Zu dem von
@Jairo heute um 15:23 verfassten Beitrag:
Jairo schrieb:Die Mutter von den Schreyer Brüder hat beim Pfarrer gebeichtet behauptet eine Nachbarin.
Achtung oder Entschuldigung das wird etwas länger weil ich die noch nicht online verfügbaren aber u. a. mir vorhandenen Aussagen mit rein kopiere.
(Etwaige kleinere Fehler liegen in der OCR-Software und sind so minimal das sie mir beim drüber sehen nicht aufgefallen sind)Sämtliche Vernehmungen im Staatsarchiv Augsburg unter der Archivsignatur: StAnwA 1 Js 244/52
Es beginnt alles mit einem Brief den die gebürtige Sattelbergerin und in Augsburg lebende Therese T. an die Staatsanwaltschaft schickt und der ihr eine Einladung bei der Kripo beschert:
Kriminal-Polizei
KI I/1
Augsburg, den 29.6.1971
Auf Vorladung kommt die gesch. Rentnerin
Tschernay Therese,
geb. Schilling, geb. 18. 9. 1910
in Sattelberg, wohnt Augsburg,
Predigerberg 24
zur Kriminalpolizei. Sie gibt an:
Der Grund meiner Vernehmung ist mir bekannt. Über meine Rechte als Zeuge wurde ich belehrt.
Ich werde aussagen.
Den mir vorgelegten Brief, adressiert an Herr OStA Öchsler, habe ich geschrieben. Ich habe mich dazu veranlaßt gesehen, weil ich in. der "Schwäbi-.schen Neuen Presse“ einen Bericht über denMordfall Hinterkaifeck gelesen habe, der nach meiner Überzeugung nicht den Tatsachen entsprach. In dem Bericht ist davon. die Rede, daß ein Adolf G. des Mordes verdächtig ist. Das stimmt aber nicht. In Wirklichkeit wurde dieser mehrfache Mord in Hinterkaifeck von den Brüdern Karl und Andreas Schreier aus Sattelberg verübt.
Ich habe mit meinem Wissen über die beiden angeführten Täter deshalb so lange zurückgehalten, weil ich von den Genannten für mich und meine Familienangehörigen Repressalien befürchte. Außerdem hat mich meine Mutter, von der ich eigentlich die Einzelheiten über den Mordfall mitgeteilt erhalten habe, gebeten, von der Sache nichts zu erzählen. Sie meinte, ich solle mein Wissen erst preisgeben, wenn in der Mordsache Hinterkaifeck in der Zeitung falsche Berichte abgedruckt würden. Meine Mutter hat kurz vor ihrem Tode, das war vor etwa 3 Jahren, das Versprechen abgenommen, die Sache nur in ihrem Sinne bekanntzugeben.
Da ich auch heute noch erhebliche Unannehmlichkeiten von den Familienangehörigen Schreier
befürchten muß, bitte ich ausdrücklich darum, daß mein Name in der ganzen Sache nicht bekannt gemacht wird. Ich möchte haben, daß meine Angaben streng vertraulich behandelt werden.
Meine Eltern hatten in Sattelberg, LKrs. Schrobenhausen, eine kleine Landwirtschaft. Sie hatten 14 Tagwerk Land zu bewirtschaften. In der Familie waren wir insgesamt 7 Kinder. Weil die
Landwirtschaft für den Familienunterhalt nicht ganz ausreichte, hat sich mein Vater nebenbei noch als Uhrmacher, Scherenschleifer und Schirmflicker betätigt. Der Einödhof Hinterkaifeck dürfte von Sattelberg etwa 15 km entfernt gewesen sein. Ich weiß noch, daß wir mit dem Fahrrad etwa 30 Minuten dorthin zu fahren hatten. Als dieser mehrfache Mord in Hinterkaifeck durchgeführt wurde war ich gerade 12 Jahre alt. Ich weiß noch, daß mein Vater und meine Mutter damals von der Polizei wegen des Mordfalles vernommen wurden. Frau Schreier, die Mutter der Brüder Karl und Andreas Schreier, hat damals meiner Mutter erzählt, daß ihre Söhne die Täter von Hinterkaifeck seien. Ihre Söhne hätten auch Schmuck und Kleidungsstücke von dem Mordfall nach Hause gebracht, die sie, Frau Schreier, trage. Meine Mutter hat dieses Wissen um die Sache sehr belastet. Sie hat es selbstverständlich ihrem Mann erzählt. Schließlich ist meine Mutter dann in ihrer Angst zum Ortspfarrer gegangen und hat die Sache gebeichtet. Meine Eltern mußten ja um ihr Leben und um ihr Anwesen fürchten, weil nicht ausgeschlossen werden konnte, daß die Täter evtl. Mitwisser beiseite schafften.
Der Ortspfarrer, dem meine Mutter alles berichtet hat, hat daraufhin die Polizei eingeschaltet. So kam es, daß meine Mutter und mein Vater vernommen wurden. Es sind dann auch die beiden
Brüder Karl und Andreas Schreier vorübergehend festgenommen worden. Wie lang sie im
Gefängnis waren, weiß ich heute nicht mehr. Schließlich wurde auch noch Frau. Schreier in das
Gefängnis nach Schrobenhausen gebracht. Von ihr weiß ich noch, daß sie sich nach ihrer
Entlassung furchtbar hysterisch aufgeführt hat. Sie hat sich später auch bei lebendigem Leib selber verbrannt. Man hat erzählt, daß sie in ihrer Austragsstube einen Scheiterhaufen errichtete, diesen und sich selber mit Petroleum übergoß und dann alles anzündete. So kam die Frau Schreier ums Leben.
Wie ich in meinem Brief an die Staatsanwaltschaft Augsburg geschrieben habe, kam Frau Schreier nach dem Mord von Hinterkaifeck zu. uns und hat meiner Mutter von dem Mordfall erzähle. Wie schon erwähnt, bezichtigte sie ihre Söhne als Täter. Als dann die Polizei zu uns ins Haus kam und meine Eltern vernommen hat, haben wir Kinder in unserer Neugierde versucht an der Türe zu lauschen. So habe ich bruchstückweise erfahren, daß Frau Schreier ihre beiden Söhne wirklich als die Mörder von Hinterkaifeck angegeben hatte. Einzelheiten über dieses damalige Gespräch habe ich nicht gehört und würde sie heute auch nicht mehr wiedergeben können. Ob die Frau Schreier geisteskrank war, kann ich nicht sagen. Ich nehme an, daß sie den Freitod gesucht hat, weil sie wegen der Mordsache mit ihrem Gewissen nicht mehr fertig wurde. Andreas Schreier, einer der angeblichen Täter, ist einige Jahre nach dem Mordfall gestorben. Man hat damals erzählt, daß ihn der Teufel geholt habe. Bei seiner letzten Beichte hat er dem Pfarrer den Mord gestanden. Er hat den Geistlichen auch von seiner Schweigepflicht entbunden und ihm erlaubt, daß er die Sache an die Öffentlichkeit bringen darf. Nach der Beichte hat der betreffende Pfarrer seinen Kaplan beauftragt, die Beerdigung durchzuführen. Er hat ihm erlaubt, am offenen Grabe die Mörder namentlich bekanntzugeben. Dies war dann der Anlaß für einen Zwischenfall, bei dem Karl Schreier versucht hat, den Kaplan ins offene Grab zu stoßen. Der Pfarrer selber ist nach der Beichte sofort nach Schrobenhausen gefahren und hat den Vorfall und das Geständnis des Andreas Schreier berichtet. Wenn ich erwähnt habe, daß Andreas Schreier vom Teufel geholt wurde, so kann ich das auch durchaus begründen. Er hat nämlich vor seinem Tode zum Pfarrer der bei ihm war gesagt, daß der Teufel mit im Zimmer stehe. Ich erinnere mich, daß ich damals in meiner kindlichen Neugierde in das Sterbezimmer des Andreas Schreier durch das Fenster hineingesehen habe. Nach seinem Tod war s Zimmer plötzlich kohlschwarz. Ich nehme an, daß dieser Umstand dafür spricht, daß Andreas Schreier tatsächlich vom Teufel geholt wurde.
Der überlebende Bruder, Karl Schreier, hat zuletzt in Schrobenhausen gewohnt. Ich kann aber nicht sagen, ob er jetzt noch am Leben ist. Wegen dieser ganzen Angelegenheit wurde meine Familie von der Sippschaft Schreier wiederholt bedroht. Sie kamen mehrmals zu uns ins Haus und haben meine Eltern unter Druck gesetzt. Ich weiß noch, daß mein Vater dann sagte, er müsse befürchten, daß ihm das Anwesen angezündet werde, wenn er nicht die Angelegenheit verschweige. Er hat deswegen mit seinem Wissen zurückgehalten und die folgenden Jahre von der Sache nichts mehr erzählt.
Meine verstorbene Mutter hat die damaligen Vorgänge in verschiedenen Schriftstücken
festgehalten. Diese Schreiben habe ich teilweise heute noch. Wie ich jetzt aber feststellen mußte, fehlen wesentliche Passagen. Meine Scbwägerin, Kreszenz Schilling, wohnhaft in Sattelberg, LKrs. Schrobenhausen, hat einige dieser Schriftstücke an sich genommen. Sie ist aber auf mich nicht gut zu sprechen. Sie hat auch meine verstorbene Mutter schlecht behandelt.
Ich bin einverstanden, daß die von meiner Mutter in der Sache hinterlassenen Schriftstücke an die Staatsanwaltschaft geleitet werden.
Zum eigentlichen Tatgeschehen möchte ich noch anführen , daß damals nach den Erzählungen
meiner Mutter 6 Personen ermordet wurden. Dem Hüterjungen, der mit zu den Opfern gehörte, sind
die Täter sogar in den Wald gefolgt und haben ihn dort umgebracht. Dem Buben war es nämlich
anfangs gelungen wegzulaufen. Wenn mir gesagt wird, daß damals ein Junge nicht zu den Opfern
des Mordes zählte, so muß das ein Irrtum Meine Mutter hat mir genau erzählt, daß ein Junge mit
umgebracht wurde. Meine Schwester war auch bei der Beerdigung dabei und hat miterlebt, wie die
Opfer von Hinterkaifeck, darunter dieser Hüterjunge, beerdigt wurden. Das Mordwerkzeug soll ein
Pickel gewesen sein. Man hat erzählt, daß dieser Pickel nach der Tat unter einer Brücke versteckt
wurde und später, als man das Anwesen abriß, wieder zum Vorschein kam.
Weitere Angaben kann ich zur Sache nicht machen. Ich habe alles nach bestem Wissen und
Gewissen gesagt. Es liegt _mir fern, jemand falsch anzuschuldigen. Ich habe nur objektiv gegeben,
was ich in der Sache selber erfahren habe und was mir meine Mutter berichtete.
Selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben
Geschlossen
*Anmerkungen:
-Andreas Schreier starb am 22.12.23, seinem 1. Hochzeitstag in Weilach an Lungentuberkulose
-Karl Schreier, lt. Geburtenregister hatte er den Vornamen „Karl der Große“ (ein zuvor bereits geborener Sohn namens Karl verstarb mit 5 Wochen) lebte tatsächlich in Schrobenhausen und verstarb dort am 21.2.58
-Viktoria Schreier, die Mutter der beiden starb am 13.12.33, im Sterbebuch der kath. Pfarrei Weilach der die Filiale Sattelberg untergeordnet war steht als Todesursache Tod durch Verbrennen-UnglücksfallKriminalinspektor Gastl der Therese T. Anhörte schrieb im Anschluß folgendes:
Stadt Augsburg
Polizeidirektion
Kriminal-Polizei
KI 7524 - 1745 - 1/7/Ga.
Den 29. 6. 1971
I.Vermerk:
Frau Therese Tschernay hat hier einen senilen, geistig wenig regen
Eindruck gemacht und ist offensichtlich sehr abergläubisch. Ihre Hinweise
auf die angeblichen Täter und ihre Motive für die Mitteilung scheinen
teilweise recht einfältig.
Gegen die von ihr bezeichneten Tatverdächtigen waren in der Sache
offenbar bereits Ermittlungen anhängig. Frau Schreier, von der die
Ermittlungen gegen ihre Söhne ausgelöst wurden, war den Umständen
nach geisteskrank, was insbesondere aus der Art ihres Freitodes zu ersehen
ist. Entsprechend dürften ihre Aussagen über ihre Söhne zu werten sein.
Frau Therese Techernay hat die von ihrer verstorbenen Mutter in der Sache
geschriebenen Briefe zur Verfügung gestellt. Sie sind mit dem in der
Schwäbischen neuen Presse über Hinterkaifeck erschienenen. Artikel der
Akte angeschlossen. Weitergehende Ermittlungen wären gegebenenfalls in
Schrobenhausen, bzw. Sattelberg durchzuführen.
Unterschrift
Gastl /KI
II. U. mit Akte 10 AR 23/71
an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Augsburg
Im Auftrag Adam, KA
[/i]Die weitergehende Ermittlungen wurden dann auch durchgeführt...[/i]
Da wurde zum Beispiel die erwähnte Schwägerin verhört:
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Dokumente:_1971-08-27_Zeugenvernehmung_Schilling_Krezensund auch der Geistliche, der als Kaplan die Beerdigung des Andreas Schreier durchgeführt hatte:Bayerische Landpolizei
Landpolizeidirektion Schwaben
Kriminalabteilung -
(Dienststelle)
Mödingen, 9. Sept. 19 71
Zeugen-Vernehmung
Die nachgenannte Person wird in_der Wohnung aufgesucht und erklärt:
1. Zur Person:
Herb Richard 74 Jahre alt, Pfarrer deutsch ledig,
Wohnhaft in 8881 Mödingen, Haus-Nr. 45 1/2, Lkrs. Dillingen
Mir wurde eröffnet, zu welcher Sache ch gehört werden soll.
Ich bin zwar nicht mehr aktiv im Dienst betreue aber die Pfarrei Mödingen noch seelsorgerisch. So habe ich in meinen alten Tagen noch einen Wirkungskreis und brauche nicht in ein Altenheim zu gehen. An die Sache in Hinterkaifeck kann ich mich noch gut erinnern. Ich bin kurz nachdem die Tat passiert war als Kaplan nach Weilach im Lkrs. Schrobenhausen gekommen. Hinterkaifeck gehörte zum Pfarramt Weilach.
Mir ist auch noch in Erinnerung, daß der Andreas S c h r e i e r mit dem seinerzeitgen Ortspfarrer Sperl nicht gut stand. Dieses Mißverhältnis beruhte meines Erachtens darin, weil Schreier nie zur Kirchen ging und auch nie zu den Sakramenten kam.
Ob das schlechte Verhältnis zwischen Pfarrer Sperl und Andreas Schreier auf das Geschehen in dem Einödhof Hinterkaifeck zurückzuführen sein könnte, weiß ich nicht. Pfarrer Sperl hat mir noch nie angedeutet, daß Andreas Schreier und sein Bruder Karl evtl. als Mörder von Hinterkaifeck in Frage kommen.
Als dann Andreas Schreier krank wurde habe ich ihn als Seelsorger betreut. Meine Mutter hatte ihm auf meinen Wunsch des öfteren Päckchen mit Gebackenem geschickt und so war ich dem Mann sympathisch.
Ich war nur von etwa Mai 1922 bis Ende 1924 in der Pfarrei Weilach tätig und kam dann hierher nach Mödingen.
Meiner Erinnerung nach wurden seinerzeit sehr viele Personen in den Verdächtigenkreis einbezogen worden. Ob die Polizei seinerzeit den richtigen Täter in Händen hatte, kann ich nicht sagen.
Es ist richtig, daß ich seinerzeit die Beerdigung von Andreas Schreier durchführte. Es kam dabei aber zu keinem Zwischenfall. Ich hatte als Thema der Grabrede "Richtet nicht, damit nicht auch ihr gerichtet werdet" gewählt. Wie nun jemand darauf kommt, ich hätte mich dahingehend geäußert, Andreas Schreier hätte mit gebeichtet, er habe die Mordtat in Hinterkaifeck verübt. So etwas habe ich nie gesagt. Selbst wenn Schreier mir dies gebeichtet hätte, würde ich es nicht sagen. Da kann mich niemand vom Beichtgeheimnis entbinden. Daß es bei der Beerdigung zu einem Zwischenfall derart gekommen ist, daß mich jemand in das offene Grab stoßen wollte, ist nicht wahr. Jedenfalls habe ich nichts davon bemerkt.
Ich glaube schon, daß auch die Gebrüder Schreier in den Kreis der Tatverdächtigen einbezogen wurden. Möglicherweise waren sie auch vorübergehend eingesperrt, so genau weiß ich das nicht mehr.
Geschlossen: (Hammer) KHM
Die Brüder saßen tatsächlich 1922 auch kurz ein:
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Zeitungsartikel:_1922-08-04_Neue_freie_VolkszeitungStaatsanwalt Renner schrieb am 29.12.22:
Die seit dem Berichte vom 9. September 1922 Nr. 1369 weiter gepflogenen Ermittlungen haben einen Erfolg nicht gezeigt. Das Verfahren gegen das Brüderpaar Andreas und Karl Schreier mußte wegen Unzulänglichkeit der Verdachtsgründe ebenso eingestellt werden, wie das gegen den Ortsführer Schlittenbauer