mlaska schrieb:aber andererseits für FL auffällig-attraktiv genug, um gleich alles aus sich heraus- und zuzulassen einschließlich "Adresse" im weitesten Sinn und "vertrauensvolles" Einsteigen in irgendein Auto. Wäre diese Person existent und FL ihr noch im Pub emotional verfallen, warum trennte sie sich dann wieder von ihm, um mit Bella fröhliche SMSe an Niels zu schreiben?
FL war 21 Jahre alt. In diesem Alter hat man nach meiner Erfahrung keine grundlegenden Bedenken, den Namen seiner Straße zu nennen oder einen anderen nach seiner Wohngegend zu fragen.
Entscheidend ist das Gegenüber: Bei einer wildfremden Person, die einen unvermittelt auf der Straße anspricht, würde man irritiert und ablehnend reagieren, aber in einer "vertrauten Umgebung" (dazu kann auch eine Kneipe gehören, die man öfter besucht) und bei einer Person (die ungefähr dem Alter und der Art des eigenen Bekanntenkreises entspricht), von der man eventuell auch glaubt, es bestünden Kontakte zwischen ihr und dem eigenen Freundeskreis, sind solche Hemmschwellen deutlich niedriger. (Zumal Stalking vor 12 Jahren - wenn ich mich richtig erinnere - noch kein so beachtetes Problem wie heute war).
Das muss aber nicht im geringsten ein besonderes Interesse an dieser Person bedeuten. Ich halte es gerade in diesem Alter für völlig normal, am Abend in einer Kneipe mit allen möglichen Leuten ein paar Sätze zu wechseln, ohne deren Namen zu kennen (und ohne sich ein paar Tage später an sie genauer erinnern zu können).
Ich glaube auch, dass Du das "vertrauensvolle" Einsteigen überschätzt. Als ich 21 Jahre alt war, studierte ich, und es war völlig normal, Kommilitonen, die man überhaupt nicht näher kannte, im Auto mitzunehmen. Wenn man z. B. an einem Seminar teilgenommen hatte, das erst um 21 h endete, oder man länger in der Bibliothek gesessen hatte und dann mit einer Person, die dieselbe Vorlesung besuchte, kurz ins Gespräch kam und dabei erfuhr, dass sie in der Nähe wohnte, aber mit Bahn und Bus fahren musste, war es eigentlich selbstverständlich, sie (gleichgültig ob die Konstellation männlich-weiblich war oder nicht) mitzunehmen - sofern man selber ein Auto besaß. Irgendwelche Ängste habe ich nie erlebt.
Allein der Besuch von Vorlesungen und Seminaren reichte für eine (ein gewisses) Vertrauen schaffende Gemeinsamkeit - was aus objektiver Sicht wenig begründet war, denn man kannte sich oft (noch) kaum. Und das gilt nach meiner Meinung auch für andere Bereiche. Mit Anfang Zwanzig sind die Beziehungen zu Gleichaltrigen oder nur wenig Älteren viel unbekümmerter und zwangloser als 20 Jahre später.
Die altersbedingte Gemeinsamkeit in dieser Phase der Übergänge wirkt viel stärker. Später wird man distanzierter und komplizierter, man ist eingebunden in seinen Beruf und/oder Familie, beschränkt sich zunehmend auf seinen über die Jahre etablierten Freundeskreis - und die Offenheit, der "Möglichkeitssinn" nehmen immer mehr ab.
FL hätte also nach meiner Ansicht keinen Grund gehabt, an der Normalität eines solchen Angebots, sie eben nach Hause zu fahren, zu zweifeln, wenn sie diese Person zwar nur flüchtig, aber in einem von ihr als vertrauenswürdig empfundenen Kontext kennengelernt hätte. Sie war wohlbehütet und mit einem integren Freundes- und Bekanntenkreis aufgewachsen, in dem das nach meiner Einschätzung "normal" war. Zudem war Paderborn, soweit mir bekannt, kein Ort mit einer beunruhigenden Mord- und Vergewaltigungsquote.
FL war müde und Chris wartete auf sie - da kann eine kurze Autofahrt durchaus die reizvollere Alternative zu einem Fußmarsch von 15 Minuten sein.
Cruchot schrieb:Zwischen Pup und der 1. SMS aus Nieheim liegen ja immerhin gute 2 Stunden. Die Fahrt nach Nieheim dauert ca. 25 - 40 min. habe ich hier iwo gelesen. Aber was ist in dieser Zeit dazwischen passiert? Täter und Opfer müssen ja nicht sofort unmittelbar nach der Entführung nach Nieheim gefahren sein.
Ich nehme nicht an, dass der Täter, wenn er FL in Paderborn entführt hat (wovon ich ausgehe), mit ihr nach Nieheim gefahren ist. Für mich liegt die Vermutung näher, dass er sie erst an ihren Festhalteort brachte und dann ohne sie nach Nieheim fuhr, um von dort zwecks falscher Fährtenlegung die SMS zu versenden. Ich glaube, dass er die Fahrt mit der entführten FL so kurz wie möglich halten wollte.
Maja2 schrieb:Vielleicht handelte es sich um einen Täter der immer latent auf der Suche nach einem geeigneten Opfer war und an diesem Abend unglücklicher Weise auf Frauke stieß, der er im Vorfeld schon begegnet ist (Party, Disco, Kneipe oder Nachbarschaft) so das er sie, ohne das es ihr unangebracht schien, ansprechen konnte.
Das ist auch eine sehr plausible Überlegung. Ich vermute jedoch eher ein gezieltes Interesse des Täters an FL und genauere Informationen über ihre Lebens- und Wohnsituation, also (besonders mit Blick auf die Anrufe) irgendwelche Kontakte zu FLs Freundes- und Bekanntenkreis - aber
keine Zugehörigkeit zu diesem engeren Umfeld. Aber die grundsätzliche Suche nach einem Opfer und FL als eine "besonders günstige Gelegenheit" würde ich keineswegs ausschließen.
Doverex schrieb:Das im Mordfall Frauke Liebs auch im Hintergrund als Tatmotiv das Besitzdenken und die Machtausübung über einen anderen Menschen steht, finde ich eben sehr hoch wahrscheinlich. In irgendeiner Form glaube ich, spielt dies eine bedeutende Rolle.
Doverex schrieb:Schon allein, wem nicht heim gehen zu lassen, also festzuhalten, steht für mich schon für: "ich bestimme darüber was du kannst und was nicht!".
Ich stimme Dir völlig zu. Es gab keine Lösegeldforderung oder einen anderen Erpressungsversuch. Es ging dem Täter also offensichtlich nur darum, FL in seiner Gewalt zu haben. FL war ihm mindestens eine Woche vollständig ausgeliefert - bis sie, mit größter Wahrscheinlichkeit durch ihn verursacht, starb.
Vielleicht wollte er sie nicht von Anfang an töten, aber ich glaube nicht, dass er jemals wollte, dass sie aufhörte, sein "Besitz" zu sein. Nach meiner Ansicht wollte er schrankenlose Macht über sie: Er war Alles und sie, wenn er es wollte, ein Nichts.