totto schrieb:Waren es nun nur Gerüchte, oder war da was dran?
Riedmayer war natürlich darauf bedacht, die formaljuristischen Vorgaben halbwegs einzuhalten. Ansonsten achtete er darauf, den Schlittenbauer nicht in die Enge zu treiben.
Weit gefehlt, @totto... ganz weit...
Kucken wir uns die Sache doch mal an:
Riedmayer wurde vom Staatsanwalt Kestel aufgefordert, sich den Anschuldigungen des LS anzunehmen:
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Berichte:_1930-09-10_Kestel_bzgl._Beschuldigungen_des_Lorenz_SchlittenbauerStA. Kestel lagen die Unterlagen vor, die bis Dato über LS gesammelt wurde. Bahnbrechende Erkenntnisse können daraus nicht hervorgehen, sonst hätte man LS längst verhaften / verurteilen können...
Was also hatte Kestel Neues in der Hand, was nun recherchiert und gegen LS verwendet werden sollte?
Es war (laut seiner Aussage) die Aussage des Johann Kammer (auch Kammerer):
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Aussagen:_1930-08-01_Kammer_JohannSchauen wir uns also an, was Kammer u. a. zu berichten wusste, Zitat:
"...Der Briefträger steckte wie sonst seine Zeitung in den Briefkasten und dachte, als dieselben von den Tagen vorher nicht herausgenommen wurden: Na ja die haben halt jetzt nicht einmal Zeit zum Zeitunglesen..".
Diese Aussage ist falsch. Meyer entdeckte nie eine Zeitung, die er selbst Tage zuvor hingesteckt haben soll. Auf genau diese Situation geht er explizit ein :
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Aussagen:_1952-01-10_Mayer_JosefWeiter mit Kammer, Zitat:
"... als der Montör fort war, ging Schlittenbauer zu einigen Nachbarn, einer davon hieß S I G L Jakob von Gröbern (Hauserbauer) und sagte: Kommt mit nach Hinterkaifeck, die Leute da droben sind alle umgebracht..."
Das sagte LS nicht. Weder Pöll noch Sigl geben in ihrer Vernehmung an, dass LS eine solche Aussage gemacht haben soll. Urheber dieser Aussage ist Sigl selbst, der mit dieser Aussage (oder auch mal leicht verändert - je nach belieben: "Die haben sich aufgehängt", "die wurden erschlagen") hausieren ging, worauf es zu einem Sühneverfahren kam und Sigl 40,- Mark "Strafe" zahlen musste.
Kammer, Zitat:
"...Darauf gingen sie dorthin. Schlittenbauer hatte den Schlüssel zur Haustüre angesteckt, schloß sie auf und führte die Leute ins Haus. Als die Leute eine andere Richtung einschlagen wollten rief Schlittenbauer: Ach da sinds nicht, da liegen sie ! Er riss die Scheunentür auf und deutete auf einen mit Stroh und alten Brettern bedeckten Haufen... Erst später wurden die Nachbarn darauf aufmerksam, dass
Schlittenbauer den Schlüssel für das Haus hatte, und dass er den richtigen Weg zu den Leichen gleich wusste..."
Auch das ist frei erfunden. Wir wissen wie sich die Auffindung zutrug.
Kammer weiter:
"... Nach der Erbauung eines Materls nebst eines Betstuhls wo sonst alle Leuten mit einem stillen Grauen vorübergehen, sah wieder Lehrer Ueblagger Schlittenbauer sehr nachdenklich und niedergeschlagen auf dem Betstuhl knien..."
Ironie an: Da stellen die doch glatt einen Betstuhl dahin, damit die Leute im stillen Grauen ja zügig VORBEIZIEHEN... und dann kam LS, kniete sich nachdenklich und niedergeschlagen hin... womöglich betete er noch.... MÖRDER! Ironie aus.
Kammer, das Herzchen:
"...Wenn sich die schreckliche Bluttat verjährt bekommt er immer erhebliche Gewissensbisse. Auf der Straße geht er immer sehr niedergebückt. Wahrscheinlich lastet die fürchterliche Tat auf seinen Schultern..."
Wie darf ich mir das vorstellen? Am 30.03. läuft der Lenz strack wie ein Schippenstiel durch die Gegend um am 31.03. geht er mit einem Buckel die Straße entlang?
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Das Beste an der Sache ist, dass dieser 17 jährige Schlausch*** Kammer all diese Dinge von Wenzeslaus Bley wusste (siehe Link zur Aussage).
Wenzeslaus Bley wiederum gibt in seiner Aussage Jakob Sigl als Quelle an... Klingelts?
Nun wissen wir, dass die "Gerüchte", die Riedmayer im Verhör LS vorhält aus eben diesen Aussagen (Kammer, Bley mit Quelle Sigl) kommen.
Und wenn man sich ansieht, welchen (nachweislichen) Unsinn beide teilweise erzählen, bzw. dass der Ursprung ihres Wissens bei Jakob Sigl liegt, der die gleichen Gegebenheiten an anderer Stelle völlig anders erzählt, weiss man, was sie wert sind:
Nichtmal das Papier auf dem sie stehen.
Und mit diesen haarsträubenden Geschichten soll nun Riedmayer den Lenz in die Ecke treiben? Wie soll das aussehen?
"Nein, Herr Schlittenbauer, sie waren nicht zuhause, sondern angeblich auf Heuwache! Das hat der Zeuge Kammer gesagt. Der war zwar zum Tatzeitpunkt noch ein Küken, aber er weiss es von Wenzeslaus Bley. Der wiederum hat es in der Wirtschaft gehört und vom Zeugen Sigl erfahren. Sigl lässt zwar nichts aus, um ihnen den Mord anzuhängen, log, dass sich die Balken bogen und verlor deshalb regelmässig Sühneverfahren gegen sie, ABER HIER hat Sigl GANZ sicher die Wahrheit gesagt!"
Oder "Herr Schlittenbauer, sie knieten auf der Gebetsbank am Marterl... so geht das nicht! Oder am 31.03. erlangen sie keinen aufrechten Gang. Was können sie diesen beiden Taten noch für eine Rechtfertigung vorbringen? Das sind erdrückende Indizien gegen sie!"
Einpacken!
Und woher weiss ich, dass StA. keinen Pfifferling auf die Aussage von Kammer gab? Deshalb, Zitat Kestel:
"Über die Anzeige habe ich mir bereits ein Urteil gebildet. In Anbetracht der Bedeutung dieses Kriminalfalles, der zu den auffallendsten Verbrechen der letzten 50 Jahre gehört, liegt mir aber daran, daß das Material noch von einer zweiten autoritativen Stelle nachgeprüft wird."
Wenn die "Aktensammlung" zu LS genau so aussieht, wie das was wir kennen, rief dieser Mord nicht sechs Opfer, sondern sieben Opfer nach sich.
Entschuldigung für die Ironie und Polemik, aber sie hilft mir manchmal mich besser ausdrücken zu können.