Das ist zwar richtig, dass "Mörder" kein Persönlichkeitsmerkmal ist und dass theoretisch jeder zum Mörder werden kann - aber dies ist eben nur eine theoretische Möglichkeit.
Es ist schon so, dass sich Straftäter im allgemeinen und Gewaltverbrecher im besonderen in einigen Merkmalen von Nicht-Straffälligen unterscheiden (Persönlichkeit, Sozialisation usw.). Leider nützt das zur Klärung eines Einzelfalles nicht viel, da es sich hier natürlich um Gruppenstatistiken handelt und daher nicht auszuschließen ist, dass auch jemand mal einen Mord begeht, der einige der Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt. So haben beispielsweise nur etwa 8% der Gewaltverbrecher einen Hochschulabschluss (Musolff & Hoffmann, Täterprofile bei Gewaltverbrechen, 2002). Das ist also eher selten, kommt aber dennoch vor.
Trotzdem ist der "nette" und "unauffällige" Mörder statistisch gesehen klar die Ausnahme. Hierbei darf man sich nur nicht von den üblichen Aussagen von Nachbarn und dgl. täuschen lassen. Dies wird gerne in den Medien so wiedergegeben, wahrscheinlich da dies eine bessere (und gruseligere) Story gibt. "Netter Nachbar tötet ..." verkauft sich besser als "Böser Mörder tötet ...".
Und weil hier Ted Bundy als Beispiel bemüht worden ist. Der war zwar redegewandt und selbstsicher im Auftreten, aber nicht unbedingt ein "Schiegermutter-Typ":
"Nach eigener Aussage verstand er [Ted Bundy] nie, wie die Dinge laufen, warum Menschen Freunde haben wollten, was Menschen an anderen Menschen attraktiv fanden und er verstand nie die Grundlagen sozialer Interaktionen. Weiter gab er an schon in jungen Jahren von Abbildungen, die Sex und Gewalt zeigten, fasziniert gewesen zu sein. Deswegen ging er in Bibliotheken und suchte sich Bücher über Verbrechen, die Bilder von toten Körpern und gewaltsamen Sex zeigten. Noch bevor er aus der High School kam, war er ein zwanghafter Ladendieb und auf dem besten Weg ein Amateur Verbrecher zu werden. Er fuhr leidenschaftlich gern Ski, also stahl er Skier und Ausrüstung und fälschte die Karten für den Lift. Als Jugendlicher wurde er zweimal eingesperrt, seine Akten aber später gelöscht."http://www.dunkletage.de/serienkiller/index.php?location=serienkiller_bundy&PHPSESSID=itge681t1kfgcr5ub9q7cp0sf2Es ist natürlich festzuhalten, dass die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen in Friedenszeiten wahrscheinlich das stärkste gesellschaftliche Tabu überhaupt ist. Die Anzahl der in Deutschland begangenen Morde schwank pro Jahr immer so um die 1.000. Für 2006 betrug die Anzahl der begangenen Morde 983. Die Anzahl der Totschläge und Tötung auf Verlangen war demgegenüber mit 1.928 Fällen bereits doppelt so hoch. Beide Deliktarten zusammen machen nur etwa 0.04% an der Gesamtkriminalität aus - also sehr, sehr selten.
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/2229/umfrage/mordopfer-in-deutschland-entwicklung-seit-1987/http://de.statista.com/statistik/daten/studie/37468/umfrage/opfer-von-totschlag-und-toetung-auf-verlangen-in-deutschland/Es müssen demzufolge schon besondere Umstände vorliegen, bevor jemand einen anderen Menschen vorsätzlich tötet. Nicht zufällig spielen Alkohol und Drogen bei Tötungsdelikten eine große Rolle. Bei etwa 75% aller Täter bestand mindestens eine leichte und bei 55% zumindest eine mittlere Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt (Hermann, 2008).
Menschen bringen also nicht so ohne weiteres andere Menschen um. Im Fall "Böhringer" würde ich mich wahrscheinlich gar nicht wundern, wenn B. T. seine Tante im Affekt erschlagen hätte.
Hier soll es aber so gewesen sein, dass B. T. seine Tante, mit der er seit seiner Kindheit engen Kontakt und zu der er eine enge Bindung hatte, kaltblütig und geplant umgebracht haben soll. Das ist der Punkt, der in diesem Fall stutzig macht und warum die Diskussion früher oder später immer wieder bei der Einschätzung der Persönlichkeit von B. T. bzw. beim Motivkonstrukt landet.
Da Menschen - zumindest, wenn sie nicht schwer psychisch gestört sind (Psychose u. a.) - morgens nicht einfach aufwachen und denken: "Das beste wäre, wenn ich meine Tante erschlage", müsste B. T. psychische Vorarbeit zur Tat geleistet haben, bei der er seine Bedenken, Skrupel, sein Gewissen, kurz seine Ambivalenz, ausgeschaltet hat. Dies machen Täter üblicherweise in dem sie ihre Opfer "Entpersonalisieren" oder sich selbst die Erlaubnis für die Tat geben. Sehr beliebt sind auch "höhere Gründe", also Morde im Dienste einer höheren Idee.
Alternativ finden sich im Vorfeld entsprechender Gewalttater häufig extreme Zuspitzungen von Konflite
Dass sich B. T. von der grausamen Tat völlig unberührt neben seine Verlobte ins Bett legt (Montag), ist aus meiner Sicht bei der Vorgeschichte von B. T. äußerst unwahrscheinlich.