fleetwood schrieb:Und dieser Anwalt sagt auch " es waren alle sieben an diesen schlägen auf den zweiten mann beteiligt"
Basilica schrieb:Keiner von uns kennt das Überwachungsvideo. Wir wissen, nicht was darauf zu sehen ist, was man als Beihilfe auslegen könnte. Vielleicht befeuern die restlichen Jugendlichen den Haupttäter mit Rufen, vielleicht klatschen sie, vielleicht wird als Beihilfe auch einfach angesehen, dass sie verhindern, dass das 2. Opfer dem ersten zur Hilfe kommt. Wir wissen es nicht. Aber die Staatsanwaltschaft wird sicher nicht ohne triftige Gründe 6 Menschen wegen Beihilfe zum Totschlag anklagen.
Richtig. Hier in diesem Thread läuf soviel durcheinander, ich will einmal versuchen, all das zu sortieren.
Es gibt in diesem Fall zuf jeden Fall eine juristische Ebene, denn es ist allem Anschein nach zu mindestens zwei verschiedenen Straftaten gekommen, es gibt zwei verschiedene Opfer. Theoretisch können noch weitere Straftatbestände verwirklicht worden sein, aber diese beiden Opfer und die an ihnen begangenen Straftaten stehen naturgemäss im Mittelpunkt.
Dann gibt es freilich auch eine politische Dimension, zu der hier auch schon viel geschrieben wurde. Ich will mal beides trennen und aus meiner Expertise mich ausschliesslich mit der juristischen Ebene befassen.
Wie gesagt, es gibt hier relativ offensichtlich zwei verschiedene Taten. Einmal wurde das erste Opfer tödlich verletzt, dann wurde das zweite Opfer verletzt. Die vermutlichen Täter können an einer der beiden oder beiden Taten beteiligt gewesen sein. Das zu klären wird anscheinend durch die Videoaufnahmen sehr erleichtert.
Zu jeder einzelnen Straftat gibt es wiederum verschiedene Ebenen eines schuldhaften Verhaltens: man kann der direkte Täter, oder "Haupttäter" sein, man kann Anstifter, Mittäter oder Helfer sein.
Schauen wir uns also zuerst Tat Nr.1 an, das Tötungsdelikt zum Nachteil des Feuerwehrmannes. Hier gibt es offensichtlich einen Haupttäter: das ist der, der den tödlichen Schlag versetzt hat. Den Presseinformationen nach kann man schliessen, dass der Schlag selbst unmittelbar zum Tode führte, nicht ein dem Schlag folgendes Fallen, Stossen usw. Soweit jedenfalls die öffentlichen Informationen. Dann haben wir also einen Haupttäter.
Diesem wird derzeit Totschlag vorgeworfen. Totschlag ist eines von verschiedenen möglichen Tötungsdelikten. Im Unterschied zur fahrlässigen Tötung ist für Totschlag zwingend erforderlich, dass man dem Täter einen Vorsatz hinsichtlich des Taterfolgs nachweist, mit anderen Worten: der Täter hat den Tod des Opfers "gewollt."
Beim Vorsatz allerdings unterscheiden Juristen nicht nur diesen allgemeinverständlichen Vorsatz - "ich
will dass das Opfer stirbt," sondern auch den sogenannten bedingten Vorsatz, bei dem gilt, dass dem Täter die
Möglichkeit und in gewisser Weise auch die Wahrscheinlichkeit, dass sein Handeln den Tod hervorruft bekannt ist, und dass ihm dieses Risiko egal ist. Juristisch gesagt: er "will" nicht unbedingt den Tod des Opfers, aber er billigt, dass es möglich oder sogar wahrscheinlich ist, dass seine Tat den Tod verursacht.
Nur bei Vorliegen dieses Vorsatzes, so oder so, kann der Täter wegen Totschlag verurteilt werden. Liegen ausserdem noch sogenannte Mordmerkmale vor, die nachgewiesen werden müssen, könnte die Tat auch als Mord verurteilt werden.
Im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft nun das Problem, eben diesen Vorsatz nachweisen zu müssen. Ob sie das kann wird sich aus den Videoaufnahmen, aus Zeugenaussagen, der eventuellen Einlassung des Täters und eventuell aus der Art und Weise der Tatausführung ergeben.
In diesem Fall ist es m.E. nicht unbedingt sicher, dass es der Staatsanwaltschaft gelingen wird. Hätte der Täter zum Beispiel eine Schusswaffe oder eine Stichwaffe benutzt, wäre es sehr viel leichter, da man hier fast immer zumindest einen bedingten Vorsatz erkennen kann: wer auf eine andere Person schiesst oder einsticht, muss sich des Risikos, diese zu töten in der Regel bewusst sein, und wenn er die Tat ausführt, kann man davon ausgehen, dass er das Ergebnis mindestens billigend in Kauf genommen hat.
Hier nun ist der Tod anscheinend durch einen Faustschlag eingetreten. Da wird das schon schwieriger, denn man kann argumentieren, dass man nicht damit rechnen muss, dass ein Mensch durch einen einzigen Schlag ins Gesicht sterben wird.
Der Gesetzgeber ist sich dieser Problematik bewusst gewesen und hat daher auch einen Tatbestand geschaffen, den man "Körperverletzung mit Todesfolge" nennt. Hier ist der Vorsatz, das Opfer zu verletzen immer noch notwendig nachzuweisen, aber ein Vorsatz, es zu töten, ist nicht notwendig.
Das Strafmass ist, wenn man von den Minima absieht, hier gleich. So hat der Gesetzgeber erreicht, dass man die schreckliche Tatfolge, den Tod eines Menschen, adäquat bestrafen kann.
Das ist m.E. wichtig zu begreifen: zwar klingt die "KV mit Todesfolge" irgendwie harmloser als "Totschlag," aber das ist nicht so. Das Gericht kann in beiden Fällen die gleiche Strafe verhängen, z.B. 7 Jahre Freiheitsstrafe (bei einem Erwachsenen).
Soweit zum Haupttäter und seiner ersten Tat.
Dann kommen wir erst einmal zur zweiten Tat: der Körperverletzung am Opfer Nr. 2
Dieses hat zum Glück die Tat überlebt und die Staatsanwaltschaft sieht derzeit wohl keine Tötungsabsicht bei den Tätern. Nach Aussage des einen Verteidigers eines der Beschuldigten, sollen alle Tatverdächtigen sich hier "beteiligt" haben. Interpretiert man das so, dass jeder einzelne dem Opfer zumindest einen Tritt, einen Schlag etc. verpasst hat, liegt hier eine Körperverletzung vor.
Das Gesetz qualifiziert diese dann eventuell noch als "schwere," oder als "gefährliche" oder als beides. Eine "schwere KV" liegt vor, wenn bestimmte Tatfolgen eingetreten sind. Eine "gefährliche" liegt vor, wenn bestimmte Merkmale bei der Tatausführung festgestellt werden, z.B. wenn sie gemeinschaftlich begangen wird. Hier muss man also die Begriffe tunlichst auseinanderhalten. Eine KV kann auch dann "gefährlich" sein, wenn sie nur ein relativ harmloser Faustschlag war, der keinen grösseren Schaden angerichtet hat. Der Gesetzgeber sagt hier, die Art der Tatausführung beinhaltet die Gefahr, dass eben doch grösserer Schaden angerichtet werden kann, auch wenn er zum Glück nicht eintritt. Das Strafmass ist demenstprechend höher als bei einer "einfachen" KV.
Haben im vorliegenden Fall nun alle sieben Tatverdächtigen gemeinsam auf Opfer Nr. 2 eingeschlagen oder eingetreten, dann liegt aller Voraussicht nach eine "gefährliche" KV vor, auch wenn z.B. einer der Täter nur einen relativ sachten Schlag verübt hat.
Soweit zur Tat Nr. 2
Kompliziert wird es dann, wenn es um die Frage der Anstiftung, der Mittäterschaft oder der Beihilfe geht.
Hier reicht es leider nicht, sich einfach die gesetzlichen Bestimmungen anzuschauen, man muss auch wissen, wie der BGH diese Dinge definiert hat.
Mittäter ist derjenige, der seinen Tatbeitrag so in die Tat "einfügt," dass er als Teil der Handlung des Haupttäters anzusehen ist. Sind es z.B. zwei Täter und einer hält das Opfer fest, damit der andere ohne Gegenwehr einen Schlag versetzen kann, so sind beide dermassen an der Tat beteiligt, dass man beiden den gleichen Tatvorwurf machen kann. Derjenige, der das Opfer festhält ist in diesem Fall der Mittäter. Wichtig ist dabei auch die Absicht des Mittäters.
Ein
Anstifter ist jemand, der den Taterfolg will und bei dem Haupttäter durch sein Verhalten den Tatentschluss bewirkt. Einfaches Beispiel: Zwei Täter stehen dem Opfer gegenüber und der Anstifter ruft dem anderen Täter zu: "Schlag ihn!" worauf dieser den Schlag ausführt. Der Anstifter kann genau wie der ausführende Täter bestraft werden.
Nun kommen wir zum
Helfer. Das ist der komplizierteste Fall. Der Beihilfe schuldig ist jemand, dessen Tatbeitrag nicht so zentral ist, dass er Mittäter oder Anstifter ist. Dem Gehilfen muss zweierlei Vorsatz nachgewiesen werden: erstens muss er den Taterfolg der Haupttat wollen, und er muss wollen, dass sein Beitrag dem Haupttäter hilft.
Beispiel: Tom läuft hinter Ottokar her, um ihm mittels seiner Fäuste eine Abreibung zu verpassen. Georg sieht das Ganze und stellt Ottokar ein Bein, der daraufhin zu Boden fällt. Das bewirkt, dass Tom Ottokar nun erreicht und verprügelt. Um Georg als Gehilfen zu bestrafen muss ich nachweisen, dass er dem Ottokar absichtlich das Bein stellt, um diesen an der Flucht vor Tom zu hindern, und er muss wollen, dass Tom den Ottokar verprügelt.
Kann Georg glaubhaft machen, dass er nur selbst dem wütenden Tom ausweichen wollte, und dabei unglücklicherweise dem Ottokar ein Bein stellte, ist er kein Gehilfe. Kann er glaubhaft machen, dass er dem Ottokar zwar ein Bein stellen wollte, weil er es lustig fand, aber dass er keine Ahnung hatte, dass Tom hinter dem Ottokar herlief, um ihn zu verprügeln, ist er auch kein Gehilfe des Tom.
Der BGH sieht nicht nur physische Aktionen als Beihilfe, hier also z.B. das Bein stellen, sondern durchaus auch
psychische Unterstützung des Täters als Beihilfe unter bestimmten Umständen an. Dem BGH reicht es oft, dass die Handlung des Gehilfen die Haupttat irgendwie bewusst fördert. Beispiel: Georg sieht die beiden anderen, er begreift, dass Tom den Ottokar verprügeln will, aber er ist sich nicht sicher, ob Tom den Ottokar erreichen wird. Da ruft er dem Tom zu: "hier entlang" und zeigt ihm eine Abkürzung, durch die es dem Tom ermöglicht wird, den Ottokar einzuholen. Das kann reichen um ihn als Gehilfen anzusehen.
Der Gehilfe wird milder bestraft als der Haupttäter.
Die Grenzen zwischen Beihilfe, Anstiftung oder gar Mittäterschaft können aber sehr fliessend sein und es kommt auf eine genaue Betrachtung der Tatumstände an.
In unserem Fall bezüglich Tat und Opfer Nr. 1 kann es also durchaus reichen, dass die anderen Beteiligten die Absicht des Haupttäters realisiert haben, und durch ihr Verhalten dem Haupttäter die Tat ermöglicht oder erleichtert haben. Ob sich eine Beihilfe zum Totschlag am Ende nachweisen lässt, kann man m.E. aus den bisher vorliegenden Informationen hinsichtlich der Tatverdächtigen noch nicht sagen.
Soweit eine relativ kurze Darstellung der juristischen Ebene. Damit müssen sich jetzt die Staatsanwaltschaft, das Gericht und natürlich auch die Verteidiger und Tatbeteiligten etc. befassen.