SherlockJames schrieb: Zum Video an sich: Die Spielothekszene lässt vermuten, dass er, wie hier schon gesagt wurde, eher zum Aufwärmen und Käffchen trinken vorbeikam. Der Automat zeigt ja auch nur 5 cent Einsatz.
Das alleine zeigt aber, dass er durchaus unter seiner Obdachlosigkeit litt (was ja auch klar ist). Er konnte sich ja auf dem Friedhof nicht allzuwohnlich einrichten - also eine Infrastruktur schaffen, die grundlegende Probleme (Licht, Sitzgelegenheit, Wärme) behoben. Es macht eben auch einen Unterschied, ob du sechs oder zwölf kalte Stunden überbrücken musst.
Prinzipiell bleiben ja mehrere Möglichkeiten (bei Obdachlosigkeit):
(a) Du kannst dir selbst helfen (Rücklagen, Erwerb einer Wohnung, Anmietung einer Bleibe in der Wallachei)
(b) Dein soziales Umfeld hilft dir, bis du wieder auf den Beinen bist (Familie, Freunde)
(c) Du findest eine semi-legale Lösung (z.B. kaufst einen Wohnwagen, mietest einen Schrebergarten an, wohnst
dort heimlich, schläfst im Zelt, erfindest eine "cover up story" und mietest ein Air BnB)
(d) du nimmst staatliche Hilfen in Anspruch
(e) du bist tatsächlich obdachlos.
Er scheint ja eine Kombination aus e und b praktiziert zu haben, wobei b wohl sehr eingeschränkt war. Die Frage ist eben auch, wie arbeitsfähig er generell war. Es ist eben auch ein Unterschied, ob du mal einen Tag die Woche unter Aufsicht eines Freundes aushilfst oder wirklich 40 Stunden+ buckelst.
Es gibt vermutlich auch nicht viele öffentliche Orte, die abends einen Aufenthalt von mehreren Stunden zulassen - Bibliothek hatte geschlossen, Kirchen sind geschlossen, Bahnhof wird vermutlich kontrolliert. Da blieb vermutlich nur die Spielothek.
SherlockJames schrieb:Zudem bringt das Video ja klar zum Ausdruck, dass Herr Straten wieder zurück ins Geschäft kommen wollte aber noch nichts Spruchreifes in Planung war. Ich glaube ehrlich gesagt, dass das eher ein Wunschtraum war von ihm und er nicht loslassen konnte von damals.
Realistisch war er 20 Jahre obdach- und erwerbslos - klar, man erinnert sich da an "bessere" Zeiten und träumt davon, wieder nahtlos an diese Zeiten anknüpfen zu können. Das ist ja bei vielen Leuten zu erkennen: sie sprechen von der Blütezeit ihres Lebens, mit einer Sehnsucht und oft ohne die Realisierung, dass dieser Zug abgefahren war.
Vermutlich war die Beibehaltung des alten Bekanntenkreises, das gelegentliche Arbeiten, der Besuch der Cafés und das Bioessen sowie die gelegentlichen Geldspenden schon eher ein Versuch, sich selbst vorzumachen, dass man wieder anknüpfen kann. Tatsächlich war es doch so - dass (wenn es ernsthafte Versuche gab), diese zwei Jahrzehnte lang gescheitert sind (aus welchen Gründen auch immer).
Misetra schrieb:Dieser User ist seither abgetaucht bzw. postet nicht mehr unter diesem Namen. Er war mit Kumpels zeitnah zum Mord am Tatort. Wie das einzuordnen ist, überlasse ich der Kripo. Dass da ein anderer Obdachloser Seite an Seite mit Herrn Straten schlief, wurde nicht nachgewiesen, und ich glaube das auch nicht, nach allem, was ich über Herrn Straten bisher gehört habe.
Es ist schwierig, das einzuordnen. Die Polizei wird da mehr wissen. Aber siehe oben - ich denke, viele Obdachlose haben da ihre eigene Taktik, die vermutlich auch vom eigenen Gesundheitszustand, den Möglichkeiten und den eigenen Vorlieben abhängt.
Es war ein geschützter Platz, allerdings sehr einsam, dafür wieder relativ zentral. Straten selbst schätze ich nicht so ein, dass er es begrüßt hätte, wenn jemand bei ihm "eingezogen" wäre. Bei uns auf dem Schulhof übernachten immer wieder Wohnungslose auf einem Lüfungsschacht, die auch immer zu zweit und dritt unterwegs sind - aus Sicherheitsgründen für sie, da sie sich schon bewusst sind, dass sie nachts ziemlich wehrlos sind.
Zudem sind solche alten Gemäuer gerade um die Jahreszeit auch ziemlich klamm und nass-kalt, also ziemlich problematisch, da zu schlafen, daher kann ich mir vorstellen, dass das nun (v.a. im Winter) kein besonders beliebter Ort war. Zudem war Straten da sicher geduldet, weil er ruhig war und keine Gelage etc. veranstaltete.
CaiaLia schrieb:Ich hab', ehrlich gesagt, auch noch nie gesehen, dass ein Friedhofsgärtner sein Arbeitsmaterial liegen hätte lassen...aber kommt sicherlich mal vor.
Ich auch nicht - so gutes Gartengerät ist teuer und leider ist es ja heute so, dass Dinge öfter mal "Füssle" bekommen. Im Gegenteil: Bei uns kosten nun schon Friedhofsgießkannen 2€ Pfand und sie verschwinden immer noch.
FritzPhantom schrieb:Na ja, jemand schrieb vorher mal, ein Spaten würde funktionieren. Straten lag ja auf dem Boden und hielt still.
Aber auch nur, solange er da liegt. Sonst wäre es eher ein Erschlagen geworden als ein Köpfen - zudem so ein Spaten ja einen sehr kurzen Stil hat - d.h. du musst dann sehr nah hin - was für dich als Täter sehr gefährlich ist.
Du weißt ja als Täter nicht, wie die Tat laufen wird - Herr Straten war ja nicht durch Drogen und Alkohol bedudelt ... so viele Leute werden sich nicht dahin verirrt haben und ob der Täter ohne externe Lichtquelle genug Licht hatte? Es kann durchaus sein, dass er schon Sekunden vor dem Angriff aufmerksam wurde, sich aufsetzte, versuchte, zu entkommen.
inspektor schrieb:"Die Echse" war wohl gemeint wie "der Schleicher". Vielleicht fand man ihn in seiner Art verdächtig. Man konnte ihn nicht einordnen. Aber als Motiv kann ich mir nur einen Streit vorstellen.
Ich denke, er war in jeder Szene ein Exot. Er hatte bestimme bürgerliche Elemente beibehalten, aber die Obdachlosigkeit passte natürlich nicht. In der Obdachlosenszene passten die bürgerlichen Elemente nicht.