Prozess in Avignon über die Massenvergewaltigung in Mazan

ninano schrieb:Aber sind diese Leute im Gerichtssaal? Ich hätte evtl. bedenken wegen meiner Familie, aber immerhin wäre etwas, dass zu meiner Person getan würde, nicht was ich mir gesucht habe. Vielleicht sieht das die eine oder andere Ehefrau anderen Angeklagten und öffnen mal die Augen, was für einen Partner sie noch dulden.

Sind das nicht Menschen aus der Öffentlichkeit - Menschen wie du und ich?
Du drückst dich unklar aus. Meinst du die ein oder andere Partnerin der jetzt HIER vor Gericht stehenden Angeklagten?
Dazu kann man grundsätzlich sagen, dass sich ja schon etliche gegen ihren Partner gestellt haben (Trennung, Scheidung...) Die Person, die sich beispielsweise demonstrativ neben ihren Mann gesetzt hat (trotz erdrückender Anschuldigungen), der hier Angeklagter ist, die wird ihm weiterhin loyal gegenüber sein. Solche Menschen sind auch durch Videos nicht zu überzeugen und finden immer wieder Entschuldigungen. Das kommt nicht so selten vor.

Der zitierte Beitrag von skullnerd wurde gelöscht. Begründung: Antwort auf gelöschten Beitrag

Frau Pélicot konnte nicht überrascht werden, weil sie schlief und nicht aufwachte. Überraschung hat etwas mit Bewusstsein zu tun. Wer bewusstlos ist, kann nicht überrascht werden.

Es wird eng für den Richter. Ich weiß wirklich nicht, wie er aus dieser schmutzigen Sache herauskommen kann, ohne dass selbst Schmutz an ihm haften bleibt. Er muss die Gesetze anwenden und ich befürchte für ihn, er wird am Ende nicht gut dastehen, es sei denn er findet ein Gesetz, das er zitieren kann, von dem wir noch nichts wissen.

Füchschen schrieb:Frau Pélicot konnte nicht überrascht werden, weil sie schlief und nicht aufwachte. Überraschung hat etwas mit Bewusstsein zu tun. Wer bewusstlos ist, kann nicht überrascht werden

Ok, also bedeutet "Überraschung" vom Gesetz quasi "in flagranti überrascht".
Hab ich aus meiner persönlichen Sicht nun tatsächlich gar nicht so eng gesehen, meine Sicht war "die Situation,welche die Überraschung auslöste(sprich Vergewaltigung) hatte zuvor stattgefunden,aber das bewusste Erleben des Überraschungsmoments hat sich erst auf der Polizeistation eingestellt/gezeigt ".
Aber ok, wenn das so eng definiert ist, verstehe ich's jetzt besser mit der Gesetzesänderung. Danke

ringelnatz schrieb:Das finde ich eine sehr, sehr ungute Aussage (gelinde gesagt)! Genau einer solchen Denkweise will GP entgegenwirken, wenn sie den Slogan "die Scham muss die Seiten wechseln" verwendet.
Sie DARF fröhlich, glücklich, lebendig, lustig und vorwärtsgewandt sein und wirken!!!
Wie oft werden Opfer sexueller Gewalt seelisch verstümmelt und leiden ein ganzes Leben lang - auch z.T. wegen der eigenen falschen Annahme einen Anteil daran zu haben oder nicht mehr glücklich sein zu dürfen, weil das nach außen ja so wirken könnte, als hätte "es ja dann gar nicht so schlimm gewesen sein können"!
Es ist gesellschaftliche Aufgabe diesen Opfern genau das Gegenteil zu vermitteln: wir sind stolz auf euch und freuen uns, wenn es euch (wieder) gut geht.

Ringelnatz,
eine der besten Aussagen bislang!!

@skullnerd
Nun hast Du mich mit Deinem Verständnis von „inflagranti“ überrascht.
In flagranti bedeutet ja eher, dass jemand seinen Partner mit einem anderen Menschen während oder kurz nach dem Sexualakt überrascht.
Ich musste googeln:

In flagranti ist eine aus dem Lateinischen übernommene Redensart (eigentlich: in (crimine) flagranti „solange das Verbrechen noch brennt“[1]) und bedeutet „auf frischer Tat“.

Quelle: Wikipedia: In flagranti

Ich würde sagen, dass das Überraschungsmoment während einer Vergewaltigung gegeben sein muss.

Die Aufnahme von „Überraschung“ im Gesetzestext dient ja wohl dazu, gewieften Verführern das Handwerk zu legen, die säuselnd anfangen und dann überraschenderweise plötzlich zur Sache gehen. Und es ist gegen egozentrische Ehemänner gerichtet, die ihre Ehefrauen ohne deren Einwilligung nehmen und vom Fleck weg überraschen, egal wo. So verstehe ich das mit der Überraschung.

Und da Frau Pélicot keine Lust auf derartige Überraschungen hatte, hat Herr Pélicot ihr Bewusstsein ausgeschaltet. Er wollte nur ihren Körper. Im Gesetz ist so ein Fall nicht abgebildet.

Schade, dass Frankreich, Deutschland und Ungarn sich gegen die EU-Gesetzesinitiative gestellt haben im Januar 2024, die genau den Punkt des Bewusstseins mit eingeschlossen hätte.

Füchschen schrieb:Es wird eng für den Richter. Ich weiß wirklich nicht, wie er aus dieser schmutzigen Sache herauskommen kann, ohne dass selbst Schmutz an ihm haften bleibt. Er muss die Gesetze anwenden und ich befürchte für ihn, er wird am Ende nicht gut dastehen, es sei denn er findet ein Gesetz, das er zitieren kann, von dem wir noch nichts wissen.

?
Hab ich was verpasst?

Malli schrieb:wissen.
?
Hab ich was verpasst?

Nein, das hast Du nicht. Vielen Dank für die Nachfrage.

Ich befürchte, mMn, dass der Richter Schwierigkeiten haben wird, eine Vergewaltigung zu begründen, da das Gesetz, soweit ich es sehen kann anhand des zur Zeit gültigen französischen Gesetzes, so eine Begründung nicht hergibt, denn wer im Koma liegt, kann nicht überrascht werden. Aber vielleicht gibt es eine kräftige Klausel im französischen Recht, die den Geist und nicht den genauen Wortlaut des Gesetzes hervorhebt? Vielleicht hat der Richter da Spielraum.

Was aber mMn sehr gute Aussicht hat, ist, dass Herr Pélicot für die Verabreichung dieser Unmengen an Schlafmittel verurteilt wird.

Aber bereits jetzt ist wichtig und das sollte man wirklich nicht verpasst haben, nämlich das, was @ringelnatz geschrieben hat:

ringelnatz schrieb:Das finde ich eine sehr, sehr ungute Aussage (gelinde gesagt)! Genau einer solchen Denkweise will GP entgegenwirken, wenn sie den Slogan "die Scham muss die Seiten wechseln" verwendet.
Sie DARF fröhlich, glücklich, lebendig, lustig und vorwärtsgewandt sein und wirken!!!
Wie oft werden Opfer sexueller Gewalt seelisch verstümmelt und leiden ein ganzes Leben lang - auch z.T. wegen der eigenen falschen Annahme einen Anteil daran zu haben oder nicht mehr glücklich sein zu dürfen, weil das nach außen ja so wirken könnte, als hätte "es ja dann gar nicht so schlimm gewesen sein können"!
Es ist gesellschaftliche Aufgabe diesen Opfern genau das Gegenteil zu vermitteln: wir sind stolz auf euch und freuen uns, wenn es euch (wieder) gut geht.

Füchschen schrieb:Ich befürchte, mMn, dass der Richter Schwierigkeiten haben wird, eine Vergewaltigung zu begründen, da das Gesetz, soweit ich es sehen kann anhand des zur Zeit gültigen französischen Gesetzes, so eine Begründung nicht hergibt, denn wer im Koma liegt, kann nicht überrascht werden. Aber vielleicht gibt es eine kräftige Klausel im französischen Recht, die den Geist und nicht den genauen Wortlaut des Gesetzes hervorhebt? Vielleicht hat der Richter da Spielraum.

Was aber mMn sehr gute Aussicht hat, ist, dass Herr Pélicot für die Verabreichung dieser Unmengen an Schlafmittel verurteilt wird.

Es stehen bei einzelnen Angeklagten 20 Jahre Haft im Raum. Ich empfehle Dir, die Artikel, die @jeandArc zu dem Prozess eingestellt und Passagen davon für uns übersetzt bzw. zusammengefasst hat, sowie die Kommentare anderer User, beispielsweise @Rick_Blaine hierzu zu lesen. Dass Herr Pelicot nur wegen der exzessiven Verabreichung von Schlafmitteln verurteilt wird, steht doch gar nicht zur Debatte. Der wird vermutlich bis an sein Lebensende im Gefängnis sein.

Malli schrieb:Du meinst, Gisele P. müsste nach dem Prozess mit neuer Identität neu beginnen? Das wäre doch das vollkommen falsche Signal! Warum sollte sie? Sie kann hocherhobenen Hauptes, ohne sich etwas zuschulden kommen zu lassen, weiterleben und sollte es auch. Wenn das Resultat des Zeigens dieser Videos in der Öffentlichkeit DIES zur Folge hätte, dann wäre alles umsonst! Sinn und Zweck ist doch, nochmal deutlich zu unterstreichen für die, die es ohne Videos immer noch nicht glauben, dass die Schuld und "Scham" ohne Zweifel Richtung Täter geht.

Es sei denn, ich habe dich falsch verstanden....

Gisèle muss sich sicher nicht verstecken; was jedoch, wenn sie sich schützen muss?

Wer sich so positioniert wie Gisèle, wird nicht nur neue Freunde gewinnen.

Zu Beginn des Prozesses begrüßten sich einige Angeklagte mit "give me five". Jetzt gab es schon einige tränenreiche Aussagen, von Angeklagten, von Angehörigen der Angeklagten. Die Stimmung scheint je nach Falllage verzweifelt bis trotzig. Zwei Überraschungen trafen die Angeklagten und ihre Verteidiger: Die Öffentlichkeit des Prozesses generell und nun zudem das Abspielen der Sexvideos und Zeigen von Sexfotos öffentlich, auf den großen Bildschirmen im Gerichtssaal (sofern es erforderlich ist, nach Einschätzung des Richters Roger Arata). Der Prozess ist kein Spaziergang mehr, wie wohl von einigen angenommen.

CharliesEngel schrieb:Wer sich so positioniert wie Gisèle, wird nicht nur neue Freunde gewinnen.

Das ist aber die Regel. Wer Stellung bezieht und klare Position, der kann nicht allen gefallen. Das ist aber auch nicht ihr Anspruch.
Irgendwer hat immer andere Interessen und wird dagegen sein. Ob das so weit gehen, dass sie sich schützen muss, wollen wir mal nicht hoffen. Dann wäre die Lobby der Befürworter solcher Taten größer, als ich annehmen möchte.

Malli schrieb:Ob das so weit gehen, dass sie sich schützen muss, wollen wir mal nicht hoffen. Dann wäre die Lobby der Befürworter solcher Taten größer, als ich annehmen möchte.

In der Tat hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht, inwieweit Gisèle in Gefahr sein könnte. Immerhin sind einige der Angeklagten schon wegen Gewalttaten vorbestraft. Wenn es da um lange Haftstraften geht, könnte schon mal etwas passieren, evtl. auch aus dem Umfeld der Angeklagten. Giséle P. hat ja Mazan zum Glück schon lange verlassen, wie ich Wikipedia entnommen habe.

La découverte a posteriori des abus commis sur elle alors qu'elle était inconsciente a causé un traumatisme psychique grave, selon un psychiatre l'ayant examinée7. Dès la connaissance des faits, elle demande le divorce et déménage3.

Laut einem Psychiater, der sie untersuchte, verursachte die anschließende Entdeckung des Missbrauchs, der ihr bewusstlos widerfahren war, ein schweres psychisches Trauma. Sobald sie davon erfuhr, reichte sie die Scheidung ein und zog um 3 .

Quelle: Wikipedia: Affaire des viols de Mazan

"Wir kennen alle einen von der Liste."

Ein Marsch, organisiert von einer Vereinigung von Frauen, Opfern von Gewalt, letzten Sonntag, den 5. Oktober 2024 in Mazan, zur Unterstützung "der mutigen Gisèle" und für ein gutes Miteinander zwischen Frau und Mann.

Die Entscheidung für Öffentlichkeit des Bildmaterials war am Vortag; dazu hat sich leider niemand konkret geäußert.

À Mazan, une marche émouvante pour la « courageuse » Gisèle Pelicot

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Misetra schrieb:Ich empfehle Dir, die Artikel, die @jeandArc zu dem Prozess eingestellt und Passagen davon für uns übersetzt bzw. zusammengefasst hat, sowie die Kommentare anderer User, beispielsweise
sowie die Kommentare anderer User, beispielsweise @Rick_Blaine hierzu zu lesen

Das habe ich bereits vor Wochen gemacht und werde jetzt Rick_Blaine ein zweites Mal lesen.


Evaluierung von Rick_Blaine:

Mir war besonders in Erinnerung geblieben dieser Abschnitt von @Rick_Blaine. Diesen Abschnitt habe ich sorgfältig gelesen.

Rick_Blaine schrieb am 13.09.2024:Rechtshistorisch sind wir noch gar nicht so lange bei dem Punkt, dass ein nein ein nein ist angekommen, und in vielen Ländern ist das noch ganz weit entfernte Zukunftsmusik. Vom Ja muss ein Ja sein reden wir da gar nicht.

In der Tat ist die Vergewaltigung aber ein Themenfeld, das in der Rechtswissenschaft äusserst komplex ist und sich sehr viele Staaten sehr schwer tun, dieses anzupassen. Ich habe vor kurzem eine wissenschaftliche Darstellung gesehen, dass es in Europa und den USA sehr viel leichter und zügiger gelang, Mord neu zu regeln, als "Vergewaltigung," von anderen Ländern gar nicht zu reden. Der Urprung dieses Tatbestandes lag ja in einer Verletzung des Rechtsgutes des Vaters oder Ehemanns der Frau. Also, salopp gesagt, man betrachtete Vergewaltigung als eine Art Sachbeschädigung am Eigentum eines Mannes. Für unsere Ohren klingt das unfassbar, aber das gilt heute noch in einigen Ländern und galt hunderte Jahre auch bei uns.

Immerhin, wir sind heute, auch in Frankreich, schon erheblich weiter.

Nur, wo genau steht Frankreich jetzt? Frankreich ist weiter, das ist gut! Das bezieht sich darauf, dass früher in Frankreich die Vergewaltigung einer Frau Sachbeschädigung war. Heute ist man weiter und sieht es nicht mehr so. Vom Ja ist Ja hat Rick_Blaine zwar gesprochen, aber nicht für Frankreich vertieft. Das Thema hat er ausgeklammert. Denn in Frankreich gilt dieses Gesetz nicht.

Er schreibt:

„Vom Ja muss ein Ja sein reden wir da gar nicht.“

Als 1997 die Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland in das Strafgesetzbuch aufgenommen wurde, hieß es, und wie beweisen? Die Antwort war, wir nehmen das jetzt mit rein, um ein Zeichen zu setzen, dass die Gesellschaft dies nicht toleriert.

Manchmal macht man etwas, weil man es kann.

@CharliesEngel
Vielen Dank für die Einstellung dieses Videos!
Es ist wichtig, dass Frau Pélicot jetzt diese Unterstützung erfährt.

Ich sehe, dass von „chemischer Unterwerfung“ die Rede ist. Darum geht es den Unterstützern und Unterstützerinnen.

CharliesEngel schrieb:Die Entscheidung für Öffentlichkeit des Bildmaterials war am Vortag; dazu hat sich leider niemand konkret geäußert

Ja, das Thema ist zu heikel, deshalb wohl spricht es niemand an oder lässt sich dazu nicht befragen.

CharliesEngel schrieb:Als 1997 die Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland in das Strafgesetzbuch aufgenommen wurde, hieß es, und wie beweisen? Die Antwort war, wir nehmen das jetzt mit rein, um ein Zeichen zu setzen, dass die Gesellschaft dies nicht toleriert.

Ja, es ist alles noch gar nicht so lange her.

Dieses Zeichen zu setzen, war äußerst wichtig! Es ist ein Wegweiser für die Zukunft.

Und diese blöden Fragen, wie soll das bewiesen werden! Die Beweise von Gewalt waren immer schon zu sehen, nur hat das niemand sehen wollen derjenigen, die die Macht hatten.

Und wer hatte die Macht? Wie wurde damals abgestimmt bezüglich des Gesetzes Vergewaltigung in der Ehe?

Der Grund, warum dieses Video jetzt so viel Aufmerksamkeit bekommt: Als 1997 das Strafgesetzbuch schließlich so geändert wurde, dass auch Vergewaltigung in der Ehe als eigener Straftatbestand ins Gesetz aufgenommen wurde, stimmten im Bundestag immer noch 138 Abgeordnete dagegen.

Und einer von ihnen war: der Finanzpolitiker Friedrich Merz. Heute Publikumsliebling der Unionsanhänger und einer der aussichtsreichsten Kandidaten für den CDU-Vorsitz sowie die Kanzlerkandidatur.

Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/was-friedrich-merz-fruher-forderte-und-wie-er-abstimmte-6603298.html

Jeder kann sich seine Meinung selbst bilden hier im Forum.

Ich weiß, seitdem ich das Abstimmungsverhalten von Merz kenne, warum Frauen ihn nicht mögen. Das wird oft in Beiträgen über Merz gesagt.

Und die FDP war damals auch kein Vorreiter in dieser Frage im Bundestag, denn die Frage lautete:

Sind Sie dafür, dass Vergewaltigung in der Ehe ins Strafgesetzbuch kommt?“

Ein FDP-Abgeordneter antwortet: „Nein!“ Er grinst. Im Plenum fläzen sich männliche Abgeordnete in ihren Stühlen und lachen.

Quelle: siehe oben

Und weil die Dinge sind, wie sie sind, weil sich Männer im Bundestag eins grinsen und sich herumfläzen in den Stühlen, und in Brüssel nicht Farbe bekennen, fehlt jetzt dem Richter im Fall Pélicot das Gesetz „Ja heißt ja“, denn Deutschland, Frankreich und Ungarn haben das Gesetz verhindert im Januar dieses Jahres.