@jaska Deine Ausführungen sind nicht dazu geeignet, das Motiv an sich zu relativieren oder in Frage zu stellen. Weder ist es für das von mir vorgetragene Motiv erforderlich, dass die Hkler tatsächlich bereits einen Versuch unternommen hatten, aufgrund des besagten Urteils das Geld einzuklagen oder sich hierzu Rechtsrat einzuholen, noch ist es demselben abträglich, dass bei einem erneuten Inzestprozess, der in jedem Fall bzgl. eines anderen Zeitraums zu führen gewesen wäre, mglw. die HKler verurteilt worden wären. Ich habe auch nichts dergleichen vorgetragen.
Für das Vorliegen des Motivs allein entscheidend ist die Tatsache, dass mit dem Urteil ganz grundsätzlich die Hkler Ansprüche auf eine monatliche Zusatzrente hätten geltend machen können - völlig unabhängig von der eh schon bestehenden Nichtigkeit des Abfindungsvertrages - und diese Tatsache LS mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über die Zeitung entsprechend bekannt war. Diese Umstände alleine sorgen dafür, dass LS ein Tatmotiv hatte. Ob und inwiefern LS sich doch hätte denken sollen, dass sich die Hkler nicht trauen, diesen Prozess anzustrengen, weil er sie dann ja wieder wegen Inzest anzeigen könnte, ist insofern völlig müßig. Entscheidend ist, dass LS die Möglichkeit in Betracht ziehen konnte, dass die HKler trotzdem einen solchen Prozess anstrengen können und bei dem Zivilprozess an sich erfolgreich sein werden.
Darüber hinaus ist es aber auch so, dass Deine Überlegungen zu einem etwaigen Zivilprozess so nicht tragfähig sind. Denn 1922 stellte sich die Situation völlig anders dar als 1919. LS hatte inzwischen ein Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben, das nur schwer aus der Welt zu schaffen ist. Damit hatte war ihm dann die Mehrverkehrseinrede auch abgeschnitten. Zugleich war das das offizielle Geständnis, mit VGa im Enpfängniszeitraum vekehrt zu haben. Und die HKler waren beide im Strafprozess freigesprochen worden. Insbesondere wegen dieses im Zivilprozess entscheidenden Zeitraumes war damit eine weitere strafrechtliche Verfolgung ausgeschlossen. Damit standen die Chancen im Zivilprozess hinsichtlich der Zusatzrente äußerst schlecht. Mir fällt hier wirklich nichts ein, was LS dem hätte zum damaligen Zeitpunkt entgegensetzen können, weil die Anspruchsvoraussetzungen ja grds. alle schon über Vaterschaftsanerkenntnis und Abfindungsvertrag geklärt waren.
Ferner ist auch eine erneute Inzestanzeige keineswegs so einfach. Wie Du selber einräumen musst, geht das idR nur über Zeugenaussagen. Möchte LS hier also erneut anzeigen, muss er entweder behaupten, diesen Inzest selber beobachtet zu haben oder andere Zeugen dafür finden. Und da konnte sich LS nunmal nicht sicher sein, auch entsprechende Personen zu finden. Die noch 1919 ausreichende Aussage, VGa habe ihm von dem Inzest berichtet, dürfte angesichts des Schweigens zwischen LS und den Frauen (Aussage Rieger) nicht mehr tauglich gewesen sein, zumal natürlich auch LS Glaubwürdigkeit durch das 1919er Verfahren gelitten hatte.
Schließlich sei angemerkt, dass auch 1919 sich die HKler trotz der Drohung des LS mit der Inzestanzeige von dem Versuch der Durchsetzung der berechtigten Ansprüche des JGr zunächst keineswegs abhalten ließen. Erst mit der tatsächlichen Durchführung der Anzeige konnte LS hier sein Ziel erreichen. Das wäre aber 1922 so auch nicht mehr drin gewesen. Du musst bedenken, dass 1919 diese Anzeige nicht dazu diente, die HKler hinter Schloss und Riegel zu bringen, sondern eben die Mehrverkehrseinrede für einen etwaigen Zivilprozess vorzubereiten. Das würde eine Inzestanzeige 1922 aber nicht mehr erreichen können. Damit bliebe ein laufendes Inzestverfahren nur als generelles Druckmittel, die HKler zur Rücknahme einer etwaigen Klage zu bewegen. Dass LS darauf aber wenig Einfluss hatte, zeigte sich schon 1919 und 1922 - sofern das Verfahren auf anderweitigen Zeugen beruhte, wäre auch insofern der Kontrolle des LS entzogen gewesen, damit als Druckmittel ebenfalls unbrauchbar. Allenfalls hätte das Inzestverfahren LS Genugtuung verschaffen können, aber eben gerade nicht die Zahlungspflicht für das Kind aus der Welt geschafft, dass bei einer - keineswegs sicheren - Verurteilung am Starringer-Hof oder bei BGr gelebt hätte.
Um es nochmal festzuhalten: LS hatte ein erstmal rein grds. finanzielles Tatmotiv. Das ist ein objektiver Fakt, an dem sich nicht rütteln lässt. Darüber hinaus ist damit auch immer eine Belastung der familiären Situation verbunden (hier auch belegt durch LS eigene Aussage, sein Sohn hätte ihm deswegen Vorwürfe gemacht), was auch zu entsprechend emotionalen Motiven führt.
Letzteres ist übrigens auch insofern bemerkenswert, als ich mich stets gefragt habe, wann der Sohn dem Vater diesbezüglich Vorwürfe machte. Schon 1919, als er nur 13,5 Jahre alt war - oder vielleicht doch eher 1922, als das Urteil in der Zeitung erschien und er mit 16 Jahren sich evtl auch eher getraut hätte, dem Familienoberhaupt Vorhaltungen zu machen? Leider wird auch dazu in der vernehung nicht gefragt. :-(
Hiervon unabhängig noch ein paar Anmerkungen:
1. Wie sieht für Dich denn ein glorreicher juristischer Sieg in einem Strafprozess aus, wenn der 1920 erfolgte Freispruch keinen solchen Sieg darstellt? Oder hattest Du Dich da auf die zivilrechtliche Streitigkeit bezogen?
2.
jaska schrieb:Letztlich unterzeichnete er die Vaterschaftsanerkennung. Bleibt die Frage, warum?
Das hatte LS doch selber erklärt. Es ging um die Heirat mit VGa. Erst als diese ihm erneut zugesichert wurde - und damit HK als wertvoller Hof - stimmte er zu:
Da sie auch dazu setzte, daß wir trotzdem noch heiraten könnten, war ich schließlich damit einverstanden.
Es war also ein sehr handfester Vorteil, den sich LS hiervon versprach. Gesellschaftliche, moralische oder emotionale Gründe kann ich da grds. nicht erkennen. Allenfalls noch den - insofern dann emotionalen - Grund mit VGa zusammen sein zu wollen.
3.
jaska schrieb:Wenn man erst den (für mich bestätigten) Inzest und auch noch den (für mich ebenfalls bestätigten) Einbruch argumentativ aus der Welt räumen muss, um einen Schlittenbauer als Täter platzieren zu können, ist das für mich zu konstruiert.
Weder das eine noch das andere muss gegeben sein, um LS als Täter "zu platzieren", wiewohl ich der Ansicht bin, dass grds. niemand als Täter "platziert" werden kann, weil dazu die Informationsbasis einfach viel zu dünn ist. Mich würde jedenfalls interessieren wie Du darauf kommst, dass das eine notwendige Bedingung dafür sei, LS als Täter anzunehmen. Die meisten, die LS als Täter ansehen, halten doch beide Punkte für einen Fakt. ME besteht das von mir geschilderte Tatmotiv völlig unabhängig davon, ob ein Inzest und/oder ein Einbruch stattfand. Das hat damit überhaupt nichts zu tun.
LG
G.