Lars01 schrieb:Danke @LuckyLuciano fürs antworten. Ja, ich hatte die Information zu dem Vergewaltigungsfall aus der Zeit. Andere Artikel, die sich näher mit der Tat und dem Prozess beschäftigen gibt es online vermutlich nicht, oder?
Das stimmt. Auch das spricht für sich.
Lars01 schrieb:Hast du Einsicht in die Akte nehmen können?
Nicht im Rahmen einer offiziellen Akteneinsicht.
Lars01 schrieb:Beide von dir genannten Szenarien sind erstmal theoretisch denkbar, ja.
Dann skizziere ich diese beiden Szenarien weiter. Das von
@darkstar benannte 3. Szenario, das vorsieht, dass die Anhalterin nichtsahnend einsteigt, Kurt Werner Wichmann ohne Vorwarnung in ein Waldstück abbiegt und sie vergewaltigt, ist ähnlich meinem Szenario 2. Ggf. war mein Hinweis in der Beschreibung ("ohne Einigung") missverständlich ausgedrückt.
Szenario 1: Beide haben Sex, der jedoch erst aufgrund der Würge-Fantasien Kurt Werner Wichmanns aus dem Ruder läuft. Sie fühlt sich ernsthaft bedroht, hat ggf. Todesangst erwürgt zu werden, wehrt sich heftig und die Situation eskaliert, die im Ergebnis zur Bewusstlosigkeit der jungen Frau führt. Er vermutet die Frau getötet zu haben, gerät in Panik, legt die Frau von der er glaubt, dass sie tot sei in den Kofferraum und fährt zunächst ziellos von dem Ort weg. Nachdem er Geräusche aus dem Kofferraum hört, fährt er erneut in ein Waldstück öffnet den Kofferraum und stellt fest, dass sie am Leben ist.
Beide sind froh, dass sie am Leben ist und sprechen darüber, wie das passieren konnte und wie es nun weiter geht. In dieser Atmosphäre (also einer gewissen Erleichterung) gelingt es der jungen Frau Kurt Werner Wichmann davon zu überzeugen, dass eigentlich nichts Schlimmes passiert ist. Sie erklärt ihm, dass sie Sex zusammen hatten, das Würgen sie in Panik versetzte und sie dadurch bewusstlos wurde, aber dass ja nochmal alles gut gegangen ist. Und wenn er sie jetzt da oder dort hinbringen würde, wäre alles gut. Sie plane nicht zur Polizei zu gehen und sehe dafür auch gar keine Notwendigkeit, zumal ihre Eltern davon nichts erfahren dürften.
Szenario 2: Hier findet entweder keine Einigung statt, weil das Mädchen keinen Sex gegen Geld möchte oder es kommt gar nicht erst zu einem solchen Gespräch und Kurt Werner Wichmann (Szenario 3 von
@darkstar) biegt ohne Worte in ein Waldstück und vergewaltigt die ahnungslose Frau anschließend. Der Verlauf der Vergewaltigung führt am Ende ebenfalls zur Bewusstlosigkeit der Frau, wobei er davon ausgeht, dass die junge Frau tot ist. Er lädt sie in den Kofferraum, um sie ggf. andernorts zu vergraben und fährt dafür in ein anderes nahe gelegenes Waldstück. Als er den Kofferraum öffnet, attackiert sie ihn mit dem Spaten, wobei er sie mit einer Schusswaffe bedroht.
An diesem Punkt entsteht für mich ein Bruch in der Darstellung im Artikel der Zeit, denn angeblich soll sie ihn nun dazu bewegt haben sie gehen zu lassen.
1. Warum sollte er sie gehen lassen, wenn er davon ausging sie umgebracht zu haben und sie extra an einen anderen Ort fuhr, um sie dort zu vergraben? Das macht keinen Sinn.
2. Sie greift ihn mit dem Spaten aus dem Kofferraum an, er bedroht sie mit einer Schusswaffe. Warum sollte er sie nicht einfach erschießen / töten, was er ja offensichtlich bei der Version der Zeit ohnehin vor hatte oder tat ohne bemerkt zu haben, dass sie nur bewusstlos war?
3. Gehen wir davon aus, dass das Szenario 2 tatsächlich zutraf. Also die Vergewaltigung, das Würgen und die Bewusstlosigkeit. Wenn sie den exakten Verlauf einer solchen Straftat bei der Polizei zu Protokoll gab, aus welchem Grund sollte Kurt Werner Wichmann dann zur Polizei gehen, um etwas richtig zu stellen? Was sollte er denn richtig stellen, wenn all das stimmte?
Es gibt aber tatsächlich noch ein weiteres Szenario. Du hast es in einem Deiner vorherigen Beiträge schon einmal angesprochen. Das Szenario des Fehlurteils.
Was wäre, wenn es keine Vergewaltigung gab? Kurt Werner Wichmann nimmt das Mädchen im Auto mit, beide sind sich sofort sympathisch und haben kurz darauf in einem abgelegenen Waldabschnitt einvernehmlichen Sex. Er würgt sie im Rahmen seiner sexuellen Fantasie, aber die junge Frau wird nicht bewusstlos. Beide setzen nach dem Sex die Fahrt fort und er bringt sie zu dem zuvor vereinbarten Ort.
Die junge Frau geht nach Hause und bemerkt erst am nächsten Morgen, dass sie stark sichtbare Würgemale am Hals hat, die von ihren Eltern bemerkt werden. Das Mädchen ist minderjährig und wir sind im Jahr 1969/70.
Die Abhängigkeit und untergeordnete Rolle der Frauen war damals noch sehr ausgeprägt. Die Volljährigkeit lag noch bei 21 Jahren.
Was sollte die junge Frau ihren Eltern nun erzählen, woher die Würgemale stammten? Ist es auszuschließen, dass aus einvernehmlichem Sex eines jungen, minderjährigen Mädchens eine Vergewaltigung wurde, weil sie sich nicht anders zu erklären wusste? Das würde jedenfalls erklären, warum Kurt Werner Wichmann zur Polizei ging, um den Sachverhalt richtig zu stellen. Naiv wäre es dann dennoch gewesen zu glauben, dass er als vorbestrafter Straftäter aus dieser Geschichte in irgendeiner Art und Weise wieder raus gekommen wäre.
Es gibt an dieser Variante aber noch einen Punkt, der durchaus auch für dieses Szenario sprechen würde. Die junge Frau kann bei den polizeilichen Vernehmungen (die Anzeige musste ja durch die Erziehungsberechtigten erstattet werden) die Automarke und das Kennzeichen kaum zu Protokoll gegeben haben, denn dann hätte Kurt Werner Wichmann nicht zur Polizei gehen müssen. Die wären nämlich dann gleich zu ihm gekommen.
Somit könnte die junge Frau der Erstattung einer Strafanzeige auf Drängen ihrer Eltern zugestimmt haben, bei der Frage nach dem Fahrzeug und dem Kennzeichen aber behauptet haben sich nicht mehr erinnern zu können.
Lars01 schrieb:Werden von der Polizei eigentlich auch Vergewaltigungsfälle ohne eine versuchte oder vollendete Tötung untersucht auf eine mögliche Täterschaft von KWW?
Durch die Clearingstelle der POL LG wurde ein Profil von Kurt Werner Wichmann bereitgestellt, auf das andere Polizeidienststellen zugreifen können, die für ungeklärte Fälle Datenabgleiche vornehmen können. Das Delikt selbst ist dabei nicht entscheidend, sondern der Umstand das Merkmale des Tatverdächtigen mögliche Übereinstimmungen aufweisen könnten.