jeandArc schrieb:Vielen lieben Dank für eure Beiträge und Einschätzung. Also tatsächlich ist es so, dass ca. 30 Anwälte die 51 Angeklagten vertreten.
Ja, offensichtlich ist das in Frankreich erlaubt, solange sicher ist, dass kein "Interessenkonflikt" besteht oder entstehen wird.
Das ist bei der abzusehenden Verteidigungsstrategie hier wohl auch bisher nicht der Fall, obwohl ich als Verteidiger schon ein ungutes Gefühl hätte.
Richtig ist, dass, soweit erkennbar, wohl alle Angeklagten die Tatsache des Sexualverkehrs zugeben, in den Berichten immer als "Fakt" bezeichnet. Für eine Verurteilung muss aber auch der Vorsatz, dies z.B. durch Ausnutzung des körperlichen Zustands des Opfers, hier wohl wird auf den "Schlaf" gezielt (ich würde eher von Betäubung reden), zu tun, nachgewiesen werden.
Und das ist der Ansatz der Verteidigung: sie will glaubhaft machen, dass die Angeklagten (ausser dem Ehemann) das alles für ein einvernehmlich inszeniertes Szenario hielten.
Man wird sehen ob das Gericht davon überzeugt werden kann.
Da es hier aber sehr um Details, Eindrücke, Gefühle usw. geht, wäre mir unwohl, mehr als einen Mandanten zu verteidigen. Ich gebe mal ein Beispiel:
Toni und Theo sind der gleichen Tat angeklagt. Theo war immer schon ein Schlaumeier, glänzte in der Schule, ist lange verheiratet. Toni dagegen hat nur minimale Intelligenz, keinen Schulabchluss, lebt nur in einer Welt der Videospiele, da er keinerlei Freunde hat. Er hat noch nie eine Beziehung mit einer Frau gehabt. Beide, Toni und Theo sind gleichalt.
So, gehen wir mal von dieser Tat aus: Ich vertrete jetzt die beiden. Im Bezug auf Toni fallen mir folgende Argumente ein: er ist eh nicht die hellste Kerze am Christbaum, er hat naiv dem Ehemann geglaubt, dass das alles ein tolles Sexspiel sei, dem die Frau zustimmte. Er hatte noch nie eine Beziehung mit einer Frau, noch nie mit einer zusammengelebt, er kann sich kraft all dessen gar nicht in dieses Opfer hineinversetzen und irgendwie nachempfinden, dass es sich nie auf so etwas eingelassen hätte. Usw.
Nehmen wir mal an, das Gericht sei geneigt, dem Toni hier zu glauben, dass er sich felsenfest auf die Aussagen des Ehemanns verlassen hat und diese für wahr gehalten hat und dass ihm die geistige Kraft fehlt, von ihm zu verlangen, das alles zu hinterfragen.
Fein, gut für Toni. Aber meine Argumentation kann nun auch dazu führen, dass das Gericht sagt: Also Herr Doktor, alles was sie da gesagt haben passt ja zu Toni, aber dann ist Ihnen auch klar, dass es für den Theo keinerlei Entschuldigung gibt, oder? Der ist schlau, er weiss, wie es ist mit einer Frau zusammenzuleben, kann sich dadurch in diese hineinversetzen, usw.
Hm. Vor Theo sehe ich irgendwie nicht sonderlich cool aus. Aber wenn ich jetzt zum Beispiel aus diesem Grund beginne, die Argumente, die für Toni sprechen, herunterzuschrauben, dann begehe ich eine schwere Verfehlung und habe eben genau diesen Interessenkonflikt, den die Rechtsordnung nicht will.
Daher bleibe ich dabei: kein Doppelmandat!