calligraphie schrieb:Deine Erläuterungen zum Prozedere deuten darauf hin, daß es nun eine Menge Zu tun gibt für evtl 7 ? Rechtsbeistände sowie die Staatsanwaltschaft und die EB.
Abseits und unabhängig vom medialen Hype.
Daher ist es mir oft unverständlich, dass von medialer Seite eine zeitnahe Prozess Eröffnung suggeriert wird und man " Härte des Gesetzes " und ähnliche populistische begrifflichkeiten verwendet .
Hinter den Kulissen geht die eigentliche Arbeit ja jetzt erst los. Da wird doch am Ende um jedes Wort und jede Sekunde des Tatablaufs gerungen .
Wenn ich jetzt schon Dinge lesen muss wie " er/sie/es war ein guter Junge oder eben nicht , dann ist das doch schon mal eine kleine Vorausschau , auf das, was noch kommt .
Wie erklärt man sich , dass so etwas privates, wie aussagen zu den Tatverdächtigen ( aus dem engen Umfeld) , schon jetzt öffentlich gemacht werden ? Das gehört doch eigentlich in den Gerichtssaal .
Hast du eine Antwort darauf , ob es hilfreich ist , dass sich ein Rechtsbeistand schon jetzt öffentlich zu seinem Mandanten äußert ? ( in dieser frühen Phase )
Und letzte Frage . Gibt es im deutschen Strafrecht eigentlich die Möglichkeit , einen evtl Prozess " abzukürzen " indem ein zB ein Angeklagter die ihm vorgeworfene Straftat einräumt . ( so eine Art deutsches plea Deal) ) um zB einen langwierigen Prozess zu vermeiden . Um zB Opferangehörigen oder Opfern ihre aussagen im Zeugenstand zu ersparen ?
Ist so etwas theoretisch denkbar ?
Ich selbst bin ein Strafverteidiger der nicht gerne seine Prozesse in der Presse führt. In der Regel ist das auch nicht notwendig, da die meisten Richter, die ich kenne, sich davon kaum beeinflussen lassen, was "draussen" in der öffentlichen Meinung so los ist. Manchmal kann es von Nutzen sein, aber ich bin eher jemand, der sagt: "wir sagen nichts bevor wir nicht im Gerichtsaal stehen."
Ja, man kann einen Prozess schon abkürzen, zum Beispiel durch ein ausführliches Geständnis. Das macht manchen Schritt in der Beweisaufnahme überflüssig. Allerdings muss die Anklage immer ihre zentralen Punkte beweisen, egal was der Angeklagte einräumt oder nicht. Bei einem Tötungsdelikt zum Beispiel die einfache Tatsache, dass tatsächlich jemand getötet wurde. So wird dieser Punkt immer ein Punkt in der Beweisaufnahme sein, selbst wenn der Angeklagte alles zugibt.
Das muss man aber sehr unterscheiden von einem "plea deal," wie man ihn aus der amerikanischen Rechtsprechung kennt. Da geht es oft um die Vermeidung eines Prozesses und als Gegenleistung des Staates gewissermassen eine geringere Bestrafung. Also tatsächlich um einen "deal," einen Handel. Das gibt es so in der deutschen Rechtsprechung nicht. Aber z.B. kann ein Angeklagter einem Opfer eine ausführliche Aussage ersparen, wenn er die Tat vollumfänglich zugibt, zum Beispiel bei einem Vergewaltigungsprozess. Das kann das Gericht insofern belohnen, indem es eventuell beim Strafmass ein wenig niedriger ansetzt. Man begibt sich da aber schnell in einen Bereich, der eigentlich nicht gern gesehen wird, eben in den Bereich des "Handelns."
rhapsody3004 schrieb:Ab dem Moment, wo Georg wusste, was Tom an Ottokar plant, müsste sich Georg doch eigentlich in die Garantenstellung begeben haben und anstatt die Tat von Tom zu verhindern, ließ er sie geschehen, unternahm nichts um Ottokar zu helfen bzw. den Erfolg von Tom an Ottokar abzuwenden oder sehe ich das falsch?
XY durch Unterlassen ist ja noch mal ein anderes Kaliber als nur Beihilfe zu XY.
So schnell ergibt sich eine Garantenstellung, hier ja höchstens durch Ingerenz gegeben, aber nicht. In der Regel spielt das in der deutschen Rechtsprechung eine recht untergeordnete Rolle.
rhapsody3004 schrieb:Erst mal unabhängig davon, ob es nun vorher ein gegenseitiges Schubsen oder nur ein einseitiges Schubsen von Gruppen-Seite ausgehend gegeben hat - ändert trotzdem nichts daran, dass der Schlag vom Haupttäter gegen das Opfer ungerechtfertigt erfolgt ist und anhand Aufnahmen sogar ersichtlich werden soll, dass das Opfer vorher sogar noch zurückgewichen ist anstatt einen vermeintlich vorausgegangen "gegenwärtigen Angriff" vom Opfer und dadurch lediglich nur eine Abwehr vom Haupttäter herzuleiten bzw. anzunehmen.
Soweit das in der Beweisaufnahme bestätigt wird, ist das richtig. Man sollte hier nicht gleich in Schnappatmung verfallen: ein Rempler, ein Schubser des Opfers berechtigt noch lange nicht den Täter zu einer Gewaltanwendung. Normalerweise können die Gerichte mit solchen Szenarien ganz vernünftig umgehen, im Gegensatz zur Boulevardpresse.
rhapsody3004 schrieb:Letzendlich und so traurig dieser Fall auch ist, sollten wir aber auch dankbar für unseren Rechtsstaat sein und auch dankbar dafür, dass es jede Seite ( EB und Zuspieler+Ankläger sowie auch Verteidiger und Richter/Gerichte in verschiedenen Instanzen) gibt und wir auch im Fall Augsburg den Verteidigern aller sieben eine wichtige Daseinsberechtigung zugestehen müssen.
So ist es. Danke
:)trailhamster schrieb:Es gibt übrigens Heerscharen von Juristen, die ihm herzlich seinen Rentnerstatus gönnen.
Ja, allerdings
:troll:Das bringt mich nun zum Kollegen Fischer. Ich bin ja erfreut, dass er offensichtlich von mir abgeschrieben hat, da ich ja einen Tag vor ihm schon hier die juristische Dimension dargestellt habe
:trollking: Leider mischt er aber immer seine durchaus vorhandenen juristischen Kenntnisse gerne mit seiner eigenen, meist politischen, Meinung, und die muss man natürlich nicht teilen.
rhapsody3004 schrieb:Es ist wirklich schlimm dass hier besondere Betroffenheit geschaffen werden soll - nur wegen des Beamtenstatus und des Berufes an sich. Furchtbar.
Und ein (Toter)Obdachloser wäre wohl schnell wieder vergessen worden oder was? Zumindest von der Öffentlichkeit. Schlimm. Einfach nur schlimm.
Das ist ein interessanter Aspekt. Ich befürworte schon, ein Opfer möglichst individuell und umfassend in seiner Persönlichkeit darzustellen, und dabei durchaus auch einmal auf gewisse Unterschiede hinzuweisen, z.B. zwischen einem Menschen, der sein Leben in den Dienst der Allgemeinheit gestellt hat im Unterschied zu einem Täter, der vielleicht eher durch das Gegenteil aufgefallen ist. Das sollte man auch in der Rechtsprechung würdigen. Inakzeptabel wird es aber z.B. dann ganz schnell, wenn das Opfer abqualifiziert wird: an Deinem Beispiel ist die Gefahr gross, z.B. zu sagen "na ja, war ja nur ein Obdachloser, bestimmt ein Trinker, usw usw. Deshalb sollte man bei diesen Dingen eher enge Grenzen wahren. Sonst landet man schnell wieder in unseligen Zeiten, als Prostituierte z.B. als Opfer einer Vergewaltigung einen extrem schweren Stand vor Gericht hatten usw.
Andante schrieb:Bevor irgendeine juristische Bewertung erfolgen kann, muss erst einmal klar sein, was sich abgespielt hat, das heißt welcher Tatverdächtige konkret wann was gemacht und sich was dabei gedacht hat.
Juristische Bewertungen sind also wie immer erst möglich, wenn man den äußeren Geschehensablauf kennt und weiß, welche Vorstellungen der jeweilige TV dazu hatte.
Dein Wort in aller Forenkommentatoren Ohr
:)Wie ich gestern schon versucht habe darzustellen ist dieser Fall keineswegs so einfach und klar, wie es die Presse gerne hätte. Das nimmt auch der Schwere der Schuld nichts. Ich persönlich habe z.B. Zweifel, ob die Staatsanwaltschaft wirklich einen Totschlag beweisen kann, also den Vorsatz der Tötung. Das bedeutet aber eben nicht, wie ich gestern schon sagte, dass man dem Haupttäter damit eine geringere Schuld einräumen muss. Dass Gericht kann ohne Probleme die Schuld im Rahmen unserer Gesetze adäquat bestrafen, wenn es "nur" eine Körperverletzung mit Todesfolge feststellt. Es kann in diesem Fall durchaus die gleiche Strafe verhängen, die es auch bei einem Schuldspruch für einen Totschlag verhängt hätte. Der Gesetzgeber räumt ihm hier viel Flexibilität ein.
Genauso skeptisch bin ich, ob sich der Vorwurf der "Beihilfe zum Totschlag" aufrecht erhalten lässt, denn hier muss es sogar zwei Vorsatzarten feststellen. Aber auch hier gilt wieder: das Strafrecht gibt dem Gericht genug Flexibilität, die eventuelle Schuld der Gehilfen individuell festzustellen.
Einzig in der Frage der U-Haft macht es einen Unterschied.
Und die Frage der Beihilfe zum Totschlag bezieht sich eben nur auf die Tat an Opfer Nr. 1, dem Feuerwehrmann. Selbst wenn hier keine Beihilfehandlung festgestellt werden kann, müssen sich die Beschuldigten auch noch dem Vorwurf der gefährlichen KV an Opfer Nr. 2 stellen. Noch braucht also niemand sich aufregen, dass eventuell jemand "ungestraft davonkommen" kann.
Und sollte sich herausstellen, dass dem einen oder anderen Beschuldigten gar kein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden kann, sollten wir doch froh sein, dass diese Person dann freigesprochen wird, bzw. das Verfahren dann eingestellt wird. Oder?