Ich werfe einfach mal ein Szenario in den Raum: Andrea wuchs zunächst (über)behütet in ihrem Elternhaus auf, die Eltern haben sehr dominant die Richtung vorgegeben und waren auf Sicherheit bedacht, Andrea machte zunächst kein Abitur (damals für Frauen ohnehin nicht immer gewünscht).
Im früher Erwachsenenalter erkannte sie dann, dass dieser Lebensentwurf sich nicht mit ihren Interessen deckte. Da es elternunabhängig Bafög für den Schulbesuch gab und die Möglichkeit, durch Beurlaubung den Arbeitsplatz zu erhalten, zog sie risikofrei nach Köln, um dort das Abitur nachzuholen. In BW gibt es dazu sogenannte "Berufsoberschulen", wo die abgeschlossene Ausbildung ein Schuljahr ersetzt, ich nehme mal an, es war in Köln ähnliches.
Ich glaube mich richtig zu erinnern, dass Psychologie damals noch nicht den Stellenwert von heute hatte und eher überwiegend dem linken Spektrum zugeordnet wurde. Es war mehr das "nimm dich nicht so wichtig" und "du musst funktionieren" vorrangig im mindset der Leute. Andrea orientierte sich nach links, wobei sie ja nicht besonders extrovertiert dargestellt wird (keine Bekannten in der neuen Schule, ...). Hierbei stimme ich dieser Einschätzung voll zu:
Juanito schrieb:Nach wie vor finde ich, dass hier einiges im (Selbst)bild der Andrea W. nicht zusammenpaßt. Wie schon öfter hier angesprochen, eine beurlaubte möglicherweise Beamtin, die in einfachen, aber soliden Verhältnissen lebt, immerhin noch Kontakt zu den Eltern hat und von diesen unterstützt wird (das nur mal dazu, es gab diesen Kontakt ja, auch wenn er womöglich nicht besonders gut war, aber er war da), in einer festen Beziehung mit nur einem Mann....das paßt doch nicht zu Hausbesetzern und Linksradikalen.
Sie muss ja dann eine persönliche Verbindung in dieses Melatenviertel gehabt haben. Alleine Essen gehen finde ich persönlich ungewöhnlich. Daher folgender Erklärungsansatz: Ich kenne heute einige erwachsene Frauen, die Probleme haben, mit anderen Essen zu gehen, aus Angst, unappetitlich zu essen, etwas in den Zähnen hängen zu haben. Vielleicht hatte sie ein romantisches Interesse an jemand, der in diesem Viertel lebte, wollte aber nicht vor ihm essen, erfand kurz einen Grund, weshalb sie kurz weg musste und stillte einfach ihren Hunger.
Vielleicht hat sie den Abend wieder bei diesem Mann verbracht. Dafür spricht, dass es ihr so wichtig war, dass sie äußere Zwänge, wie der Schultag am nächsten Tag, zu dem sie ja ausgeschlafen auftauchen sollte, unterordnete. Auch spricht die Zeit dafür, dass es keine "normale" Bekanntschaft war, sondern schon etwas Intimeres. Eigentlich schaut man ja, dass Besuche vor Mitternacht abgevespert sind, auch bei jungen Leuten. An diesem Abend, bei dem Mann, ist irgendetwas eskaliert. Sie hat die Wohnung verlassen, ohne Jacke, etc mitzunehmen. Vielleicht hatte sie Geldbeutel und Hausschlüssel einfach in der Jackentasche, kam aber aufgrund der Situation nicht mehr dazu, diese mitzunehmen. Vielleicht täuschte sie vor, kurz aufs Klo zu müssen, die Jacke war aber woanders.
Der Mann folgte ihr, um nicht so viel Zeit zu verlieren, nahm er die erstbeste Waffe mit, die er in seiner Wohnung finden konnte - in dem Fall das Obstmesser. Ich kenne relativ viele Leute, die ein Obstmesser immer ziemlich griffbereit haben, da sie viel Obst essen. Er folgte ihr - als sie die Zeitungsfrau gesehen hatte, war sie sich sicher, dass er ihr nicht nachkommt, ging aber zur Sicherheit in die falsche Richtung, damit er sie nicht verfolgte. Heim konnte sie ja eh nicht, da sie keinen Hausschlüssel hatte. Er fand sie aber (vielleicht war er mit dem Fahrrad oder ähnlichem unterwegs) und tötete sie. Er kehrte dann in seine Wohnung zurück, vernichtete Spuren (Messer, Blut an seiner Kleidung, ihre Jacke) und lebte unbescholten weiter.