Die Plaza Frau
04.11.2018 um 13:55
mich stört an der selbstmordhypothese einiges:
die unbekannte muss bereits am freitag morgen in besitz der waffe gewesen sein (wenn sie ihr nicht auf das zimmer geliefert wurde... halte ich aber für extrem unwahrscheinlich, wenn dies hätte unauffällig geschehen sein sollen).
d.h. sie muss entweder bereits mit der waffe und munition (in der aktentasche?) angereist sein oder sie sich vor ort im laufe des donnerstags, den sie ja nicht auf dem zimmer und evtl. auch gar nicht im hotel, verbrachte, besorgt haben, was aber wieder vorheriges kundigmachen über beschaffungsmöglichkeiten und damit eine gewisse fehlende kontaktscheue - um es mal etwas neutraler zu formulieren - in zwielichtige kreise vorraussetzt oder gar entsprechende kontakte vor ort besessen haben, um an dieses doch recht ungewöhnliche exemplar zu gelangen.
nur, wenn sie die waffe in suizidaler absicht bereits mitbrachte, warum dann die verlängerung des aufenthalts und die finale durchführung erst im moment des klopfens vom security-studenten? wenn die absicht und die entsprechende vorbereitung bereits soweit gediehen waren, dann wäre eine durchführung bis freitag früh, also dem ursprünglichen abreisedatum genausogut möglich gewesen und es hätte der aufenthaltsverlängerung und damit des zusätzlichen risikos der suizidvereitelung durch aufmerksam gewordenes hotelpersonal nicht bedurft. außerdem wäre dann der probeschuß doch bertits zweckmäßigerweise außerhalb des hotelzimmers erfolgt, womöglich gar vor anreise, um hier nicht versehentlich schon aufmerksamkeit zu erregen und evtl. vom suizidvorhaben abgehalten zu werden.
sollte sie die waffe vor ort erworben haben, so wäre zumindest erklärbar, warum der aufenthalt verlängert wurde, da ansonsten wohl kaum noch zeit zur durchführung des suizids vor abreise geblieben wäre (wobei das zeitfenster prinzipiell auch nicht so eng war; min. 3h bis sie hätte (bei angenommener check-out vorgabe von 11 uhr) das zimmer räumen müssen plus der zeit, die das hotel gebraucht hätte, um zu reagieren, falls die zimmerräumung nicht rechtzeitig erfolgte).
doch ergibt sich dann die frage, warum sie sich plötzlich bis samstag abend zeit lässt und dann genau in dem moment abdrückt, wo der security-mensch an ihrer tür klopft, vorher noch freitag abend das essen bestellt und die minibar nutzt, noch pay-tv schaut, sich duscht und anzieht, dabei die uhr wieder anlegt...
aus meiner sicht wichtig gewesen zu eruieren wäre, ob sie überhaupt zuvor mit dieser aktentasche gesehen wurde. hätte sie die waffe vor ort besorgt, so hätte sie damit (leer) das hotel verlassen müssen und am freitag früh (mit der darin befindlichen waffe + munition) zurückkehren (und dann auch gleich zur rezeption um zu verlängern).
wenn aber diese aktentasche gar nicht aus ihrem besitzt stammt, so wäre natürlich die frage, was die marke über einen evtl. unbekannten täter, bzw. dessen herkunft (und stil) aussagt... tatsächlich erscheint sie mir wenig "damenhaft" und wäre selbst bei einem business-meeting für eine frau recht auffällig - klassisches herren-accessoir eben, damit zwar passend zu duft und burschikosem körperbau, aber weniger zur garderobe.
leider wissen wir auch nicht, mit welchem und wieviel gepäck sie denn tatsächlich eingecheckt hat. es ist zwar von einem trolley die rede, jedoch reicht da die bandbreite vom handgepäckstück bis hin zu übersee-größe.
da es sich gemäß reservierung um einen geplanten kurzaufenthalt handelte, wäre sicherlich ein großer koffer auffällig gewesen, sodass ich eher von einem kleinen "kabinenkoffer" ausgehe, auch wenn manche, v.a. damen, dazu neigen stets einen kompletten hausstand mitzuführen. vlt. auch interessant, dass sie scheinbar keine handtasche mitführte, oder diese sich im koffer befand (daher auch kein nachbohren zwecks pass an der rezeption) und mit diesem samt ihrem inhalt - wohl papiere, geld (woher dann aber der 50NKR-schein?) und schlüssel verschwunden ist.
dann wäre aber die frage, was da überhaupt alles hineingepasst hätte. neben dem zweiten paar schuhe und einem satz kleidung (entweder die später noch im schrank befindliche helle garderobe (die ich nach wie vor als sehr business-style ansehe) oder die legereren dunklen klamotten), dem wollpulli, dem trenchcoat (oder gar der lederjacke?!? - unwahrscheinlich), ener evtl. handtasche und der türkisen reisetasche nebst wahrscheinlich vorhandenem make-up (kulturtasche/-beutel) dürfte der platz für die doch nicht gerade kleine aktentasche schon recht knapp gewesen sein, zumal die ziemlich sperrig und steif ist. auch das gewicht wäre nicht zu verachten.
mal ganz abgesehen davon, dass bei bereits feststehender suizidabsicht das mitführen von wechselgarderobe, und dann auch noch zwei jacken - trenchcoat und lederjacke - und zwei paar schuhen, wenig sinn ergibt...
auch stellt sich mir die frage, weshalb sie sich überhaupt nach dem einchecken mit der tat soviel zeit gelassen hätte. die mehrzahl der hotelsuizide finden kurz nach dem bezug des zimmers statt, weil der plan zu diesem zeitpunkt schon so ausgereift ist und die angst vor einer möglichen vereitelung hoch, dass sich suizidenten oft selbst unter zeitdruck setzen. hier von vornherein zwei tage zu warten - letztlich sogar vier tage! - erscheint merkwürdig. dies würde am ehesten zu einem spontanen suizidentschluß passen, dem aber sowohl die zuvor mitgebrachte oder beschaffte waffe, als auch die identitätsverschleierung widersprechen.
das einzige auffällige, was auf einen geplanten selbstmord hindeutet, ist für mich höchstens die identitätsverschleierung bei der anmeldung. wobei aber auch da anzumerken ist, dass beim gar nicht so seltenen "anonymen" aufenthalt - und der ist auch heutzutage durchaus noch möglich, wenn auch eher schon mal vorkasse oder sicherheiten verlangt werden - gängigere namen verwendet werden, wie "meier, schmidt, smith (USA)", also keine auffälligen und komplizierten identitäten und dann auch allerweltsadressen, meist aus großstädten - z.b. "bahnhofstraße 3, nürnberg" - und mit realistischerer hausnummer. meist stimmt dann die PLZ nicht, aber der rest ist oft erstaunlich konsistent. bei der wahl einer kleinstadt oder gar eines dorfes ist das risiko, dass es weder die straße noch die hausnummer dazu gibt, weit größer und recht schnell überprüfbar, während bei einer real existenten adresse es aufwändig ist, die tatsächliche identität zu widerlegen - "gerade erst geheiratet und hingezogen - pass noch nicht geändert...". dies spricht für mich auch in erster linie in seiner unprofessionalität gegen die hier immer wieder spekulierte beteiligung staatlicher dienste, die viel genauer dafür sorge tragen würden, dass die falsche adresse eben nicht so leicht zu checken ist.
völlig aus dem rahmen fällt für mich eine jünger datierung beim alter. eher würde man zur stützung des seriösen auftritts, auch angesichts der firmen-buchung, von einem älter-machen ausgehen, jedoch kaum davon, dass sich eine mitte 20jährige auf ein alter herunterschummelt, das gerade mal der volljährigkeit entspricht und in dem sie kaum als geschäftsreisende wahrgenommen werden wird.
und noch etwas: zwar ist die namensnutzung "fairgate" (zumindest wohl phonetisch) konsistent bei beiden anrufen und beim letztlichen einchecken, sowie wohl auch bei der unterschrift auf der quittung für den zimmerservice (wobei die unterschrift hier ja deutlich abweichen soll - beleg dazu fehlt uns jedoch), dennoch scheint die "hintergrundgeschichte" recht kurzfristig improvisiert zu sein. alles dreht sich irgendwo um belgien, adresse sowie angerufene telefonnummern, und dann noch der zufällige gegenüber wohnende mr. f aus belgien, dennoch eben nicht im vorfeld auf realitätsnähe und überprüfbarkeit abgeklopft und präzise geplant. normalerweise würde jedoch jemand, der ansonsten so sehr auf verschleierung der eigenen identität bedacht ist, dass er etiketten aus bekleidung und schuhen entfernt, diese dann sogar noch vor tatausführung entsorgt, auch auf konsitenz seiner gefälschten identität achten, nicht nur um im vorfeld keine aufmerksamkeit zu erregen - was dann aber auch der ausstehenden zahlung widerspräche -, sondern auch, um die nachermittlung erstmal in die irre zu führen. es ist nämlich einfacher, eine nicht existente adresse auszuschließen, als die nicht existente verbindung mit einer tatsächlich existierenden zu durchforsten um dann irgendwann zu erkennen, dass das ganze nur ein roter hering war.
um es verständlicher zu machen, mal ein beispiel:
ich plane einen selbstmord im ausland - bleiben wir ruhig bei oslo - und das ganze im vor-internetzeitalter.
tatsächlich wohne ich in FFM.
nun will ich aber meine identität auf belgien ummünzen.
also schnappe ich mir reiseführer und suche darin hoteladressen heraus. fündig werde ich beispielsweise in einer "3, rue de liège in brüssel". da es eine nummer 3 gibt, wird es wohl auch eine 1, 2, 4, 5, etc. geben, aber weit weniger sicher eine 150. folglich wähle ich als fake-adresse: 5, rue de liège, brüssel (und dank reiseführer sogar mit stimmiger postleitzahl). als telefonnummer nehme ich dann evtl. gleich die nummer des hotels oder ändere einfach ein oder zwei ziffern der durchwahl ab. et voilá, eine mit hoher wahrscheinlichkeit existente adresse. wenn dann dort auch noch zufällig ein wohnhaus steht, dann ist eine schnelle nachforschung fast aussichtslos und selbst spätere norwegische ermittler werden sich die zähne ausbeißen, welche beziehung ich denn nun dorthin hatte.
hätte ich die 150 gewählt, wobei die straße dann nur bis z.b. 80 geht, dann wäre sofort klar gewesen, dass es keinerlei beziehung dorthin gegeben haben kann, weil pure erfindung und die spur kalt ist. auch hätte eine schnelle oberflächliche überprüfung den schwindel sofort auffliegen lassen können.
nun haben wir es aber mit dem außergewöhnlichen fall zu tun, dass eine kleinstadt gewählt wurde und es (wobei das angesichts der allgemeinen häufigkeit des namens auch zufall sein könnte) die straße dort auch gibt. einzig die hausnummer ist ausgedacht.
(kleines detail am rande: verlais liegt an der direkten verbindungsstrecke (E42) der beiden bedeutenden belgischen flughäfen lüttich und charleroi. beide häufig für anreise nach brüssel genutzt. und irgendwie denke ich die ganze zeit bei einer vermutlich deutschen zu dieser zeit mit bezug auf brüssel an die EG/EU, die sich zu dieser zeit stark umstrukturierte...)
also hat sich die unbekannte den ort entweder mit dem finger auf der karte ausgesucht oder hatte tatsächlich eine wie auch immer geartete beziehung dazu, die jedoch nur sehr oberflächlich gewesen sein kann und keinerlei konkrete ortskenntnis beinhaltet. auch zu beachten, dass die telefonnummern, sowohl auf dem anmeldeformular, als auch die gewählten, zwar großräumig in die gegend verweisen, jedoch weder der tatsächlichen ortsvorwahl entsprechen, noch es einen dazugehörigen anschluß gab.
a propos telefonnummern: ich finde es bemerkenswert, dass die unbekannte auf dem anmeldeformular die schreibweise +32 für die internationale vorwahl benutzte. zu dieser zeit war es eigentlich noch etabliert, stattdessen 0032 zu benutzen, da das + zeichen auf den meisten telefonen nicht wählbar war - das kam erst richtig mit dem handy auf.
und jetzt die große quizfrage: was wählte die unbekannte eigentlich tatsächlich vom zimmertelefon aus?
0 0032 oder 0 032?
ersteres wäre richtig gewesen - zuerst amtsholung, dann internationale vorwahl, dann ortsvorwahl ohne führende 0.
zweites hätte sie zu einem anschluß in der region buskerud (w/nw von oslo) geführt, wobei dann kaum verwunderlich wäre, wenn es den anschluß dort nicht gab, bzw. es dann diesen anschluß in belgien nicht gab, jedoch in norwegen einfach niemand erreichbar war.
tatsächlich passiert dieser fehler internationalen reisenden immer wieder. kaum jemand denkt daran drei mal 0 vorwegzuwählen, wei den meisten die amtsholung nicht geläufig ist - ausnahme sind meist geschäftsleute, die auch vom büro mit telefonanlage aus häufiger international telefonieren.
und es würde mich nicht wundern, wenn selbst die ermittler nicht daran gedacht haben...