@OliverCromwell Nach eingehenden Versuchen am Objekt melde ich mich hier zu dieser Fragestellung nochmal:
OliverCromwell schrieb am 08.02.2022:Mal eine Frage an unsere Waffenexperten: ist es bei der Browning möglich, bei durchgezogenem Abzug, das Magazin vollständig einzuführen und einrasten zu lassen?
Das war nämlich so "auf die Schnelle" gar nicht zu prüfen, da das, was möglicherweise in diesem Hotelzimmer in Oslo gemacht wurde, bei der Konstruktion der Waffe keine Rolle spielte. Diese Situation ist einfach bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht vorgesehen.
Daher ist diese Antwort nur bedingt richtig und geht an der Fragestellung vorbei.
PrivateEye schrieb am 09.02.2022:Ja natürlich. Das System hat trotzdem eine Sicherheitsrast, "scharf" wird das ganze erst wieder, wenn der Abzug nach vorne kommt, also entlastet wird. Dann erst kann er auch wieder den Hahn auslösen.
Was
@PrivateEye hier anspricht ist lediglich die Tatsache, dass die FN "High Power" eine
halbautomatische Selbstladepistole ist. Sie gibt bei durchgezogenem Abzug kein Dauerfeuer ab. Das hat primär mit dem Entnehmen und Wiedereinrasten des Magazins nichts zu tun.
Aber der Reihe nach, denn ich war vom Ergebnis meiner Untersuchung bzgl. des Magazins selbst überrascht.
Wenn im Weiteren von Patronen, Hülsen und Ladezuständen die Rede ist, sind hier immer Exerzierpatronen gemeint, die ich verwendet habe, um die mechanischen Vorgänge gefahrlos durchzuführen. Wenn ich vom "Schuss" schreibe, hat es natürlich nicht geknallt. Niemals beim Hantieren mit Waffen die Sicherheit vernachlässigen.
Ablauf unseres gedachten Szenarios:
1.) Waffe mit einem Magazin mit mehreren Patronen geladen, nicht durchrepetiert, keine Patrone im Patronenlager ( Lauf ). Normaler Transportzustand sozusagen. Der angenommene Täter kann aber auch mit 2.) angefangen haben.
2.) Waffe wie oben, nur durchrepetiert, also mit einer Patrone im Lauf. Vor der Schussabgabe muss jedenfalls der Hahn gespannt worden sein.
3.) Schuss. Abzug wurde festgehalten um die angefragte Situation darzustellen. Waffe ( von Hand ) repetiert, dabei wird automatisch die Hülse ausgeworfen, eine neue Patrone aus dem Magazin in den Lauf befördert, der Hahn gespannt. Erwartungsgemäß blieb der Hahn gespannt, es wurde kein weiterer Schuss ausgelöst ( siehe oben,
halb automatische Selbstladepistole ).
4.) Magazin mit weiterhin durchgezogenem Abzug gelöst und entnommen, kein Problem.
5.) Magazin mit weiterhin durchgezogenem Abzug wieder eingeführt und eingerastet. Der Hahn blieb weiterhin gespannt, es löste sich kein Schuss.
6.) Abzug losgelassen, entsprechend der Situation, wie bei der Auffindung, als der Polizist der Toten die Waffe abnahm. Der Abzug kam nach vorne, es klickte und die Waffe war wieder feuerbereit. Als ich zur Überprüfung der Funktion jetzt abdrückte, wurde der Schuss erwartungsgemäß ausgelöst. Die zwischenzeitliche Entnahme und Wiedereinführung des Magazins hatte darauf keinen Einfluss.
Einschub:
Das Klicken, das ertönt, wenn der Abzug wieder nach vorne kommt und einrastet ist, wie schon erwähnt,
sehr leise. Wenn der Polizist das gehört haben will, muss er sich sehr darauf konzentriert haben und evtl. weitere anwesende Personen müssen quasi die Luft angehalten haben. Der Weg von "Abzug durchgezogen gehalten" bis zu diesem "Klick" beträgt übrigens ( bei der Gelegenheit mal gemessen ) knapp 4 mm. Die bitte im Kopf behalten.
Bis hierhin hat sich die Waffe so verhalten, wie man es von einer technisch einwandfreien und gut gepflegten FN erwartet.
Bezüglich dieser Fragestellung:
OliverCromwell schrieb am 09.02.2022:Daher versuche ich gedanklich die Situation durchzuspielen, dass eine 3. Person dies so arrangiert hat und der "Testschuss" dazu entsprechend notwendig war, um es so umsetzen zu können. In meinem Gedankenspiel erfolgte der "Testschuss" somit erst nach dem letalen Schuss und aus Sicherheitsgründen wurde das Magazin eventuell erst wieder am Schluss wieder eingeführt.
kann man also sagen: Ja, das wäre möglich gewesen.
Zwischenfazit:
- Ein angenommener Täter hätte nach dem "Testschuss" grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, die Waffe mit andauernd durchgezogenem Abzug in J.F.´s Hand zu praktizieren.
- Risiko: lässt man nur einen Augenblick den Abzug los, ist die Waffe wieder feuerbereit und beim "Durchfädeln" des Daumens durch den Abzugbügel könnte sich ein Schuss lösen.
Wie könnte man das zuverlässig verhindern? Ich habe also weiterprobiert. Als naheliegend fiel mir die Sicherung ein. Die lässt sich auch bei durchgezogenem Abzug betätigen. Es kann sich kein Schuss lösen. So wäre die "Übergabe" der geladenen und feuerbereiten Waffe auch ohne Magazinentnahme möglich gewesen.
Es wäre unter diesen Bedingungen sogar egal, ob man den Abzug weiterhin festhält oder loslässt, es löst sich kein Schuss. Nach erfolgter "Übergabe" kann man die Sicherung wieder lösen, es passiert nichts.
Hat man den Abzug durchgezogen gehalten, lässt sich die Auffindesituation darstellen, wie sie geschildert ist.
Hat man ihn zwischendurch aber losgelassen, ist die Waffe nach Lösen der Sicherung feuerbereit, das mit dem Klicken hätte dann nicht stattfinden können.
Warum schildere ich das so ausführlich?
Ich habe nämlich weiterprobiert und eine weitere Möglichkeit gefunden, die mich eben völlig überrascht hat und die meines Wissens noch nie erwähnt oder angedacht wurde. Hierbei rückt wieder die Frage nach dem Magazin ins Blickfeld.
Vorgehensweise wie oben geschildert von 1.) bis 4.). Magazin ist raus.
5a. ) Nach der Entfernung des Magazins habe ich den Abzug losgelassen und jetzt kommt´s:
Der Abzug ging nach vorne aber es klickte nicht. Ich habe daraufhin den Abzug mehrfach betätigt, aber es passierte
nichts.
Ich konnte die FN ohne Magazin nicht abfeuern. Es wurde aber noch besser:
Ich habe dann den Abzug wieder durchgezogen und das Magazin wieder eingerastet. Weiterhin löste sich kein Schuss. Erst als ich jetzt den Abzug wieder losließ, kam das "Klick" und die Feuerbereitschaft war wieder gegeben.
Ich habe dann das Magazin eingerastet,
ohne den Abzug gezogen zu halten und hatte sofort Feuerbereitschaft. Das "Klick" ist über dem zeitgleichen lauteren Einrasten des Magazins nicht zu hören.
Fazit:
Unter der Annahme einer Manipulation hätte der Täter es nach Entnahme des Magazins leicht und völlig sicher bewerkstelligen können, die "Übergabe" durchzuführen.
Ich gehe davon aus, dass Leute, die sich beruflich mit solchen Tätigkeiten befassen, um solche Besonderheiten an Waffen wissen, die mich jetzt an der FN High Power überraschten und diese auch zu nutzen wissen.
Die Situation, dass sich der Abzug bei der Auffindung in Position "durchgezogen" befand, kann durch ein kräftiges Durchziehen oder -drücken des Daumens der toten J.F. quasi nebenbei entstanden sein. Das musste ja auch schnell gehen. Zum Schluss Magazin wieder rein und fertig.
Ich habe mich anschließend noch auf´s Bett gesetzt und gelegt und aus beiden Stellungen Körper, Hand und Waffe aus der anzunehmenden Schusshaltung mit simuliertem Ruck durch Schuss und Rückstoß in die Auffindeposition zu bringen.
Der Abzug hat mir dabei
nicht den Gefallen getan, hinten zu bleiben. Wenn da ruckweise Bewegungen stattfinden, sind die knapp 4 mm eben sehr wenig.
Vielleicht ist meine FN zu gut gepflegt, vielleicht hat aber auch jemand den Daumen von J.F. zu weit "durchgefädelt"....
Sollten sich hier noch weitere Waffenbesitzer beteiligen ( von einigen weiß ich´s ja ), könnten sie vielleicht mal probieren, ob sich ihre Pistolen ohne Magazin abfeuern lassen würden. Bei der Walther PPK ( als Jagdscheininhaber und Sportschütze meine zweite Kurzwaffe ) geht´s jedenfalls, das habe ich im Vergleich sofort herausgefunden.
MfG
Dew