Wenn ich die nachfolgenden Zeilen aus der BZ lese, stellen sich mir viele Fragen.
"Bereits im Herbst 2020 hatte die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin ein Ermittlungsersuchen an den Internet-Riesen Google Europa in Dublin (Irland) gestellt."
„Google lieferte im Frühjahr 2021. Einen USB-Stick. Aufwendig verschlüsselt. Die Decodierung dauerte über zwei Jahre. Eine Sozialabteilung der Kriminaltechnik (KT) brauchte so lange, weil der Vermissten-Fall Rebecca kein aktuelles Verbrechen mit sogenannter Eilbedürftigkeit war."
Quelle:
https://www.bz-berlin.de/berlin/das-verraet-google-ueber-den-fall-rebecca1. Wie konnte die Staatsanwaltschaft schon kurz nach Rebeccas Verschwinden zu ihrem dringenden Tatverdacht gegen den Schwager kommen, obwohl seine Neigung für Fesselpornos damals noch nicht bekannt war?
2.Weshalb kommen die Ermittler erst im Herbst 2020 auf die Idee, mal bei Google nachzufragen?
3. Natürlich hat Google die Daten vorsorglich verschlüsselt, aber sicher haben sie der Staatsanwaltschaft auch den zugehörigen Schlüssel geliefert. Mussten die Spezialisten der Kriminaltechnik wirklich mehr als zwei Jahre lang mit aufwändigen Kryptoverfahren die Daten entschlüsseln?
4. Haben denn die Daten von Google auch verwertbare Hinweise erbracht, wie beispielsweise die Suche des TV nach nach passenden Verbringungsorten?
5. Hat er etwa nach speziellen Informationen gesucht, wie sie hier im Forum ausgetauscht wurden, damit er beispielsweise wissen konnte, wie lange eine Leiche liegen darf, damit man sie noch in einem Auto transportieren kann, ohne dass Hunde ihre Spur aufnehmen können?
6. Weshalb ist aus Kreisen der Ermittler nur die völlig wertlose Informations durchgesickert, dass der TV nach Strangulation und Pornos gegoogelt haben soll?
Was ist eigentlich von offizieller Seite zu den Inhalten der Google-Dateien gesagt worden?
Die Durchstecherei aus Ermittlerkreisen lieferte dem Berliner Kurier jedenfalls die Basis für seine
Schlagzeile
"Rebeccas Schwager googelte nach Fesselsex-Pornos"
vom 23.05.2023, die m.E. keinen anderen Zweck hatte, als eine Vorverurteilung des TV in der Leserschaft herbeizuführen.
Schön zusammengefasst hat zuletzt
@watnu, wie Skandalös die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei im Fall Rebecca schon 2019 beurteilt wurde.
watnu schrieb:Details, die nach der Durchsuchung in den Medien veröffentlicht wurden, zeigen m. E., dass die Kritik der "Vereinigung Berliner Strafverteidiger" und der u. g. Gastkommentar von Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler (u. a. Öffentliches Recht + Medien- und Telekommunikationsrecht) nach wie vor aktuell sind:
Kommentar von Prof. Boehme-Neßler: "Der Fall Rebecca - Die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei ist ein Skandal"
[...] Völlig rechtsstaatswidrig ist aber die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei
in den letzten Tagen. Um es klar zu sagen: Sie ist ein Skandal.
[…]
Im Rechtsstaat muss jeder so lange als unschuldig angesehen werden, bis er von einem Gericht
rechtskräftig verurteilt worden ist. […] Im Gesamtbild geben die Informationen, die die Polizei verbreitet, aber ein ganz anderes Bild. […]
Jeder, auch ein Unschuldiger, kann schnell in Verdacht geraten. Ob an einem Verdacht wirklich etwas dran ist, wird in einem akribischen und rechtsstaatlichen Verfahren geklärt. Die Richter drehen buchstäblich jeden Stein um und suchen nach der Wahrheit. Erst wenn das Gericht in letzter Instanz keinen Zweifel mehr an der Schuld hat, endet die Unschuldsvermutung. Mit ihrer aktuellen Pressearbeit im Fall Rebecca tritt die Polizei die Unschuldsvermutung mit den Füßen. Sie stellt den Schwager des verschwundenen Mädchens an den Pranger.
Auch der übelste Verbrecher, der rechtskräftig verurteilt ist, hat Grundrechte, die der Staat nicht
verletzen darf. Das gilt natürlich erst recht für Menschen, die nur unter Verdacht stehen.
Quelle: https://www.welt.de/debatte/kommentare/article189933719/Fall-Rebecca-Die-Oeffentlichkeitsarbeit-der-Polizei-ist-ein-Skandal.html
Dass die Polizei unter Druck stehe und die Öffentlichkeit ganz schnell Ergebnisse erwarte, rechtfertige nicht die skandalöse Informationspolitik der Berliner Polizei. Diese sei "ganz gewiss kein Mittel, das im Rechtsstaat erlaubt ist", so Prof. Boehme-Neßler.
Scharfe Kritik enthält auch die Presseerklärung der "Vereinigung Berliner Strafverteidiger", in der sowohl die Presse aufgefordert wird, die mediale Vorverurteilung des TV einzustellen,
[...] wie wir die Strafverfolgungsbehörden auffordern, die Durchstechereien nicht nur zu stoppen, sondern aktiv dem Eindruck entgegenzuwirken, das mediale Treiben sei für sie tolerabel. […]
Quelle: https://www.strafverteidiger-berlin.de/wp-content/uploads/2019/03/Presseerkl%C3%A4rung.pdf
Die aufmerksamkeitserheischenden Darstellungen und Spekulationen untergraben,
was der Rechtsstaat um seiner selbst willen garantieren will und soll:
Unvoreingenommenheit und Fairness gegenüber einem Verdächtigten.
Es ist auch an der Staatsanwaltschaft, die nach unserer Einschätzung keine Quelle derartiger Berichterstattung ist, dem rechtswidrigen Treiben von mindestens Teilen der Ermittler entgegenzutreten. Diese korrumpieren im Umgang mit der Presse die Verfahrensfairness möglicherweise irreparabel. Die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren mahnen hierzu aus gutem Grund in RiStBV Nr. 23 an, dass die Unterrichtung von Medien durch die Ermittler weder den Untersuchungszweck gefährden noch dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorgreifen dürfe und der
Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren nicht beeinträchtigt werden darf. [...]
Quelle: https://www.strafverteidiger-berlin.de/wp-content/uploads/2019/03/Presseerkl%C3%A4rung.pdf