Donisl schrieb:Die Arbeit der Ermittler wird immer wieder kritisiert, meistens von TV Kriminologen, die aktuelle Methoden als Massstab ansetzen. Daneben von Leuten, die diesen Fall in und auswendig kennen incl Namen, Verwandschaftsverhältnissen und allen Details.
Ich stimme Dir insofern zu, als man es dem Ermittlern nicht vorwerfen kann, wenn sie damals unbekannte Ermittlungsmethoden nicht eingesetzt haben. Unabhängig von dieser Frage der persönlichen Vorwerfbarkeit ändert das aber nichts daran, das nach heutigen Maßstäben die Ermittlungen zum Teil nicht richtig geführt worden sind. Daher können auch die Ermittlungs
ergebnisse als solche für sich nicht die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen, sondern sind vielmehr kritisch zu hinterfragen. Das gilt besonders für solche Ermittlungsergebnisse, die auf völlig verfehlten unwissenschaftlichen Annahmen beruhen, namentlich der Ausschluss von LS als Tatverdächtiger aufgrund seines Charakters.
Ferner hat es bei den Ermittlungen aber auch nach damaligen Maßstäben Fehler gegeben.
Als besonders schwerwiegend fällt die
fehlende Vernehmung von Albert Hofner ins Gewicht:
Eine Befragung des Monteurs Albert Hofner, zur Zeit in Reichertshausen wohnhaft, ist nicht erfolgt. Die Meldung der Gendarmerie in Hohenwart, daß Hofner früher schon eingehend vernommen worden sei, hat sich nicht bewahrheitet.
Die Staatsanwaltschaft Neuburg a.D. hat deshalb unterm 7. Mai 25 diese Anzeige und den Hauptakt 160/22 an die Polizeidirektion München abgesendet mit dem Ersuchen in dieser Angelegenheit Erhebungen zu pflegen, wer der Monteur eigentlich sei, der damals den Bauern Schlittenbauer die Mitteilung überbrachte, daß in Hinterkaifeck alles ruhig sei und sich niemand sehen gelassen habe, als dort der Motor eingerichtet wurde.
Hofner war ein unglaublich wichtiger Zeuge, weil er als letzter vor den Auffindern auf dem Hof war und seine Angaben zu dem Zustand des Schlosses des Motorenhäuschens - zur Verifizierung der Angaben von LS - sowie der sonstigen Situation auf dem Hof (gerade mit Blick auf einen möglichen längeren Verbleib der Täter am Tatort) hier wesentliche Erkenntnisse hätten liefern können. Es ist geradezu erschreckend - und nicht nur unter Zugrundelegung moderner kriminalistischer Methoden - dass das Fehlen dieser Vernehmung erst im Mai 1925 aufgefallen ist.
Darüber hinaus
gibt Renner als erster leitender StA selber zu, dass die örtliche Gendarmerie zunächst nicht gut ermittelte:
Da mir die Gendarmerie des Tatorts (Station Hohenwart und Hauptstation Schrobenhausen) etwas zu schwerfällig arbeitete und nicht genug Initiative entwickelte, hatte sich auf mein Veranlassen Krim.Kom. Neuss von der Polizeidirektion München mit einem weiteren Beamten im April erneut an den Tatort begeben, um die aus den persönlichen und örtlichen Beziehungen der Ermordeten sich etwa ergebenden Spuren gründlich zu klären und weiter zu verfolgen.
Bei der völlig mangelhaften Vernehmung des LS durch Riedmayer 1931 und der nicht weniger mangelhaften Protokollierung der selben kann man darüber streiten, ob das jetzt dem Beamten anzulasten, weil man damals so schlechte Verhöre führte und diese nicht genau protokollierte oder ob es nicht doch damals schon höhere Standards gab. Unabhängig davon ist aber diese Vernehmung deshalb auch leider weit davon entfernt, eine entscheidende Aussagekraft zu besitzen gerade was die Täterschaft des LS betrifft.
Das gleiche trifft auf die mangelhaften Vernehmungen zB von Franziska Schäfer (letzte Zeugin, die die Opfer noch lebend sah!) oder Cäzilie Starringer zu.
Donisl schrieb:Was die Spuren und damit deren Sicherung angeht, war der Tatort beim Eintreffen der Kripo weit entfernt von 'unberührt'. Unzählige Füsse hatten jeden Fleck betreten, unbekannte Hände bereits alles angefingert und selbst einige der Opfer lagen nicht mehr dort, wo sie entdeckt worden waren. Von Anfang an waren die Ermittler auf die mehr oder weniger zuverlässigen Aussagen der Auffinder angewiesen.
Hier stimme ich Dir zu. Die Ermittler kamen an einen stark kontaminierten Tatort. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass uns der Spurensicherungsbericht fehlt. Allerdings macht es die Versäumnisse, gerade die oben erwähnte fehlende Vernehmung von Hofner, umso gravierender.
Donisl schrieb:Unter den gegebenen Voraussetzung haben die Ermittler m.M. solide Arbeit geleistet
In weiten Teilen würde ich dieser Einschätzung zustimmen mit der Einschränkung "nach damaligen Maßstäben", s.o..
Donisl schrieb:weil verschiedenen Angaben nach eine nennenswerte Summe Geld im Hof anzunehmen war, welches bis auf einen Fünfer fehlte, liess sich die Raubmord-These aufrecht erhalten.
Grundsätzlich ist es richtig, dass das eine Ermittlung auch in Richtung Raubmord eröffnet. Aber eine Festlegung auf Raubmord wäre zu diesem frühen Zeitpunkt definitiv verfehlt gewesen. Man muss den Ermittlern zu gute halten, dass sie auch noch in andere Richtungen ermittelt haben, dennoch erscheint mir die frühe Führung des Falles als Raubmord problematisch.
Donisl schrieb:Ob der Reingruber wirklich daran glaubte, ist wieder was anderes.
Warum sollte er nicht daran glauben?
Donisl schrieb:Jedenfalls hatte er weder einen Tatzeugen noch einen verwertbaren Beweis gegen einen der Tatverdächtigen. Und nachdem keiner von jenen zu einem Geständnis bereit war, hatte man keinen Schuldigen.
Das war ein Hauptproblem, mit dem die Ermittler zu kämpfen hatten. Leider fehlen uns auch wesentliche Unterlagen, die durch den 2. WK untergingen, so sind zB von den Vernehmungen, die Neuss auf Anfrage Renners im April/Mai 1922 durchführte, zahlreiche Aussageprotokolle nicht überliefert. Im HK-wiki gibt es dazu
eine Übersicht, die nur einen Bruchteil der verlorenen Akten wiedergibt. Daher lässt sich auch nicht abschließend bewerten, inwiefern die Ermittlungen hinreichend in alle Richtungen getätigt wurden und ob die Verhöre angemessen geführt wurden.
Donisl schrieb:Ich sehe hier keine schlampigen Ermittlungsfehler, vielmehr dürfte man das verbleibende und 1922 hochaktuelle Tatmotiv bzw einen Zusammenhang auf Anordnung von oben nicht mit einbezogen haben.
Statt entsprechende Untersuchungen in Sachen verbotene Waffendepots einzuleiten durfte der Reingruber nach Kerlen wie dem Bärtl fahnden lassen.
Donisl schrieb:Wie auch immer, ich kann mir vorstellen dass der erfahrene Reingruber durchaus wusste, in welcher Richtung die Hinterkaifecker Mörder zu suchen waren. Aber es bestand eben zu dieser Zeit und dazu in München ein weitreichender Interessenkonflikt und durch den bedingt kein echter Bedarf an Aufklärung von Verbrechen, die letztlich begangen wurden um 'die Interessen' zu schützen.
Immer wieder wird in der Diskussion hier Reingruber unterstellt, dass er aus politischen Gründen nicht in Richtung Fememorde ermitteln durfte und sich an eine solche angebliche Weisung auch gehalten hätte. Das halte ich für abwegig und insofern einen nicht weniger schwerwiegenden, aber unbegründeten Angriff auf seine Integrität wie der Vorwurf der stümperhaften Ermittlung. Konkrete Hinweise gibt es darauf nämlich in den Akten keine. Darüber hinaus gehörte Reingruber zu den wenigen Polizisten, die erfolgreich Fememorde aufgeklärt haben, auch wenn die Strafverfolgung dann durch die entsprechenden Justizbehörden zu wünschen übrig ließ. Ulrike Claudia Hofmann, die die Femeorde in ihrem Buch - „Verräter verfallen der Feme!“ Fememorde in Bayern in den zwanziger Jahren - geschichtswissenschaftlich untersucht hat, stellt gerade Reingruber ein positives Zeugnis aus, was die Aufklärung der Fememorde angeht, s. unter anderem S. 183, 186, 192 f., 197 f., 297 f.. Wenn aber Reingruber im Fall Sandmayer 1922 (!) so rigoros und klar in Richtung politisches Motiv ermittelte, obwohl er sogar andere Motive hätte in den Vordergrund stellen und zuerst verfolgen können, dann halte ich es für äußerst unwahrscheinlich, dass er ausgerechnet im Fall HK anders gehandelt haben soll. Anders ausgedrückt: Im Fall HK scheint es keine konkreten Anhaltspunkte für einen Fememord gegeben zu haben.
Hier noch ein paar Auszüge aus dem Buch:S. 183
S. 186
S. 193
S. 197
S. 298
Das gilt darüber hinaus auch für Heinrich Kestel, der 1922 noch nicht mit HK befasst war, aber damals in München als Untersuchungsrichter trotz persönlicher Angriffe unbeirrt gegen die Fememörder ermittelte, s. Hofmann aaO, S. 230 ff., 262 ff. Kestel war ab Anfang der 30er Jahre dann leitender OStA in den Ermittlungen zu HK.
@EdgarH Deinen Beiträgen
hier und
hier stimme ich zu. Ähnliches hatte ich schon vor Jahren hier geschrieben. wenn man sich der Sache seriös nähern will, sollte man sich an der geschichtswissenschaftlichen Methode zur Bewertung von Quellen orientieren und gleichzeitig auch entsprechende kriminalistische Ansätze heranziehen. Was dann übrigbleibt, sind dann zwei bis drei Theorien, für die es zwar Anhaltspunkte gibt, von denen aber keine auch nur ansatzweise hinreichend bewiesen werden kann. Das mag unbefriedigend sein, wäre aber das wissenschaftlich fundierte Endergebnis.