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Mordfall Hinterkaifeck

51.943 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Bauernhof, Hinterkaifeck ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Hinterkaifeck

Mordfall Hinterkaifeck

19.07.2022 um 19:58
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Was dann übrigbleibt, sind dann zwei bis drei Theorien, für die es zwar Anhaltspunkte gibt, von denen aber keine auch nur ansatzweise hinreichend bewiesen werden kann. Das mag unbefriedigend sein, wäre aber das wissenschaftlich fundierte Endergebnis.
Dem stimme ich zu. Einen Tatnachweis kann man nicht mehr führen, man kann sich auf die von Dir beschriebene Weise annähern und dann die sich daraus ergebenden Theorien nach Wahrscheinlichkeit bewerten. Mehr geht nach 100 Jahren nicht mehr, aber das ist ja doch besser als nichts.


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Mordfall Hinterkaifeck

19.07.2022 um 23:46
@DerGreif
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Eine Befragung des Monteurs Albert Hofner, zur Zeit in Reichertshausen wohnhaft, ist nicht erfolgt. Die Meldung der Gendarmerie in Hohenwart, daß Hofner früher schon eingehend vernommen worden sei, hat sich nicht bewahrheitet.
Hofner selbst bestätigt die telefonische Einvernahme am Tag nach der Auffindung.
Weil das so stimmig ist gehe ich eher davon aus, dass die Aussage nicht protokolliert wurde oder aber verschlampt.
Beides nicht glorreich, das stimmt.

Was an dem erhaltenen Aktenbestand im Gegensatz zu vielen anderen Fallakten auffällt sind die Anzeichen für sehr zerfaserte Zuständigkeiten. Goldhofer berichtet beispielsweise zumindest anfänglich nicht nach München sondern an das Bezirksamt Schrobenhausen bzw. dann später an die Staatsanwaltschaft Neuburg a.D. Das allein zeigt schon, dass Reingruber trotz seiner leitenden Funktion nicht immer umgehend und wahrscheinlich auch nicht vollständig informiert wurde. Die Kommunikation war damals eine andere.
Ebenfalls auffällig sind die vielen vielen schriftlichen Anfragen nach einzelnen Akten oder Sachverhalten. Was wir heute schwups per Onlinemeeting mit allen Beteiligten klären war damals ein zeitaufwändiges Unterfangen. Statt einzelne Akten einfach vielfach abzuschreiben wie es beispielsweise mit dem Augenscheinsprotokoll geschah, befanden sich die Akten ständig im Umlauf und wurden immer wieder gesucht.
Die Entfernung und die Kosten fallen mir auch noch ein als qualitätsmindernde Faktoren.
Generelle Schlampigkeit kann ich aber dennoch nicht feststellen.

Meines Erachtens gibt es unabhängig vom oben Gesagten zwei Punkte, die eine Aufklärung verhinderten. Eine davon ist meine subjektive Einschätzung.
- es gab keinen einzigen Gegenstand, der 1922 konkret mit der Tat und mit dem Täter in Verbindung gebracht werden konnte. Fingerabdrücke, Haarspuren etc. konnten nicht zum Täter führen.
- die späte Auffindung: nicht nur dass der Tatort kontaminiert und eventuell einmal vorhandene Spuren degradiert sind, auch die möglichen Ermittlungsmaßnahmen wie eine schnelle Fahndung an Verkehrsknotenpunkten und in Übernachtungsgaststätten war nach so langer Zeit zum Scheitern verurteilt. Auch die Erinnerungen der Zeugen sowie die große Nervosität wegen der schrecklichen Tat waren nach 4 Tagen nicht förderlich, was den Wahrheitsgehalt anbetrifft. Damit meine ich nicht unbedingt die bewussten Falschaussagen sondern vielmehr ein ungenaues Erinnerungsvermögen.

Danke, dass Du nochmal aus dem Buch von Frau Hofmann die Reingruber betreffenden Stellen zusammengestellt hast. Reingruber eine Parteilichkeit und Mauschelei zu unterstellen ist nicht in Ordnung, sofern man keinerlei konkreten Beweise vorlegen kann.



@totto
Zitat von tottototto schrieb:Mit dem Kriminaloberinspektor. Reingruber, der außer dem Antrittsbesuch in Hinterkaifeck durch Abwesenheit glänzte
Das stimmt halt auch nicht.
Erstens wurde vom Leitenden Ermittler keine Anwesenheit erwartet, dazu schickte er ja seine Beamten bzw. bezog die örtlichen Genarmen ein. Alles andere wäre Verschwendung von Kapazitäten gewesen. Was hätte Reingruber denn in Dauerpräsenz vor Ort tun und erreichen können?
Zudem wissen wir von einer Reisekostenabrechnung im Juli 1929, als Reingruber nach Schrobenhausen gereist ist. Natürlich kann es sein, dass Reingruber in den 7 Jahren dazwischen nie mehr vor Ort war. Genauso gut kann es aber auch sein, dass er doch ab und zu dorthin reiste.


Womit hättest Du denn Schlittenbauer der Tat überführt? Stell Dir vor Du bist vor Gericht Staatsanwalt und legst die Beweise auf den Tisch. Was ist das?


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 00:00
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Durchaus. Er hätte weiter gegen den Ex-Freund ermitteln können. Oder gegen Dobner, dem man durchaus eine Nähe zu den Waffenlagern unterstellte. Da dieser selber Waffenlager verraten wollte, hätte man sogar evtl. zwei Fliegen mit einer Klappe treffen können. Im Übrigen sieht man auch, wie die StA - nachdem man Dresse von dem Fall entfernt hatte - Schweighart geschützt hatte, und zwar entgegen der von Reingruber und Dresse klar herausgearbeiteten (Mit-)Schuld von Schweighart. Es war auch Reingruber der Dresse Informationen zu dem Hartung-Mord zukommen ließ und damit den Stein bei diesen Ermittlungen wieder ins Rollen brachte. Richtigerweise schätzt Hofmann, immerhin eine renommierte Historikerin, die diese Morde detailliert untersucht hatte, gerade auch Reingruber als integren Beamten ein, ebenso wie Dresse, von Merz, Rahmer und Kestel im Gegensatz zB zu Pöhner oder Glaser.
Vielen Dank für deine Ausführungen in Sachen Maria Sandmayr.
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Die userin @irene im hinterkaufeck.net-Forum hat zahlreiche Raubmorde im ungefähren Zeitraum der HK-Morde untersucht, bei denen der Täter gefasst wurde, aber wenig oder keine Beute mitnahm. In einem Fall hatte er sich zum Beispiel so auf eine erwartete Beute fixiert gehabt, dass er, als er diese nicht fand, einfach ohne überhaupt etwas mitzunehmen verschwand
Was die Fälle der von dir angeführte Userin angeht wäre es natürlich hilfreich zu präzisieren und nicht irgendwas in den Raum zu stellen (ein link ...?). Dein angeführtes Beispiel sagt nichts aus, weil du keine Verhältnismässigkeit einbringst. Gibt es tatsächlich einen vergleichbaren Fall, wurde dieser gelöst oder nicht?
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:So zieht er Erbschaft in Betracht und kurzfristig auch Schlittenbauer. Er übersieht bei diesem das Motiv, aber hatte ihn durchaus richtig als potentiellen Tatverdächtigen eingeordnet. Ein weiteres Motiv herbei zu konstruieren, für das es keine Anhaltspunkte gibt, wäre hingegen ein schwerwiegender Fehler gewesen.
Den Schlittenbauer als potenziellen Tatverdächtigen einzuordnen soll letztlich ausreichen, kein weiteres Tatmotiv ins Auge zu fassen? Warum denn das?
Beim Anblick und der Beschreibung des Tatorts ergeben sich schon für den Laien Anhaltspunkte hinsichtlich zusätzlicher möglicher Szenarien. Jene in ein Tatmotiv zu führen wäre ein schwerwiegender Fehler gewesen? Mit welcher Begründung? Ich wäre dir sehr verbunden, das nachvollziehbar auszuführen.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 08:47
Zitat von jaskajaska schrieb:Womit hättest Du denn Schlittenbauer der Tat überführt? Stell Dir vor Du bist vor Gericht Staatsanwalt und legst die Beweise auf den Tisch. Was ist das?
Was für Beweise sollten denn vorgelegt werden?
Die uns vorliegenden Ermittlungsergebnisse reichten natürlich nicht aus, um ein Gerichtsverfahren gegen Schlittenbauer einzuleiten. Um aber davon die Unschuld des Ortvorstehers abzuleiten wäre eine unzulässige, mehr als naive Annahme. Die halbseidenen Ermittlungen gegen Schlittenbauer – insbesondere das Paradebeispiel, der Vernehmung/Unterhaltung von 1932 lassen m.E. die Vermutung aufkommen, dass man Schlittenbauer bewusst und absichtlich als Täter aus der Schusslinien nehmen wollte. Einer der Gründe hierfür könnte in den anfänglichen Ermittlungsfehlern liegen: man konnte nicht mehr zurückrudern, ohne das Gesicht zu verlieren; Karrieren standen auf dem Spiel.

PS: der leitende Polizeibeamte hat sehr wohl bei Vernehmungen wichtiger Zeugen und Erhebungen von Tatrelevanten Sachverhalten vor Ort zu sein; zumindest ist es heute so – nicht zu verwechseln mit dem leitenden Staatsanwalt, also dem Vorgesetzten des Polizeibeamten, der auch mal stationär von seiner Amtsstube aus koordinieren kann.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 09:50
@totto
Zitat von tottototto schrieb:PS: der leitende Polizeibeamte hat sehr wohl bei Vernehmungen wichtiger Zeugen und Erhebungen von Tatrelevanten Sachverhalten vor Ort zu sein; zumindest ist es heute so
Ist das heute so? Seit wann ist das so? War das zu Reingrubers Zeiten so?
Wieder einmal schnell dahingesagt und doch keinesfalls belegt.
Zitat von tottototto schrieb:Die uns vorliegenden Ermittlungsergebnisse reichten natürlich nicht aus, um ein Gerichtsverfahren gegen Schlittenbauer einzuleiten.
Die uns vorliegenden Ermittlungsakten sind ja längst nicht alle, die es damals gab. Gegen keinen Tatverdächtigen wurde Anklage erhoben, weil die vollständigen zeitnahen Ermittlungsergebnisse offenbar nicht ausreichten.
Aber Du bist ja von der Schuld Schlittenbauers überzeugt. Also musst Du doch Punkte isoliert haben, die eindeutig und konkret gegen ihn sprechen. Das Gedankenspiel mit der Gerichtsverhandlung habe ich bewusst gewählt, weil es dort eben um KONKRETE und BELASTENDE Beweise/Indizien geht und man da das ganze ausufernde Drumrum weglassen muss.
Bei dem Gedankenspiel ist völlig irrelevant, ob es eine Gerichtsverhandlung tatsächlich gab.

Und weil Du ja von einer Einflussnahme auf die Ermittlungen bzw. auf Pflichtverletzung anspielst: mach doch gleich noch gegen Deine schuldigen Ermittler auch eine Verhandlung auf und sag mal konkret, wie Du zu der Anschuldigung kommst.


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20.07.2022 um 09:50
@jaska
Zitat von jaskajaska schrieb:Hofner selbst bestätigt die telefonische Einvernahme am Tag nach der Auffindung.
Weil das so stimmig ist gehe ich eher davon aus, dass die Aussage nicht protokolliert wurde oder aber verschlampt.
Beides nicht glorreich, das stimmt.
Das ist so nicht richtig. Erstens ist eine telefonische Befragung keine Vernehmung. Diese muss immer persönlich erfolgen. Zweitens wurde Hofner laut seiner Aussage nur gefragt, ob er der Monteur war, der die Reparatur vorgenommen hat:
Am nächsten Tag wurde ich von der Gendarmeriestation in Schrobenhausen telefonisch angerufen., ob ich der Monteur war, der in Hinterkaifeck die Reparatur vorgenommen hatte, was ich bejahte.
Meiner Ansicht nach ging es da nur um die Personalienfeststellung, der dann wohl mal eine richtige Vernehmung folgen sollte, was aber eben nie passiert ist. Eine richtige Vernehmung ist as auf keinen Fall. Nicht mal ansatzweise. Das Problem ist, dass das den ermittelnden Beamten - insbesondere der StA, bei der die Akten zusammenliefen - nicht aufgefallen ist. Das hätte aber früher auffallen müssen, weil diese Aussage äußerst wichtig ist.
Zitat von DonislDonisl schrieb:Was die Fälle der von dir angeführte Userin angeht wäre es natürlich hilfreich zu präzisieren und nicht irgendwas in den Raum zu stellen (ein link ...?). Dein angeführtes Beispiel sagt nichts aus, weil du keine Verhältnismässigkeit einbringst. Gibt es tatsächlich einen vergleichbaren Fall, wurde dieser gelöst oder nicht?
In einem Fall hatten zwei Männer einen wohlhabenden Mann in seinem Haus ermordet, weil sie an sein Vermögen kommen wollten, dass er immer in seiner Weste tragen sollte. Dort fanden sie nichts und zogen dann ab, ohne die Stube weiter zu durchsuchen, wo sein ganzes Geld sowie zahlreiche Gold- und Silbermünzen versteckt waren. (In der Übersicht Fall 15.)
In einem anderen Fall hatte der Täter auch versucht die Kinder (13 und 9 Jahre) zu töten - ein Mädchen erhielt lebensgefährliche Kopfverletzungen - scheiterte aber daran. Hier nahm der Täter nur das Geld mit, was der Bauer bei sich trug, weil er davon wusste, ohne noch nach weiterer Beute zu suchen. (In der Übersicht Fall 14.)

Hier findest Du eine PDF-Übersicht einiger Fälle, die Irene sich angeschaut hat mit weiterführenden Links zu den Beiträgen. wo sie die Fälle noch detaillierter beschrieben hat. Das sind aber nicht die einzigen Fälle. Generell lohnt es sich in dem Thema zu stöbern.
Zitat von DonislDonisl schrieb:Den Schlittenbauer als potenziellen Tatverdächtigen einzuordnen soll letztlich ausreichen, kein weiteres Tatmotiv ins Auge zu fassen? Warum denn das?
Nein. Der Schlittenbauer ist ein Beispiel dafür, dass weitere Tatmotive ins Auge gefasst wurden, soweit es dafür Anhaltspunkte gab. Ich habe ja auch noch Erbschaft als ein Tatmotiv angegeben, was Reingruber sofort ins Auge gefasst hatte. Darüber hinaus wurde auch generell nach möglichen "Feinden" der Opfer gesucht und dazu Zeugen befragt, was noch eine ganze Bandbreite an Motiven eröffnet.
Zitat von DonislDonisl schrieb:Beim Anblick und der Beschreibung des Tatorts ergeben sich schon für den Laien Anhaltspunkte hinsichtlich zusätzlicher möglicher Szenarien.
Da wäre es jetzt erst mal an Dir, diese nicht in Betracht gezogenen Motive klar zu benennen. Soweit ich das sehe, geht es Dir um einen Fememord als Motiv und dafür gibt der Anblick und die Beschreibung des Tatorts überhaupt nichts her. Also: Welche Motive wurden bei den Ermittlungen nicht berücksichtigt für die es konkrete Anhaltspunkte am Tatort gab, die sogar einem Laien auffallen würden?
Zitat von DonislDonisl schrieb:Jene in ein Tatmotiv zu führen wäre ein schwerwiegender Fehler gewesen? Mit welcher Begründung? Ich wäre dir sehr verbunden, das nachvollziehbar auszuführen.
Tatmotive ohne Anhaltspunkte herbeizudichten - so wie Du das selbst für das Fememordmotiv korrekterweise bezeichnet hast - ist ein schwerwiegender Ermittlungsfehler, weil man eine große Menge an knappen Ressourcen für etwas aufwendet, für das es keine konkreten Spuren gibt und es daher nicht anzunehmen ist, solche zu finden. Diese Ressourcen fehlen dann bei der Überprüfung der tatsächlich vorliegenden Spuren.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 10:00
@DerGreif
Definitiv war das keine richtige Vernehmung. Wollte nur klarstellen, dass es eben doch Kontakt zwischen Hofner und den Ermittlern gab. Deine Erklärung, dass eine ausführliche persönliche Vernehmung geplant aber nie durchgeführt wurde klingt überzeugend.


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20.07.2022 um 10:51
Einen finalen Schuldbeweis werden wir nicht mehr führen können. Man kann Indizien sammeln und wird dann sehen, dass bestimmte Theorien mehr Indizien auf sich vereinen, als andere. Die Schwierigkeit dabei ist, diese Indizien sauber zu isolieren, also klare Sachindizien zu trennen von "Hörensagen", persönlichen Bewertungen und oder subjektiven Wahrnehmungen. Ich habe (keine Quelle) gerade kürzlich einen Bericht eines FBI Ermittlers in einer netflix Doku gehört, der gesagt hat, dass ca. nur 50% aller Zeugenaussagen belastbar sind. Die andere Hälfte erweisen sich als unzutreffend/ falsch. Salopp gesagt: wenn Du vier Zeugen zu einem Sachverhalt befragst, bekommst Du 6 unterschiedliche Aussagen. Die Ermittler müssen dann bewerten, welche Aussagen zu den objektiven Sachbeweisen passen und welche nicht. Man darf also Zeugenaussagen nicht zu sehr als unverrückbare Fakten sehen, sie sind Wahrnehmungen. Und jeder Mensch nimmt anders wahr. Ein Mensch mit sehr gutem Zeitgefühl kann zu einer anderen, präziseren zeitlichen Abfolge eines Ereignisses kommen, als jemand dem das fehlt. Dann hast Du zwei Aussagen zum gleichen "Ereignis" in unterschiedlicher Detailtiefe/ Abfolge.
Wenn man Einigkeit über wirkliche objektive Sachbeweise hat, kann man sich so einem Tatgeschehen annähern. Wenn diesen Sachbeweisen aber die finale Aussagekraft fehlt, z.B. im Fall HK wäre das z.B. DNA oder Fingerspuren am Tatinstrumet, die dann auch einem Individuum zugeordnet werden können, dann bleibt am Ende nur die Indizienlage und die ist im Fall HK, obwohl es hier wie erwähnt Unterschiede was ihre Häufigkeit pro Theorie gibt, nicht ausreichend, um einen Schuldbeweis führen zu können. Ich denke (Behauptung von mir) aber, sie wäre damals ermittelbar gewesen. Eine Verurteilung des/ der Täter wäre 1922ff möglich gewesen.


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20.07.2022 um 11:14
Zitat von EdgarHEdgarH schrieb:Ich habe (keine Quelle) gerade kürzlich einen Bericht eines FBI Ermittlers in einer netflix Doku gehört, der gesagt hat, dass ca. nur 50% aller Zeugenaussagen belastbar sind. Die andere Hälfte erweisen sich als unzutreffend/ falsch.
Auf die Problematik von Zeugenaussagen hatte ich hier schon mehrfach hingewiesen. Gerne verlinke ich dazu auch nochmal diesen hervorragenden Aufsatz von Erdfelder. Dort kann man auch Hinweise zu weiterführender Literatur finden.

Hier nochmal eine kurze ergänzende Literaturliste für alle Interessierten:
Arntzen, Friedrich, Psychologie der Zeugenaussage - System der Glaubhaftigkeitsmerkmale, 3. Aufl. 2008
Bender, Rolf, Nack, Armin, Treuer, Wolf-Dieter, Tatsachenfeststellung vor Gericht - Glaubwürdigkeits- und Beweislehre, Vernehmungslehre, 3. Aufl. 2007
Füllgrabe, Uwe, Irrtum und Lüge, 1995
Hermanutz, Max, Litzcke, Sven, Vernehmung in Theorie und Praxis - Wahrheit, Irrtum, Lüge, 2006 online über jurion bei entsprechender Anmeldung abrufbar
Jansen, Gabriele, Zeuge und Aussagepsychologie, 2004
Trankell, Arne, Der Realitätsgehalt von Zeugenaussagen - Methoden der Aussagepsychologie, 1971
Trankell, Arne (Hrsg.), Reconstructing the Past, 1981
Zitat von EdgarHEdgarH schrieb:Einen finalen Schuldbeweis werden wir nicht mehr führen können.
Genau.
Zitat von EdgarHEdgarH schrieb:Man kann Indizien sammeln und wird dann sehen, dass bestimmte Theorien mehr Indizien auf sich vereinen, als andere.
Zitat von EdgarHEdgarH schrieb:[...] dann bleibt am Ende nur die Indizienlage und die ist im Fall HK, obwohl es hier wie erwähnt Unterschiede was ihre Häufigkeit pro Theorie gibt, [...].
Wobei man hier sehr vorsichtig sein muss. Der Großteil der Akten, die schließlich in Augsburg lagerten, wurden im 2. Weltkrieg durch einen Bombenangriff vernichtet. Was jetzt noch überliefert ist wurde - so mein Verständnis - aus verschiedenen Abschriften, die an anderen Orten archiviert waren (zB bei der Polizei in München), zusammengestückelt. Daher kann die vermeintliche Häufung von Indizien für eine Theorie eine Fehlwahrnehmung sein, weil potentiell gehäufte Indizien in eine andere Richtung eben nicht mehr überliefert sein könnten.
Zitat von EdgarHEdgarH schrieb:Ich denke (Behauptung von mir) aber, sie wäre damals ermittelbar gewesen. Eine Verurteilung des/ der Täter wäre 1922ff möglich gewesen.
Das kann sein, allerdings kann man dazu genauso wenig wie zur Schuldfrage eine definitive Aussage treffen.


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20.07.2022 um 11:29
Zitat von jaskajaska schrieb:Erstens wurde vom Leitenden Ermittler keine Anwesenheit erwartet.
Wer sagt das? Beweise - Quelle!
Zitat von jaskajaska schrieb:dazu schickte er ja seine Beamten bzw. bezog die örtlichen Genarmen ein.
Die Beamten aus München schickte nicht Reingruber, sie wurden vom Staatsanwalt angefordert, weiterhin war es töricht und fragwürdig zugleich, befangene und von daher völlig überforderte Dorfpolizisten, federführend in die Mordermittlungen einzubinden. Selbst ist der Mann, hätte da das Motto lauten sollen.
Jeder verantwortungsbewusste leitende Ermittler hätte sich persönlich und zwar vor Ort um den Fall in Hinterkaifeck gekümmert.
Zitat von jaskajaska schrieb:Was hätte Reingruber denn in Dauerpräsenz vor Ort tun und erreichen können?
Vielleicht, aber nur vielleich hätte er dann mehr auf den Volksmund gehört und die Lage besser und sachgerechter eingeschäzt.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 12:17
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Also: Welche Motive wurden bei den Ermittlungen nicht berücksichtigt für die es konkrete Anhaltspunkte am Tatort gab, die sogar einem Laien auffallen würden?
Mir als Laie fällt auf, dass die Hofstatt rundum eingezäunt war. Bei einem bewirtschafteten Hof ist das zumindest in Ober- und Niederbayern bis heute nicht üblich.

Die Frage nach dem Zweck des Zauns hätte bei den Ermittlern also durchaus ihre Berechtigung gehabt und sie hätte als weiterer Punkt im Rahmen einer Vernehmung wohl nicht die Ressourcen gesprengt.

Dann gab es da noch jenen Stationärmotor, eine reichlich exklusive Installation auf einem Bauernhof, dessen allgemeiner technischer Entwicklungsstand keine Anzeichen von Modernisierung erkennen liess. Zwei Ochsen für 10 Hektar Ackerland waren minimalistisch, weswegen die Kraft-Maschine aus finanzieller und betrieblicher Sicht unverhältnismäßig erscheint. Noch mehr unter dem Aspekt, dass der Stationärmotor bei einer von mehreren Vernommenen als geizig beschriebenen Familie stand. Angeblich sparten sie selbst am Essen.

Angesichts des schweren Verbrechens hätten die Ermittler jeder Spur nachgehen müssen, was gegebenenfalls weitere Motive eröffnet hätte. Dies kann ich nicht feststellen, trotz Reingrubers gründlicher Arbeitsweise.
Er wusste, dass illegale Waffenschiebereien an der Tagesordnung waren, ein abgelegener (eingezäunter) Hof zwischen Ingolstadt und Schleissheim hätte zumindest entsprechende Befragung erfordert.

Das eine solche wegen knappen Ressourcen ausblieb, reicht mir da nicht als Begründung.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 12:24
Zitat von tottototto schrieb:Selbst ist der Mann, hätte da das Motto lauten sollen.
Jeder verantwortungsbewusste leitende Ermittler hätte sich persönlich und zwar vor Ort um den Fall in Hinterkaifeck gekümmert.
Das ist richtig, Lieutenant Kojak hätte es genau so gemacht. Dessen Revier lag aber nicht in Oberbayern, hier müsste man entsprechend relativieren.


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20.07.2022 um 13:11
Zitat von DonislDonisl schrieb:Mir als Laie fällt auf, dass die Hofstatt rundum eingezäunt war. Bei einem bewirtschafteten Hof ist das zumindest in Ober- und Niederbayern bis heute nicht üblich.
Für diese Behauptung bedarf es erstmal eines Belegs. Gibt es dazu geschichtswissenschaftliche Untersuchungen? Oder kannst Du das zumindest durch Primärquellen aus der Zeit belegen? Ich halte Deine unbelegte Behauptung für völlig abwegig. Es scheint mir naheliegender, dass das nicht ungewöhnlich war und daher auch keiner weiteren Aufklärung bedurfte.
Zitat von DonislDonisl schrieb:Dann gab es da noch jenen Stationärmotor, eine reichlich exklusive Installation auf einem Bauernhof, dessen allgemeiner technischer Entwicklungsstand keine Anzeichen von Modernisierung erkennen liess.
Hast Du für die Exklusivität eines solchen Motors für eine Bauernhof wie HK einen Beleg? Hofner musste immerhin auch bei Blasius Lebmeier einen Motor richten, was zumindest einen weiteren Motor in unmittelbarer Nachbarschaft nachweist.

Aussage Greger:
Er habe dabei noch gesagt er werde sich zum Anwesenbesitzer Lebmeier in Oberkaifeck begeben und den Motor herstellen.
Aussage Hofner:
Ich fuhr dann von Hinterkaifeck nach Vorderkaifeck, wo ich bei dem dortigen Hofbesitzer, dessen Namen mir heute nicht mehr erinnerlich ist, der Bürgermeister in Wangen aber Auskunft geben können dürfte, nachdem ich auf meinem Rückweg ihm gesagt habe, dass ich dort auch eine Reparatur ausgeführt habe, ebenfalls eine kleine Motorreparatur und zwar am Vergaser ausgeführt hatte.
Auch hier erscheint mir Deine unbelegte Behauptung völlig abwegig.
Zitat von DonislDonisl schrieb:Zwei Ochsen für 10 Hektar Ackerland waren minimalistisch, weswegen die Kraft-Maschine aus finanzieller und betrieblicher Sicht unverhältnismäßig erscheint.
Wieso ist das unverhältnismäßig? Was hat der Motor mit den Ochsen zu tun? Kannst Du Deine Behauptung mit irgendwelchen Quellen belegen, zB dass 2 Ochsen für 10 ha Ackerland minimalistisch sind und dass man dann keinen Motor bräuchte?
Zitat von DonislDonisl schrieb:Noch mehr unter dem Aspekt, dass der Stationärmotor bei einer von mehreren Vernommenen als geizig beschriebenen Familie stand. Angeblich sparten sie selbst am Essen.
Das eine folgt nicht aus dem anderen. An Essen konnte man soweit möglich sparen, den Motor sah man wohl als gewinnbringende Investition an, die letztlich mehr Geld einbringen würde, als kosten. Da die HKler als gutsituiert und vermögend galten, scheinen sie damit ja auch richtig gelegen zu haben. Sie galten auch als besonders fleißig und arbeitsam.
Zitat von DonislDonisl schrieb:Er wusste, dass illegale Waffenschiebereien an der Tagesordnung waren, ein abgelegener (eingezäunter) Hof zwischen Ingolstadt und Schleissheim hätte zumindest entsprechende Befragung erfordert.
Wen hätte er denn bzgl. was konkret befragen sollen?


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 13:38
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:im vorliegenden Fall fehlte ja jedes Papiergeld auf HK und es gibt Spuren, die auf eine oberflächliche Suche hindeuten. Wenn der Täter hier also hinreichend Papiergeld vorfand, mit dem er zufrieden war, spricht überhaupt nichts dagegen, dass er mit dieser Beute dann das Weite suchte.
Das Problem ist nur, dass der Täter nicht unmittelbar das Weite suchte.
Es ist einfach naheliegend, dass jemand, der einen Raub durchzieht, weil er sich eben bereichern möchte, unmittelbar nach der Tat die Flucht ergreift. Zumindest dann, wenn der Zeitpunkt es zulässt.
Es ist doch naheliegend, dass ein Verweilen am Tatort keinen zusätzlichen Nutzen bringt, weil die Beute bereits im Sack ist.
Es sieht so aus, als hätte der Täter mehr Zeit für das Morden und die anschließende Abdeckung der Leichen (vielleicht noch zusätzlich der Sichtschutz vor den Stubenfenstern) aufgewendet, als für die Suche nach Vermögenswerten. Dem schließt sich noch die anzunehmende Verweildauer auf dem Hof an.
Ängste vor Entdeckung scheinen primär nicht vorhanden. Diese wären aber guter Grund für eine nur kurz andauernde Suche gewesen und eben Grund für eine sofortige Flucht.

Für sich isoliert betrachtet, ergibt kein Indiz Sinn. Der ergibt sich nur durch deren Kombination. Das wissen wir ja alle.

Für einen Fememord sehe ich auch keine Anzeichen.
Reingruber hätte in diese Richtung ermittelt, wenn er sie erkannt hätte. Wenn man keine Anzeichen für einen Fememord sieht, macht es tatsächlich wenig Sinn in diese Richtung zu ermitteln, wenn andere Motive wie Erbschaft, Feindschaft oder Raub naheliegend erscheinen.
In all den Aussagen, die über die Jahre hinweg im Fall HK entstanden sind, poppen solche Äußerungen oder Wahrnehmungen durch das Umfeld m. E. nicht auf. (Ausser 1 mal LS in der Chronik glaube ich)Das hätte es meiner Meinung nach aber müssen, wenn der Gruber in das Thema Waffenverstecke involviert war.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 14:01
Zitat von DonislDonisl schrieb:Dann gab es da noch jenen Stationärmotor, eine reichlich exklusive Installation auf einem Bauernhof,
Bist du nicht auch der Meinung, dass sich in irgend einem Bericht jemand die Frage bezüglich der exklusiven Installation gestellt hätte ? Ich vermisse bei so einer Behauptung das ganze Dorfgeschwätz.
Da es keines gab, scheint es mehr als gewöhnlich gewesen zu sein oder etwa nicht ?
Zitat von DonislDonisl schrieb:Mir als Laie fällt auf, dass die Hofstatt rundum eingezäunt war. Bei einem bewirtschafteten Hof ist das zumindest in Ober- und Niederbayern bis heute nicht üblich.
Da muss ich dem @DerGreif Recht geben. Das scheint mir auch nur eine Behauptung zu sein.
In meiner Kindheit gab es ziemlich viele die komplett eingezäunt waren. Und ich bin gerade mal 50 km von HK entfernt.
Zitat von BlaubeerenBlaubeeren schrieb:Es ist einfach naheliegend, dass jemand, der einen Raub durchzieht, weil er sich eben bereichern möchte, unmittelbar nach der Tat die Flucht ergreift. Zumindest dann, wenn der Zeitpunkt es zulässt.
Es ist doch naheliegend, dass ein Verweilen am Tatort keinen zusätzlichen Nutzen bringt,
Das sehe ich auch so. Zudem würde kein Räuber "den Hof über den Dachboden hinunter in die Futterkammer verlassen"
(das könnte ich auch als Signatur verwenden)

Ausschliessen kann man es natürlich nicht, wenn sich vll ein Räuber am Fuss verletze (im Kampf) wäre ein Verbleib am Tatort vll sogar erklärbar.
Zudem erinnere ich mich auch an einen Fall ( Name vergessen ) wo ein Täter tatsächlich auf dem Hof verweilte und sich nach der Tat glaub ich noch was zu essen machte...... kann aber leider nicht mehr sagen wo das genau war. Ich meine mich in der Nähe von Mühldorf zu erinnern. Das war ein geistig kranker Täter soweit ich mich erinnere.. vll kennt jemand diesen Fall.

Zudem könnte das Zimmer auch von einem Besucher durchwühlt worden sein. Der LS ( auch wenn er nicht der Täter war ) hätte genügend Zeit dafür gehabt. Hat er sich am Geld bedient ?


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 16:30
Zitat von BlaubeerenBlaubeeren schrieb:Das Problem ist nur, dass der Täter nicht unmittelbar das Weite suchte.
Es ist einfach naheliegend, dass jemand, der einen Raub durchzieht, weil er sich eben bereichern möchte, unmittelbar nach der Tat die Flucht ergreift. Zumindest dann, wenn der Zeitpunkt es zulässt.
Das ist nicht zwingend so. Da die Tat in der Nacht geschah, musste der Täter zunächst nicht mit sofortiger Entdeckung rechnen. Für eine möglichst erfolgreiche Flucht hätte es sich also angeboten, die Entdeckung der Tat heraus zu zögern, mithin die Leichen vor einer leichten Entdeckung von außen zu verbergen. Das muss auch nicht so viel Zeit in Anspruch genommen haben. Baumgartner und Josef waren nur zugedeckt, das waren ein paar Handgriffe. Bei den Leichen im Stadel wurde wohl auch nur AGr wirklich bewegt. Dafür würde ich nicht mehr als 15 Minuten veranschlagen. Dazu kommt das Verstecken der Waffe, nochmal max. 20 Minuten.

Insofern muss der Täter auch nicht lange vor Ort gewesen sein.
Zitat von BlaubeerenBlaubeeren schrieb:Es ist doch naheliegend, dass ein Verweilen am Tatort keinen zusätzlichen Nutzen bringt, weil die Beute bereits im Sack ist.
Das stimmt, es sei denn, man will eben die Flucht möglichst erfolgreich gestalten, also die Entdeckung der Tat möglichst lange hinauszögern. Dazu war es vorliegend schon erforderlich, die Leichen vor allzu einfacher Entdeckung durch Fenster oder das Scheunentor zu verbergen. Für einen längeren Verbleib gibt es mE keine eindeutigen Nachweise. Insbesondere ist es nicht sicher geklärt, ob das Vieh jetzt gefüttert wurde oder nicht. Ich tendiere eher dazu, aufgrund der Aussagen und Reingrubers Bericht keine langfristige Fütterung des Viehs anzunehmen.
Zitat von BlaubeerenBlaubeeren schrieb:Es sieht so aus, als hätte der Täter mehr Zeit für das Morden und die anschließende Abdeckung der Leichen (vielleicht noch zusätzlich der Sichtschutz vor den Stubenfenstern) aufgewendet, als für die Suche nach Vermögenswerten.
Was aber daran liegen mag, dass er schon eine große Beute an Papiergeld gemacht hatte. Wie Du selber oben schreibst: Wenn "die Beute bereits im Sack ist", braucht man auch nicht groß noch nach weiterer Beute suchen. Das Verbergen der Leiche war aber wichtig, um die Flucht abzusichern. Es sind darüber hinaus auch noch andere Gründe für eine Verzögerung der Flucht denkbar: Schlechtes Wetter und die Angst ggf. im Schnee Spuren zu hinterlassen, mglw. auch die Dunkelheit, oder gar eine Verletzung. Alles Gründe noch bis zum Morgengrauen zu warten, evtl. sogar bis dahin zu schlafen, um einigermaßen ausgeruht zu sein, wenn man dann verschwindet.
Zitat von BlaubeerenBlaubeeren schrieb:Ängste vor Entdeckung scheinen primär nicht vorhanden. Diese wären aber guter Grund für eine nur kurz andauernde Suche gewesen und eben Grund für eine sofortige Flucht.
Wobei eben auch die Entdeckung von hinreichend Beute bereits den weiteren Abbruch einer Suche veranlassen kann, s.o..
Zitat von BlaubeerenBlaubeeren schrieb:Reingruber hätte in diese Richtung ermittelt, wenn er sie erkannt hätte. Wenn man keine Anzeichen für einen Fememord sieht, macht es tatsächlich wenig Sinn in diese Richtung zu ermitteln, wenn andere Motive wie Erbschaft, Feindschaft oder Raub naheliegend erscheinen.
In all den Aussagen, die über die Jahre hinweg im Fall HK entstanden sind, poppen solche Äußerungen oder Wahrnehmungen durch das Umfeld m. E. nicht auf. (Ausser 1 mal LS in der Chronik glaube ich)Das hätte es meiner Meinung nach aber müssen, wenn der Gruber in das Thema Waffenverstecke involviert war.
Volle Zustimmung.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 18:04
Was die Verzögerung der Fluch eines möglichen Täters, sollte er nicht zu Fuß "nach Hause" gehen können, oder eben wollen, auf "öffentliche Verkehrsmittel" angewiesen war.

Dieses "ÖPNV - Angebot" dürfte damals nicht all zu üppig ausgefallen sein.

Ich kann mir da sehr gut Vorstellen, dass man da auf jeden Fall bis zum nächsten (frühen ?) Morgen, oder eventuell bis zu einem bestimmten Tag warten musste, bis da wieder was fuhr. (Bahn, Postkutsche, keine Ahnung).

Andererseits kann es natürlich auch möglich sein, dass es damals gar keine "ÖPNV" Möglichkeit, man eben, hatte man keinen Bauernhof, zu Fuß zur Arbeit zu einer (gegenäber von heute relativ nahe) gelegenen Arbeitsstelle pendelte.

Mein Großvater erzählte auch immer von Reisen zu Fuß, ein Stück per Bahn und dann erneut zu Fuß zu einer Arbeitsstelle auf einem Gutshof. Auch gab es hier in der Region regelrechte "Arbeiterpfade", welche selbst in Waldstücken angelegt wurden, um Arbeitern einen "möglichst nahen" Weg (bis zu 5 - 6 und mehr km einfacher Weg) zu einer damals neu eröffneten Fabrik zu bieten.

Auch da wäre in der früheren Morgenstunden, oder auch in den frühen Abendstunden, ein "Arbeiter" mehr oder weniger eher nicht, oder zumindest weniger aufgefallen, als wenn er Mitten am Tag da'herum marschiert wäre.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 18:36
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Für diese Behauptung bedarf es erstmal eines Belegs.


Das ist keine Behauptung, sondern eine Tatsache, die man bei einer x-beliebigen Fahrt durchs Schrobenhausener Land (nicht Gewerbegebiet, Stadt, Dorf, Hobby-Lamazüchter etc sondern aktiver Landwirtschaftsbetrieb) bestätigt bekommt. Dir das zu belegen ist mir jetzt nicht möglich - irgendwie nahm ich an, grundlegende Gegebenheiten auf bayerischen Bauernhöfen wären allgemein bekannt. Mein Fehler.
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Hast Du für die Exklusivität eines solchen Motors für eine Bauernhof wie HK einen Beleg
Über den Motor, dessen Verhältnismäßigkeit an jenem Hof und den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft in den 1920ern habe ich schon mal einige Informationen zusammengetragen und vor kurzem in mehreren Beiträgen gepostet. U.a.:

Beitrag von Donisl (Seite 2.506)

Es wurde auch vielfach die Einheit Tagwerk (0,34 Hektar), die Herkunft des Begriffs sowie seine Bedeutung erläutert. Hier findest du eine übersichtliche Zusammenfassung:

https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://www.arlan.de/assets/files/Begriffsdefinitionen-derHofgreninBayern.pdf&ved=2ahUKEwjn2uzRg7f4AhVfSfEDHdK2AZgQFnoECAcQAQ&usg=AOvVaw2t0LJzzRyvWBIzxIyFdjCX
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Was hat der Motor mit den Ochsen zu tun?
Der Motor hat mit den Ochsen insofern zu tun, als dass die Tiere der bekundete Beweis für die allgemeine Entwicklung auf jenem Einödhof waren - nicht einmal das schnellere und kräftigere Pferd wollte man sich leisten. Dem gegenüber steht der Motor.

Die Armee bzw eine Rekrutierungsstelle vergütete ein Pferd 1914 mit 1000-1100 Mark, was als ausserordentlich gut bezahlt angesehen wurde. Jener Motor wird um die 1500 Mark gekostet haben, ohne entsprechende Installation und geeignete Gerätschaften war er allerdings für nichts brauchbar. Für eine Nutzung mussten weitere Investitionen folgen. Im Vermögensverzeichnes ist eine Gsottmaschine Kraft gelistet, offensichtlich das einzige eindeutig durch den Motor zu betreibende Gerät.

Nochmal zusammengefasst: Das Futter für eine Handvoll Rinder mit der modernsten damals verfügbaren Technik zu schneiden und gleichzeitig 30 Tagwerk Ackerland mit zwei Ochsen zu bestellen bewerte ich als unverhältnismässig.
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:An Essen konnte man soweit möglich sparen, den Motor sah man wohl als gewinnbringende Investition an, die letztlich mehr Geld einbringen würde, als kosten
Wie lässt sich darstellen, dass der Motor seine Investitionskosten 'hereinfahren' hätte können? Wir sprechen hier nicht von einer Fabrik sondern von einem Bauernhof.
Die Maschine konnte nicht mehr als billige menschliche Arbeitskraft ersetzen, zum Preis ihrer Anschaffung und ihrer Unterhaltskosten.
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Wen hätte er denn bzgl. was konkret befragen sollen
Reingruber bzw seine Ermittler hätten durch wenige gezielte Fragen an die Personen, die sie sowieso vernahmen, einen Zusammenhang mit möglichen Waffenschiebereien und damit ein Motiv ausschliessen können.
Polizeiarbeit, nicht mehr und nicht weniger.


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 19:44
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Das ist nicht zwingend so. Da die Tat in der Nacht geschah, musste der Täter zunächst nicht mit sofortiger Entdeckung rechnen. Für eine möglichst erfolgreiche Flucht hätte es sich also angeboten, die Entdeckung der Tat heraus zu zögern, mithin die Leichen vor einer leichten Entdeckung von außen zu verbergen. Das muss auch nicht so viel Zeit in Anspruch genommen haben.
Okay. Eine Verzögerungsabsicht des Täters oder der Täter ist nachvollziehbar.
Hätte man die Verzögerung doch genutzt um das Haus zu durchsuchen. Schlau genug, um die Reuthaue im Fehlboden zu verstecken, aber auf andere mögliche Verstecke für Wertgegenstände ist man nicht gekommen.

Alles in allem setzt das von Dir angenommene Täterverhalten Gelassenheit und ein gewisses Maß an Selbstvertrauen eines Täters voraus, dh. nicht sofort fluchtartig, Hals über Kopf, den Tatort zu verlassen ebenso Selbstgewissheit, sich jederzeit von dem Tatgeschehen unentdeckt entfernen zu können. Das Seil, das irgendwo in der Tenne gehangen haben soll, die Dachluken zwecks Ausschau und Kontrolle sprechen für diese Annahme.

Gelassenheit und Selbstsicherheit in der Persönlichkeit des Täters bilden sich meiner Meinung nach auch in der zielgerichteten, klar strukturiert wirkenden Tatausführung (nach Herleitung Reingrubers) ab, in der ich eine der Tatbegehung zugrunde liegende Emotionalität der Morde nicht erkennen kann. Das schließt auch das Fehlen von Angst ein. Schlicht gesagt - Kaltblütigkeit.
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Baumgartner und Josef waren nur zugedeckt, das waren ein paar Handgriffe. Bei den Leichen im Stadel wurde wohl auch nur AGr wirklich bewegt.
Ja. Ich vermute, dass die oder der Täter es vermied, die Leichen anzufassen. Ich vermute, dass AGr in die Bauchlage getreten oder mit den Füßen geschoben wurde, ebenso, dass Maria B vom Täter ein Stück unter das Bett getreten/ mit dem Fuß geschoben wurde. Möglicherweise um den Kopf des Opfers zu verbergen und zeitgleich nicht die Leichen zu berühren.
Nähe zu den Leichen zu vermeiden, könnte auch der Grund sein, warum der Täter nicht schnurstracks aus der Hauseingangstür hinaus geschreiten musste.
Er hätte über den Leichenstapel hinweg schreiten müssen. Wiessner erkannte diesen Umstand/ Hürde und schlussfolgerte, dass deshalb das Türblatt auf die Leichen gelegt worden sein könnte.

Von Wiedergutmachung für mich nicht die geringste Spur erkennbar. Unwürdiger geht es kaum (kreuz und quer, tw gestapelt, liegengelassen und bis zur Unkenntlichkeit am Kopfe verunstaltet). Die Art der Leichenablage deutet für mich auf das Fehlen jeglicher Reue des Täters nach der Tat hin. Möglich, dass er den Opfern mental auch nach den Taten noch verachtend gegenüberstand oder er sich durch dieses Nachtatverhalten noch selbst darin bestärken wollte, nicht in Gewissenskonflikte zu geraten. Das wäre bei einer Depersonalisierung der Opfer naheliegend. S. Beitrag von @pensionär.
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Das stimmt, es sei denn, man will eben die Flucht möglichst erfolgreich gestalten, also die Entdeckung der Tat möglichst lange hinauszögern. Dazu war es vorliegend schon erforderlich, die Leichen vor allzu einfacher Entdeckung durch Fenster oder das Scheunentor zu verbergen.
Will man die Flucht erfolgreich gestalten, impliziert das rationales Handeln. S.o.
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Das Verbergen der Leiche war aber wichtig, um die Flucht abzusichern. Es sind darüber hinaus auch noch andere Gründe für eine Verzögerung der Flucht denkbar: Schlechtes Wetter und die Angst ggf. im Schnee Spuren zu hinterlassen, mglw. auch die Dunkelheit, oder gar eine Verletzung. Alles Gründe noch bis zum Morgengrauen zu warten, evtl. sogar bis dahin zu schlafen, um einigermaßen ausgeruht zu sein, wenn man dann verschwindet.
Super gelassene(r) Täter. S.o.

Die Tat an sich weist aber auch Symptome einer Beziehungstat durch die Leichenabdeckung auf. Zur Zeit halte ich es für möglich, dass der Täter seine persönlichen Beziehungskonflikte aus der Vergangenheit auf die Opfer projizierte. Ob der oder die Täter tatsächlich in Beziehung zu den Opfern stand(en), ist mir nach wie vor nicht klar.

Die zugrunde liegenden Motive werden ein Mischkonstrukt sein, das den Raub einer unbekannten Summe Papiergeld nicht ausschließt. Als primäres Motiv dringt es nicht stark genug durch. Kürzlich getätigte Verkäufe waren zudem lt Reingruber niemandem bekannt, auch sonst keine besonderen Einnahmen.

Ich möchte mit all dem sagen, dass ich Deinem Beitrag inhaltlich nicht gänzlich widerspreche. Nur interpretiere ich den Raub nicht als primäres Motiv (zumindest noch nicht).


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Mordfall Hinterkaifeck

20.07.2022 um 19:59
Zitat von DerGreifDerGreif schrieb:Das gilt besonders für solche Ermittlungsergebnisse, die auf völlig verfehlten unwissenschaftlichen Annahmen beruhen, namentlich der Ausschluss von LS als Tatverdächtiger aufgrund seines Charakters.
Ich überlege im Übrigen seit geraumer Zeit , ob die Ermittler damals nicht doch eine Persönlichkeitsanalyse in Betracht kommender Täterprofile gemacht hatten und so auf den Schluss kamen, LS könne augrund seines Charakters für diese Taten nicht in Betracht kommen.


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