@InterestedInterested schrieb:Vielen Dank für diese Erklärung.
Nichts zu danken.
Interested schrieb:Wir hatten das Urteil bereits gelesen..und auch ist der Umstand des Besuches bei der Freundin, die übrigens doch mit auf der Feier war...so habe ich es zumindest in Erinnerung, den meisten klar.
Zunächst zur Freundin: Das habe ich dem Urteil anders entnommen. Im Urteil wird hierzu ausgeführt (
Hervorhebungen von mir):
"Die Zeugin T führte in diesem Zusammenhang glaubhaft aus, S [die Verlobte] habe sie am 15.05.06 besucht. Sie sei zwischen 16.00 und 16.45 Uhr zu ihr nach Hause gekommen. Sie habe zwar nicht auf die Uhr gesehen, aber jedenfalls sei S spätestens um 17.00 Uhr bei ihr gewesen. S sei ca zwei Stunden in der Wohnung geblieben und sei dann anschließend auf ein Geburtstagsfest am Chinesischen Turm gegangen."Das klingt mir nicht danach, als ob die Freundin sie da begleitet hätte. Falls doch wäre das schon eine äußerst schlampige Zusammenfassung im Urteil gewesen.
Interested schrieb:Die Gründe Fraukes sind im Grunde auch klar, sie wollte Bence irgendwie schützen...dass sowas in die Hose gehen kann, nicht außergewöhnlich.
Wie bereits mehrfach beschrieben, war und ist so etwas ein typischer Abwehrreflex, wenn man mit einer entsprechenden Alibifrage konfrontiert wird.
Interested schrieb:Die Alibizeiten mögen so genannt worden sein, sowohl Verlobte wie auch Bence geben an, von Beamten massivst angegangen worden zu sein, welches lt. Urteil und Aussagen der Ermittler nicht haltbar war...da - wenn es denn so wäre, Bence niemals seinen Anwalt weggeschickt hätte.
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir über den Bezug zwischen Alibizeiten und dem Rest des Satzes so nicht im Klaren bin. Ob und inwiefern BT und seine Verlobte der Polizei Vorwürfe hinsichtlich der Vernehmungsmethoden machten, hat zunächst einmal nichts mit meinen Ausführungen zu den Alibizeiten zu tun. Und das war ja zunächst die aufgeworfene Frage gewesen.
Um aber zu den angeblich erlogenen Vorwürfen an die Polizei Stellung zu nehmen:
Hier stehe ich - zumindest, was die Ausführungen im Urteil zu den Vorwürfen von S hinsichtlich der Befragung in der Auffindenacht angeht - diesen kritisch gegenüber. Das Urteil stützt sich hier im Wesentlichen auf formelhafte Wendungen, in denen festgestellt wird, dass die Aussagen des Beamten glaubhaft sind und die der Zeugin S nicht. Im Übrigen ergeht sich das Urteil in mE wenig fundierten Mutmaßungen zur Motivlage des Beamten, ignoriert dabei Grundsätze der Ermittlungsarbeit und kommt schließlich zum entscheidenden Punkt: Der Zeuge T bestätigt einen Satz, den die Zeugin S genauso wiedergegeben hatte und widerspricht damit zugleich den Ausführungen des Beamten. Darauf geht das Urteil dann aber gar nicht mehr ein, obwohl dieser Satz -
"dass sie - S - nicht die einzige sei, die nicht wisse, was ihr Mann mache" - nahelegt, dass die Version der Zeugin näher an der Realität dran ist, als die des Beamten. Hinzu kommt noch, dass der Beamte gerade was diesen Satz betrifft sich sehr zurückzieht in seiner Aussage:
"Er selbst habe sie auf keinen Fall gefragt, ob sie dem Angeklagten die Tat zutraue. Möglich sei, dass er ihr sinngemäß gesagt habe, es sei doch nicht ungewöhnlich, dass sie - die Zeugin - nicht wisse, was er - der Angeklagte - in der Zeit gemacht habe." In der Gesamtbetrachtung scheint es mir schon naheliegend zu sein, dass der Beamte hier über die Grenzen einer reinen Routinebefragung zur Abklärung der Aufenthaltsorte etwas hinausgeschossen ist. Insofern bin ich der Ansicht, dass zumindest diese Aussage der Zeugin relativ korrekt ihre Erinnerung der Auffindenacht wiedergegeben hat.
Interested schrieb:Da diese ganze Chose soviel Lug und Trug in sich trägt, und hier mehr das Zusammenspiel der Beziehungspartner F. u B. mit im Fokus steht, waren und sind Fragen diesbezüglich trotzdem berechtigt.
Worauf es hinauslaufen soll, hat @KonradTönz1 schon gut erklärt.
Das impliziert aber wieder, dass "Lug und Trug" von Seiten des Angeklagten (und seiner Angehörigen) in irgendeiner Form belastend zu werten wären. Genau das ist aber nicht der Fall. Der Angeklagte darf lügen. Und solche Lügen dürfen auch grundsätzlich nicht gegen den Angeklagten verwendet werden. Die Rechtsprechung dazu ist relativ eindeutig. Das ist auch einsichtig, wenn man eben anerkennt, dass auch ein Unschuldiger mit Motiv und ohne Alibi immer schon in einer schlechten Ausgangsposition ist. Man ist nunmal nicht vor einem Justizirrtum gefeit. Und darum ist auch nachvollziehbar, wenn man versucht, sich ein Alibi als den Entlastungsbeweis schlechthin zu verschaffen, genauso wie man natürlich eventuell auch versucht, belastende Vernehmungsergebnisse wieder vom Tisch zu bekommen usw. Kurzum, die Tatsache, dass S und BT - ich habe das jetzt nicht näher geprüft - eventuell hinsichtlich der Vernehmung BTs beide gelogen haben, sagt absolut gar nichts über die Motivation der Alibilüge durch S aus, um die es hier ja in den letzten Seiten der Diskussion ging. Und da möchte ich doch noch einmal klar festhalten: Weder ist in dem Zeitpunkt 19.00 Uhr - ab dem ein durchgehendes Alibi nicht mehr gewährt wurde - noch in der Tatsache generell ein Anhaltspunkt dafür zu finden, dass S von einer Tatbegehung durch BT wusste oder diese vermutete. Die Gründe dafür habe ich bereits ausführlich dargelegt. Auch im Kontext anderer Lügen von Angeklagtem und seiner Verlobten, die das Ziel hatten, den Tatverdacht gegen den Angeklagten zu entkräften oder Verwertungsverbote zu erreichen, ergibt sich hier nichts anderes. Insofern halte ich Fragen in diese Richtung für nicht weiterführend.
Interested schrieb:Leider wird aber von vielen Urteilsgegnern, genau das in Frage gestellt und mehrfach schon Rechtsbeugung, Absprachen zwischen allen ermittelnden Instanzen und dergleichen unterstellt.
Ich sehe in dieser Kritik der Urteilsgegner zunächst kein Infragestellen der Rechtsordnung. Vielmehr ist es doch so, dass hier gerade kritisiert wird, dass Recht sei nicht richtig angewendet worden. Andere Kritikpunkte zielen mehr auf systemische Fehler. Beides ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Fehlerhafte Rechtsanwendung kommt leider häufig vor, und für meinen Geschmack zu häufig. Allein wenn ich mir so die Schriftsätze von Kollegen durchlese, frag ich mich oft, wie die arbeiten, um zu solchen eher minderwertigen zum Teil schlicht falschen juristischen Ausführungen zu kommen. Betrachtet man wissenschaftliche Abhandlungen zu dem Thema Justizrrtum, so muss man feststellen, dass es da begründete Annahmen für eine vergleichsweise hohe Dunkelziffer gibt. Unabhängig davon ist das System selbst sich schon dessen bewusst, dass es fehleranfällig ist. Darum gibt es ja in der Regel drei Instanzen. Bedauerlich finde ich in diesem Zusammenhang, dass gerade bei Mord und Totschlag auf eine zweite Tatsacheninstanz verzichtet wurde. Damit fällt ein wichtiges Kontrollorgan weg.
Schließlich kann man es den Menschen auch nicht verübeln, wenn sie ausgehend von bekannt gewordenen Justizirrtümern und Ermittlungsfehlern auch die hier vorgenommenen Bewertungen Ermittlungsarbeiten kritisch unter die Lupe nehmen. Problematisch finde ich nur den Vorwurf der Rechtsbeugung, der in der Tat oftmals recht schnell - man könnte sagen vorschnell - erhoben wird. Grundsätzlich kann man bei einem Justizrrtum davon ausgehen, dass ungewollte oder unbewusste Fehler gemacht wurden. Das ist nur natürlich. Der Mensch ist nunmal fehleranfällig.
Interested schrieb:Da wäre Dein Aufklären sehr viel wichtiger gewesen!
Ich hatte ja mal kurz aufgeklärt, wo das Rechtsverständnis nicht besonders ausgeprägt war, siehe Diskussion um die "Enterbung". Im Übrigen habe ich diese Diskussion nicht ständig auf dem Schirm und nicht so viel Zeit, mich da regelmäßig einzuklinken und alles mitzulesen - zumal sich ein Gutteil der Diskussion ja eher auf einer persönlichen Ebene bewegt.
Interested schrieb:Aber stimme Dir absolut zu!
KNOW YOUR RIGHTS!
In der Tat, ein sehr wichtiger und Punkt für mich - kenne Deine Rechte. Ebenso wichtig erscheint mir aber auch seine Pflichten zu kennen. Und fast noch wichtiger: die Rechte der
anderen.
@pfiffipfiffi schrieb:Danke, Der Greif. Ja, wir Freizeitkriminalisten. Haben halt auch noch Beruf und Sozialleben ;-)
Nichts zu danken. Ich ja auch. Darum habe ich mich bis jetzt auch nur oberflächlich mit dem Fall beschäftigt und werde es auch jetzt wieder gut sein lassen. Ich tendiere sowieso dazu, eher eine berechtigte Verurteilung von BT anzunehmen.
@AggieAggie schrieb:Anders formuliert: Die Zeugin hatte gute Gründe, BT das falsche Alibi für den in Frage kommenden ZEITRAUM zu geben, innerhalb dessen die Tat verübt worden sein konnte.
So zumindest ich das.