Rabunsel schrieb:Aussagen, die von einer Joggersichtung zu komplett anderen Zeiten oder anderen Örtlichkeiten berichteten, kamen im Prozess nicht zur Sprache, weil sie entweder nicht glaubwürdig waren, oder mit Handydaten etc. nicht übereinstimmten, oder weil der StA diese Sichtungen für nicht relevant hielt?
Genau. Oder weil es sie einfach nicht gibt.
Rabunsel schrieb:ndizien dafür, dass ein Jogger unterwegs war, sind also vorhanden. Da es nicht wahrscheinlich ist, dass um die Uhrzeit sehr viele joggen gehen, und sich ST als Jogger gemeldet hat, wird man davon ausgehen können, dass es sich um ST handelt.
Ja.
Rabunsel schrieb:Wahrscheinlichkeit wurde abgeklopft, durch die Analyse des Inhalts, die Fragen zum Zugang zu Zeitungen und auch seinem persönlichen Umgang mit der Wahrheit. Die Wahrscheinlichkeit ist dann Auslegungssache der RichterInnen?
Aber für ein Indiz dann insgesamt zu schwach oder?
Richtig, es ist allein Sache der Richter, die Glaubwürdigkeit zu prüfen. Bejahen sie die, ist das schon ein sehr wichtiges Indiz.
Rabunsel schrieb:Aussage von V zu Täterwissen: 1. Relevant
2. Belastungs-/Entlastungseifer liegt vermutlich abwechselnd beides vor. Beziehung zu Opfer vorhanden.
Möglichkeit: Der Bericht von V über Spaziergang etc. war nach Handyauswertung und Zeugenaussagen von Schwester und Freund so nicht möglich? Irgendein Gespräch war natürlich schon möglich.
Wahrscheinlichkeit: ????? Sprachnachricht an Schwester vs. Erinnerung am Weg zur Berufsschule, alles sehr dünn.
Wieder zu schwach um das als Indiz zu werten, oder?
Im Gegenteil, das ist eines der wichtigsten Indizien in diesem Fall. Das Gericht muss allerdings von der Richtigkeit der damit verbundenen Voraussetzungen überzeugt sein, also vor allem wann das Gespräch stattfand.
Rabunsel schrieb:Aussage von V zu Geständnis:
1. Relevanz fraglich. Ein schlechter Witz, oder Ironie ist nicht relevant.
2. Belastungs-/Entlastungseifer fraglich, Beziehung zu Opfer
Möglichkeit: Angaben zu Zeit und Ort konnten verifiziert werden, weitere Zeugen bestätigen Aussage
Wahrscheinlichkeit: weitere Zeugen bestätigen Aussage
Wäre am ehesten ein Indiz, aber nicht unbedingt tatrelevant.
Tatrelevant ist es schon. In wie weit man diese Aussage als ernstgemeint interpretiert oder als sarkastische Bemerkung ist die Frage.
Noch etwas zu einem Punkt, den ich hier schon seit Jahren beobachte und der leider immer wieder vorkommt. Der Unteschied zwischen "Beweis" und "Indiz." Oft scheint das so verstanden zu werden, als gäbe es zwei ganz verschiedene Dinge, das eine sieht grün und rund aus, das ist ein Indiz und das andere rot und viereckig, das ist ein Beweis, und beide liegen irgendwo an Tatorten herum. Das ist aber ganz falsch.
Im Prinzip gibt es nur Indizien, also Anzeichen dafür, das etwas Bestimmtes so ist wie angenommen. Und da gibt es nun ganz viele Arten von Indizien, relevante und irrelevante, starke und schwache.
Der Beweis ist das, was das Gericht in freier Würdigung nun aus dem oder den Indizien schliesst. Dabei kann es sein, dass ein einzelnes oder nur wenige Indizien zusammen einen nahezu 100% sicheren Beweis liefern: der Täter T wird von einer Kamera gefilmt, wie er das Opfer O. mit einem Hammer erschlägt. Den Hammer lässt er am Tatort zurück, an ihm werden Fingerabdruck und DNA des T. festgestellt.
Diese beiden Indizien allein, die Kamerabilder, auf den T zweifelsfrei erkennbar ist, und Fingerabdruck und DNA an der offensichtlichen Tatwaffe, sind so stark, dass das Gericht allein aus diesen wohl einen Beweis schliessen kann, der dann die Grundlage für das Urteil ist.
In anderen Fällen, der Mehrheit vermutlich, findet man eine ganze Reihe Indizien, die jedes für sich allein nicht genug sind, einen Beweis zu begründen. Beispiel: dass unser TV hier durch Aschau joggte. Irgendjemand hat mal den Begriff "Indizienkette" erfunden, die notwendig sei, um einen Beweis aus solchen Indizien zu machen: eine Vielzahl einzelner Indizien, jedes für sich nicht genug, können einen klaren Zusammenhang aufzeigen, der dann so stark wird, dass ein Beweis daraus entsteht.
Rabunsel schrieb:Darf ich dich noch nach deiner Beurteilung der Zeugenaussagen fragen, da du ja eher zu einer Verurteilung tendieren würdest und viel Praxiserfahrung hast?
Hm, das ist die 1000 Euro Frage. Fange ich mal bei dem "Knasti" an, wie er hier genannt wurde. Die Aussage ist sehr relevant und alles hängt von der Beurteilung der Glaubwürdigkeit ab. Inhaltlich gibt es nichts, was falsch ist.
Verenas Aussagen: m.E. steht und fällt das Verfahren mit diesen, vor allem eben dem Täterwissen am 3.10. Ich glaube schon, dass der TV ihr am 3.10. abends vom Tod einer Frau aus Aschau erzählt hat, und ich denke, sie ist danach etwas durcheinandergeraten, was Zeit und Ort der Aussage angeht, vermutlich als ihr bewusst wurde, welche Bedeutung das hat.
Das "Geständnis" im grossen Kreis (dann war ich es halt) ist schwierig zu beurteilen, ohne auf die anderen Indizien zu schauen: stände es ganz allein im Raum, würde ich es für eine sarkastische Aussage halten und keinesfalls für die Wahrheit. Da aber viele Indizien auf ihn als Täter deuten, ist es nicht ausgeschlossen, dass es eine eher verzweifelte Andeutung war, dass er wirklich der Täter sei. Sehr schwierig zu beurteilen.
Die vielen anderen Zeugenaussagen: Joggersichtungen, Schrei usw. erscheinen mir alle problemlos akzeptabel. Gleiches gilt für die Gutachten.