@Siegfrieden Der Artikel mag zwar etwas differenzierter sein als andere, besser ist er deshalb noch lange nicht.
Dieser Artikel schwimmt wie alle anderen auf einer Welle mit, die von einem Nicht-Ereignis, einer Nicht-Nachricht ausgelöst wurde. "Amanda Knox hat einen Job", "Amanda Knox hat einen neuen Freund." Diese beiden Meldungen haben in den letzten Monaten höhere Wellen geschlagen, als die Veröffentlichung der Urteilsbegründung Nencinis oder die eingereichten Revisionsanträge. Warum nur?
Weil, wie es in dem Artikel heißt:
[...] Die Medien sind fasziniert von ihr, von dem Mysterium, das sie umgibt. Und so wurde schon wieder ein menschliches Schicksal zur Daily Soap erhoben. Eine mutmaßliche Mörderin zur Berühmtheit. Auch ihr 2013 erschienenes Buch "Zeit gehört zu werden" trug zu dieser Entwicklung bei.
Ein kleines Bisschen Medienschelte, gepaart mit dem schlecht kaschierten Vorwurf, dass Knox dazu mit ihrem Buch selbst beigetragen hat. Wie bitte?
Die Grundaussage des Artikels, dass man einen Menschen nicht auf eine Tat reduzieren kann, ist zwar richtig, nur scheint die Autorin die Schuld von Amanda Knox als gegeben anzusehen.
Das Gericht hat entschieden. Amanda Knox ist eine zweifach verurteilte Mörderin. Doch sie beharrt auf ihrer Unschuld, auch sieben Jahre nach dem grausamen Mord.
...so beginnt die von Dir zitierte Passage:
Siegfrieden schrieb:Warum haben wir eigentlich das Bedürfnis, uns auf eine Seite zu schlagen? Warum müssen wir, die wir keine Ahnung haben, eigentlich herausposaunen, was wir davon halten? Und wieso diskutieren Menschen in Foren über die Schuld und Unschuld der Amerikanerin? Dürfen wir das überhaupt? Dürfen wir alles nur schwarz und weiß sehen und dürfen wir die Augenbrauen hochziehen, wenn der Redakteur des "West Seattle Herald" ihr ein fast normales Leben ermöglicht?
und kommt eindeutig zweideutig zu dem Schluss:
Nein, das dürfen wir nicht!
Was dürfen wir nicht?
Uns auf eine Seite schlagen?"
Warum nicht?
Das Gericht hat entschieden. Amanda Knox ist eine zweifach verurteilte Mörderin.
Und das Gericht ist natürlich unfehlbar, klar.
Siegfrieden schrieb:Warum müssen wir, die wir keine Ahnung haben, eigentlich herausposaunen, was wir davon halten?
Richtig, Leute, wie die Autorin, die sich bei der Zusammenfassung der Urteile schamlos bei dem von ihr verlinkten Spiegel Artikel bedient und auch dessen Fehler (das erste Urteil war in 2009, nicht 2010) übernimmt und damit demonstriert, dass sie "keine Ahnung" und womöglich auch kein Interesse hat, sollte vielleicht nicht "hinausposaunen" was sie davon hält...
Siegfrieden schrieb:...wieso diskutieren Menschen in Foren über die Schuld und Unschuld der Amerikanerin?
Weil es Leute (auf beiden Seiten des Zauns) gibt, die eben doch Ahnung haben und über den Fall, die Beweislage und die Urteile mehr wissen als nur die Seitenanzahl der Urteilsbegründungen... Leute, die versuchen dem
Mysterium, das sie umgibt
auf den Grund zu gehen und erst einmal herauszufinden, ob Amanda Knox den ihr zur Last gelegten Mord überhaupt begangen hat.
Siegfrieden schrieb:Dürfen wir alles nur schwarz und weiß sehen
Ja, wenn man sich aufgrund der Tatsachen eine Meinung gebildet hat, gibt es nur noch schwarz und weiß, schuldig oder unschuldig, und Kommentare wie das leicht vorwurfsvolle:
Aus Angst vor erneuter Verurteilung ist Amanda Knox nicht erschienen.
(soll heißen: wenn sie unschuldig wäre, hätte sie doch nichts zu befürchten, oder?) und
Selbst wenn Amanda Knox auf grausame Art und Weise ihre Mitbewohnerin getötet haben sollte,
erübrigen sich dann.
Entweder ist Amanda Knox in 2011 von einem bestochenen oder unfähigen Richter freigesprochen worden, oder es wirken die Selbsheilungskräfte innerhalb der italienischen Strafverfolgung, wo die eine Krähe der anderen natürlich kein Auge aushackt, und womögliches Fehlverhalten seitens der Ermittler, Spurensicherung und Ankläger unter den Teppich gekehrt wird...
Interessant ist, dass ein gewisser Rudy Guede in diesen neuesten Artikeln gar nicht mehr vorkommt.
Schlagzeilen macht nur Amanda Knox, Raffaele Sollecito wird noch erwähnt, weil er auch noch mit in dem Schlamassel steckt, aber es gibt keine Meldungen ausserhalb Italiens, dass Guede gerade mit seinem Antrag einen weiteren Strafnachlass aufgrund eines Gesetzes, das die "Gefängnisse leeren" soll, gescheitert ist:
http://corrieredellumbria.corr.it/news/perugia/154057/Omicidio-Meredith--niente-liberazione-anticipata.html (Archiv-Version vom 10.11.2014) , warum nur?
Vielleicht, weil sich der Journalismus heute lieber auf Dinge konzentriert, die die Autorin in der Einleitung
erwähnt:
Ihre graublauen Augen wirken kalt. Durchdringend. Es stimmt: Sie hat etwas Düsteres an sich, etwas Ungreifbares, Mysteriöses. Oder ist es doch nur unsere Wahrnehmung, die uns einen Streich spielt? Das Resultat unseres Urteilens über sie? Das Wissen, das sie möglicherweise mit dem Küchenmesser auf ihre Mitbewohnerin eingestochen hat?
:-(