Karajana schrieb:Aber es würde doch kein vernünftiger Anwalt in einem Indizienprozess, in dem theoretisch auch noch ein Freispruch möglich wäre, zu einem vorzeitigen Geständnis raten?
Das kommt halt immer auf die Situation an. Vom Geständnis, damit meine ich jetzt die bloße Bestätigung der Anklage, ist zu unterscheiden, wenn der Angeklagte einen Sachverhalt schildern würde, der Anlass gäbe , darüber nachzudenken, ob eine andere, milder zu bestrafende Tat in Betracht kommt. Wie hier schon als Beispiel genannt wurde: Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge statt der von der StA angeklagte Mord.
Zu berücksichtigen ist beim StGB ja immer, dass der Täter (bei Vorsatzdelikten) die betreffende Tat auch bewusst und gewollt realisiert hat, bei Mord muss er ein Mordmerkmal verwirklicht haben. Diese subjektive Seite, also der Vorsatz, ist manchmal schwer herauszubekommen und zu beweisen, weil niemand einem anderen Menschen komplett ins Hirn schauen kann. Das Gericht muss bei der Frage, wie es mit dem Vorsatz beim Angeklagten aussah und der Angeklagte dazu nichts sagt, also meist auf andere Umstände zurückgreifen, um das festzustellen.
Ein Beispiel: Um sich wegen Mord oder Totschlag strafbar zu machen, muss der Täter den Tod des Opfers vorsätzlich verursacht haben, das bedeutet, ihm muss bewusst gewesen sein und er muss auch gewollt haben, dass seine Tat zum Tod des Opfers führen wird. Im Falle der Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB dagegen begeht der Täter die Körperverletzung zwar vorsätzlich, den Tod des Opfers aber will er nicht herbeiführen. Eine nicht seltene Konstellation ist ein – an sich nicht lebensgefährlicher – Schlag ins Gesicht oder ein Schubs, der dazu führt, dass das Opfer ungünstig fällt, sich stößt und an den Folgen des Sturzes dann leider stirbt.
Würde in so einem Fall die Anklage auf Totschlag oder gar Mord lauten, der Angeklagte, der als Beschuldigter geschwiegen hat, im Prozess dann aber sagen, er habe das Opfer lediglich schlagen, seinen Tod aber nicht verursachen wollen, würde das Gericht ggf. über die Bewertung der Tat als - milder bestrafte - Körperverletzung mit Todesfolge anstatt Totschlag oder Mord nachdenken.
Aber wie gesagt, das sind immer individuelle Entscheidungen, jeder Fall und jeder Prozess ist anders. Wie wichtig aber die Frage nach dem Vorsatz ist, sehen wir auch an dem Traunsteiner Fall: In der Mail an den StA macht sich Aßbichler Gedanken über das, was ST laut dem Zeugen M zu diesem (M) gesagt hat: dass nämlich ST Hanna zunächst nur bewegungsunfähig machen wollte, als er sie angriff, aber er wollte sie da noch nicht töten. Daher bis dahin (nur) gefährliche Körperverletzung.
Wenn ich das Gericht richtig verstehe, nimmt es das Entstehen des Tötungsvorsatzes und eines Mordmerkmals bei ST erst im weiteren Verlauf des Geschehens an, als St sich nämlich entschloss, Hanna zur Verdeckung seines Überfalls und der Körperverletzung in den Bärbach zu werfen, damit sie dort ertrinkt.