trusty schrieb:Wer weiss: Was hätte Frau Knox für Möglichkeiten bei einem erneuten Schuldspruch?
Kann sie damit nach Strassburg?
Können natürlich immer, aber eine Beschwerde dürfte auch höchstwahrscheinlich angenommen werden und auch vermutlich Erfolg haben.
Aktuell hat das Gericht die Beweismittel nicht erhoben, welche die Angeklagten angeboten haben (außer einem Foto der Fingernägel von Herrn Sollecito).
Es ist zwar nicht klar, was genau die Angeklagten angeboten haben, aber 2 Sachen weiß man recht sicher. Das eine war die Herausgabe sämtlicher Daten bzgl. der DNA-Untersuchung von Frau Stefanoni um überhaupt in die Lage versetzt zu werden, eine Kontamination über diesen Weg zu beweisen.
Zum anderen wurde eine akustische Untersuchung verlangt. Dies betrifft die Frage der Zeugenaussage bzgl. der angeblichen Schreie/Streit-Gespräche und das angebliche laufen über die Treppe.
Da diese nicht erhoben wurde, kann sich das Gericht nach den Richtlinien eines fairen Verfahrens (hier rechtliches Gehör) nicht mehr sein Urteil auf die DNA-Ergebnisse von Frau Stefanonie stützen. Ebenso auf die Zeugenaussagen bzgl. der angeblichen Schreie/Streitgespräch, die Massei verwendet hatte um den Todeszeitpunkt nach hinten zu ziehen, damit die Angeklagten nicht mehr durch Curatolo ein Alibi hatten.
Vermutlich werden die Angeklagten noch weitaus mehr Beweismittel angeboten haben, sie hatten ja im Endeffekt die Vorlage des obersten Gerichtshofs um gegen jeden einzelnen Punkt Beweismittel anzubieten.
Außerdem gehört natürlich zu einem fairen Verfahren noch viel mehr, so darf ein Gericht nicht ohne triftigen rechtlich zulässige Gründe ein Urteil aufheben. Es muss verhindert werden, dass Länder solange Urteile aufheben, bis irgendein Richter ein dem Land genehmes Urteil fällt.
Wenn man beispielsweise die Begründung des obersten Gerichts ansieht, dass die Zeugenaussage Curatolo, dass die weil er angeblich die Angeklagten im Gerichtssaal erkannt haben sollte, mehr Gewicht hätte haben müssen und das ein Grund für die Aufhebung ist, ist das nicht mit dem Artikel 6 der EMRK vereinbar. Das ganze Urteil des obersten Gerichtshofs stellt von vorn bis hinten ein Verstoß gegen ein faires Verfahren dar, so dass es eigentlich niemand, der etwas von Recht versteht dieses ernst nehmen kann bzw. die schreiende Ungerechtigkeit sieht.
Auch bzgl. der nun von Frau Knox eingereichten Beschwerde beim EGMR bzgl. der Verurteilung wegen Verleumdung ist die Sache eigentlich klar, weil die entsprechenden rechtlichen Grundsätze schon lange der EGMR geklärt sind.
So sind Aussagen, welche unter Verstoß gegen EMRK Artikel 3 zustande kommen sind grundsätzlich nicht verwertbar. Hellman hatte festgestellt, dass die Aussage von Frau Knox durch ein unmenschliches Verhör zustande gekommen sei. Im Endeffekt wurde das vom obersten Gerichtshof noch bestätigt. Die Frage ist hier, ob der oberste Gerichtshof diese Feststellung als bindend ansieht, da bin ich nicht ganz sicher, u.U. wird es sich selber über die Verhörmethode sich ein Bild machen wollen.
Aber der andere Punkt ist die fehlende Aufklärung, obgleich Frau Knox schon lange als Verdächtige galt, das beweisen die abgehörten Gespräche mit ihrer Mutter vor dem Verhör.
An der Stelle muss man unterscheiden. Der EGMR sieht hier kein 100%iges Verwertungsverbot in solchen Fällen bzgl. des eigentlichen Verfahrens, also der Frage bzgl. des Mordes als solchen. Hier wäre eine genauere Betrachtung notwendig, dessen Ergebnis man hier nicht vorhersehen kann.
Bzgl. der Frage der Verleumdung ist hier die Rechtsprechung jedoch eindeutig. Wäre Frau Knox aufgeklärt worden, wäre die Straftat der Verleumdung höchstwahrscheinlich nicht entstanden. Daher sieht der EGMR in solchen Fällen es so, dass eine solche Aussage dann bzgl. des Verleumdungsvorwurfs nicht verwertbar ist.
Es gibt also bzgl. der Verleumdung schon zwei Gründe, die es wahrscheinlich machen, dass der Beschwerde sattgegeben wird.
Das Dumme bei allem ist, dass es beim EGMR alles relativ lange dauern wird. Je nach Verstoß und nach der Wirkung priorisiert der EGMR.
Die andere Sache ist die, dass normalerweise eine Beschwerde zum EGMR erst zulässig wird, wenn ein Verfahren in einem Land rechtskräftig abgeschlossen ist. Bei der Frage der Verleumdung ist das gegeben. Bzgl. der Frage des Mordvorwurfs jedoch noch nicht. Wenn aber die Beschwerdeführer darlegen können, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Beschreitung des Rechtsweges zu keinem anderen Ergebnis führen wird, sind Beschwerden schon vorher zulässig. Gleichzeitig muss der EGMR natürlich auch berücksichtigen, dass eine Entscheidung dann notwendig ist, wenn das Verfahren zu lange dauert, so dass auch aus diesem Grund eine Beschwerde zulässig werden kann.
Im Fall eines erneuten Schuldspruchs Sollecito/Knox hätte Italien die Chance nicht genutzt, den Verfahrensfehler, des obersten Gerichtshofs zu korrigieren sondern hätte noch weitere Fehler hinzugefügt. In diesem Fall ist es wahrscheinlich, dass eine Beschwerde zum EGMR zulässig wird.