 18.12.2016)Folgende Zitate bringen es schön auf den Punkt:
Sie müssen einer Vorladung durch die Polizei keine Folge leisten und können ebenso gut hingehen wie wegbleiben. Erzwingen kann die Polizei weder die Aussage eines Zeugen noch die eines Beschuldigten.
Einer Vorladung durch die Staatsanwaltschaft müssen Sie nachkommen, wenn Sie das Risiko vermeiden wollen, von der Polizei festgenommen und dem Staatsanwalt zwangsweise vorgeführt zu werden
.
Ich hoffe damit einmal etwas Licht ins Dunkle gebracht zu haben.
@makky Unter Bezugnahme auf meine obigen Ausführungen steht bzw. stand es der Polizei im Fall TG natürlich frei, Zeugen vorzuladen und sie zu sämtlichen Themen zu befragen, von denen sie sich Aufklärung der Geschehenshergänge in der Nacht des Verschwindens versprachen. Ich weiß nicht, welche rechtlichen Probleme du hier siehst. Insbesondere darf der Polizeibeamte auch in alle Richtungen Nachforschungen anstellen, also auch "verdächtigen". Damit wird ein Zeuge noch nicht zum Verdächtigen bzw. Beschuldigten eines Ermittlungsverfahrens.
Insbesondere ist auch nicht klar, was du mit "Alibis abverlangen" meinst. Vielleicht kannst du einmal definieren, was du damit meinst. Das klingt ja so, als wäre es eine objektive Handlung wie "Blut abnehmen" o.ä. Eine Überprüfung, welcher Zeuge sich in der Nacht zu welcher Uhrzeit wo aufgehalten hat, um damit herauszufinden, ob er etwas mit dem Verschwinden Tanjas zu tun haben könnte bzw. dies ggf. ausschlieeßen zu können, ist doch aber gerade Kern der Ermittlungsarbeit und rechtlich nicht ansatzweise zu beanstanden.
Mit einem "Alibi" hat das ganze maximal im umgangssprachlichen Sinne zu tun, warum nutzt du diesen Begriff plötzlich ständig, wenn doch eigentlich klar ist, dass er unangebracht ist? Und von "abverlangt" kann ja eben keine Rede sein, da Zeugen - wie ich oben darlegte - eben keine Pflicht haben irgend etwas vor der Polizei auszusagen, ja nicht einmal auf eine polizeiliche Vorladung müssen sie in irgendeiner Weise reagieren. Das heißt, wenn ein Zeuge die polizeiliche Vorladung einfach ignoriert muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob die Aussage dieses Zeugen für die weiteren Ermittlungen unerlässlich ist. Ist dies der Fall, so wird der Zeuge von der Staatsanwaltschaft vorgeladen und durch einen Staatsanwalt verhört. Ob es Fälle gab, in denen genau das passierte, wissen wir nicht.