@AngRa Interessanter Beitrag zur Aufgabe eines Bürgermeisters in der Strafrechtspflege.
Der Ortsführer war der Vertreter des Bürgermeisters. Das ergibt sich aus Art 139 der Bayerischen Gemeindeordnung von 1869.
"In dringlichen Fällen hatte er statt des Bürgermeisters zu handeln. Zu seinen Aufgaben gehörte es somit unter anderem dafür Sorge zu tragen das Spuren am Tatort nicht verwischt werden und das keinerlei Veränderungen vorgenommen werden."
Dieser Pflicht ist LS als Gehilfe der Polizeiverwaltung offensichtlich nicht nachgekommen.
Wie, wenn es nicht mal die Polizeiverwaltung selbst geschafft hat, den Hof / das Gebäude zu sichern?
Auf dem Papier sieht das ja alles prima aus und ist auch logisch. Die Realität sieht anders aus:
Neben LS muss ich hier dann ja auch BM Greger in die Pflicht nehmen und vor allem die Gendarmerie. Greger und Blank waren die ersten "Amtsträger" vor Ort... Es folgte Goldhofer aus Hohenwart und die Gendarmerie Schrobenhausen.
Weder Greger noch den
Gendarmen ist es gelungen, die Schaulustige vom Gebäude (Hof/Tatort) fern zu halten... und zwar bis zur Ankunft der Gerichtskommission nicht.
Mehr als "eine Hand voll Leute" kriegen es nicht geregelt, Schaulustige fernzuhalten, aber LS, der alleine auf dem Hof war, sollte es schaffen?
Quellen:
Ich zitiere Johann Schlittenbauer:
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Aussagen:_1952-01-10_Schlittenbauer_JohannAls die Gendarmerie angekommen war, hat diese die Absperrung getätigt. Dennoch kamen eine Menge Leute ins Haus.Und A. Schwaiger:
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Aussagen:_1951-12-17_Schwaiger_Andreas" Als ich dann wieder nach Hinterkaifeck zurückkam, waren schon viele Leute anwesend.
Ob während meiner Abwesenheit schon die Gendarmerie eingetroffen war, weiß ich nicht, nehme es aber an, nachdem bereits Wachen eingeteilt wurden." Anmerkung: Heute wissen wir anhand der Zeiten, dass die Gendarmerie vor Ort war.
Und BM Greger:
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Aussagen:_1922-04-05_Greger_Georg"Der Ortsführer Schlittenbauer mit mehreren Personen u. verblieben dort bis zur Ankunft des Oberamtsrichters." Anmerkung: Zwischen Ankunft Greger und Gendarmerie und dem Eintreffen der Gerichtskommission lagen vier Stunden. Und immer noch pot. Spurenverwischer vor Ort... prima.
Ich denke, dass vor allem der Lenz (er war alleine vor Ort) total überfordert war und nicht Herr der Lage werden konnte.
Zum einen kamen die Schaulustigen in "Massen" auf den Hof und er hatte gerade sechs Leichen gefunden, seine Nachbarn und darunter ev. seinen Sohn. Dass er da nicht alle Sinne beisammen hatte (Schock) ist recht einfach nachzuvollziehen. Das lasse ich auch für BM Greger gelten, den Gendarmen gegenüber aber nicht.
Nun möchte ich noch auf die von Dir zitierte Aussage des Johann Freundl eingehen und eine Passage aus der Aussage hinzufügen:
http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.php?title=Aussagen:_1951-12-17_Freundl_Johann"Dein" Zitat aus der Freundl-Aussage:
"Weiterhin fiel mir das Verhalten des Schlittenbauer am Tatort deswegen auf, weil er von den Neugierigen die vorhandenen Spuren vernichten ließ. Ich habe ihn seinerzeit sogar aufgefordert, dass durch die Leute die Spuren ( Anm.nicht) vernichtet werden. Schlittenbauer entgegnete mir, dass die Leute nun schon da seien und er nichts mehr machen könne." Johann Freundl sagt auch:
"Das Anwesen Hinterkaifeck betraten wir durch die Haustüre und ich weiß heute nicht mehr genau wo wir mit Schlittenbauer zusammengetroffen sind." Was ist denn der Freundl für ein lustiger Zeitgenosse? Mit dem von Dir zitieren Wissen (Aussage gegenüber LS) tappt der eben mal unaufgefordert ins Haus, läuft drin rum, kuckt sich alles an und trifft auf LS...
Von dem lässt er sich dann noch die verschiedenen Tatorte zeigen... Als seine Schaulust dann befriedigt war und er seine Spuren an den Tatorten hinterlassen hatte, bzw. Täterspuren verwischt haben könnte, hebt er den Zeigefinger und will LS erklären, dass die Leute ja Spuren verwischen... als ob er grad durchs Haus geschwebt wäre und mit dem Spurenverwischen ja deshalb nichts zu tun hatte!?
Die inzwischen eingetroffene Gendarmerie aus Hohenwart und Schrobenhausen, inkl. dem BM Greger tangieren ihn eher weniger und er bleibt weitere 4 Stunden am Tatort, bis um 22:00 Uhr die Gerichtskommission eintrifft...
Er hält dem Lenz genau das vor, was er selbst tat. Tuten und den "Zeigefinger" heben, das konnte er, aber trotz seines Wissen im Umgang mit Spuren, sich mal an der eigenen Nase zu packen, war angesichts der Neugierde nicht möglich.
LS wurde meiner Meinung nach unmittelbar nach der Auffindung mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er vor Eintreffen des Bürgermeisters Greger Nachbarn und Schaulustige in Haus gelassen habe, denn er sagt am 5.4.1922 aus:
"Zutritt in die Wohnräume u. des ganzen Hauses habe ich niemandem gestattet. Ich habe mich dann um des Viehs angenommen und dieses gefüttert. Nach Ankunft der Gendarmerie u. des Bürgermeisters Greger von Wangen habe ich mich um nichts mehr gekümmert."
AngRa schrieb am 30.11.2015:Die Ermittlungsbehörden haben 1922 leider diese doch sehr widersprüchliche und wichtige Angelegenheit nicht weiter untersucht.
Da hatten aber Greger und Gendarmen am Tatort nochmal "Schwein" gehabt. Die sassen nämlich im gleichen Boot.
Oder beziehst Du das "wichtig" auf eine Täterschaft vom Lenz? Der hatte vier Tage und Nächte Zeit, Spuren zu beseitigen... und brauchte sicher keine Schaulustigen, die "seine" Spuren verwischen... Woher sollte er wissen, wie es wird, wenn die Leichen gefunden werden? Planbar war es nicht.