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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre
Palio ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 10:00
Zitat von julina32julina32 schrieb:Es gibt keine eindeutigen Indizien/Beweise zu irgend einem der Punkte, doch alles ist möglich.
Wenn man im Namen des Volkes urteilssprechend über ein Menschenleben zweifelsfrei bestimmen will,
dann muss mMn. die Indizienkette stärker sein, bzw. ein wichtiger Baustein Hand und Fuß haben ohne 2+x Varianten

Das sind verschiedene Ebenen der Diskussion. Einmal geht es um Entwicklung in sich stimmiger Thesen unter Zugrundelegung der bekannten Fakten und einmal geht es um Kritik an den Behörden, an der Ermittlungsarbeit oder an der Beweiswürdigung des Gerichts und ggf. um die weiteren juristischen Möglichkeiten. Ich trenne das lieber und befasse mich momentan nur mit Ersterem. Da lautet die Frage für mich: Passen alle Fakten zu Mazurek (und seinen mutmaßlichen Helfern)?

In Stufe 2 kann man dann überlegen, ob er hätte freigesprochen werden müssen, obwohl diverse Indizien gegen ihn sprechen und in Stufe 3 kann man dann noch weiter diskutieren, ob die Voraussetzungen für einen Wiederaufnahmeantrag gegeben sind bis hin zur Metadiskussion über die Prinzipien freier richterlicher Beweiswürdigung im Allgemeinen und speziell in Bayern.

Man sollte immer kurz schauen, welche Stufe man gerade diskutiert, sonst wirds unübersichtlich.
Ich bin noch bei 1.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 10:08
Zitat von PalioPalio schrieb:Das sind verschiedene Ebenen der Diskussion. Einmal geht es um Entwicklung in sich stimmiger Thesen unter Zugrundelegung der bekannten Fakten und einmal geht es um Kritik an den Behörden, an der Ermittlungsarbeit oder an der Beweiswürdigung des Gerichts und ggf. um die weiteren juristischen Möglichkeiten. Ich trenne das lieber und befasse mich momentan nur mit Ersterem. Da lautet die Frage für mich: Passen alle Fakten zu Mazurek (und seinen mutmaßlichen Helfern)?
Danke für die Strukturierung mit der du sicherlich recht hast. Allerdings hätten dich meine Ausführungen auch auf die Ebene 0 heben können.
"Nicht anklagegenügend, bzw. kein dringender Tatverdacht". Wo keine Anklage, da kein Urteil


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 10:33
Zitat von julina32julina32 schrieb:Eine "Wasserdicht-Mach-Klausel" sozusagen. Da steht genau was ich meinte. "Wir kennen unsere Pappenheimer" = Berufserfahrung.
Was ist ein ausreichendes Maß und ab wann ist ein Zweifel vernünftig oder sagen wir besser berechtigt.
Nein, das geht so nicht. Was Du verlangst, ist letztlich ein Indiz, dass für sich eigentlich schon fast als Schuldnachweis ausreicht ("smoking gun").

Das wird aber genau den Fällen nicht gerecht, in denen sich der Nachweis nicht aus einer einzelnen Tatsache ergibt, sondern aus einer Mehrzahl zusammenwirkender Indizien, die bei isolierter Betrachtung nicht geeignet wären, diesen Nachweis zu erbringen. In ihrer Gesamtheit multiplizieren sie aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein gesetzlicher Tatbestand erfüllt worden ist. Das nennt man "Indizienring". Umgekehrt gilt bei entlastenden Indizien: Je mehr es solcher gibt, desto unwahrscheinlicher wird die Tatbegehung. Entlastende Indizien dürfen aber genauso wenig unterstellt werden, wie belastende. Die in-dubio-pro-reo-Regel ist keine Beweisregel.

Einfaches Beispiel: A hatte ein Motiv, B zu töten. A wurde am Tatort gesehen. A eröffnete einen Tag nach der Tat ein Konto und zahlte 50.000 € ein, deren Herkunft er nicht erklären kann und die wahrscheinlich dem B gehört hatten.

Je mehr es solcher Indizien in diesem Ring gibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass A der Täter ist.

Eine "Indizienkette" ist dagegen eine aufeinander aufbauende Folge von Schlussfolgerungen aus einem Indiz.

Einfaches Beispiel: A´s DNA wurde am Tatort gefunden. Also war A am Tatort. Also hat er B getötet.

Je länger eine solche Indizienkette wird, desto unwahrscheinlicher ist die Folge. Im Beispiel kann man das daran erkennen, dass A ja auch vor der Tat am Tatort gewesen sein kann oder seine DNA auf einem Gegenstand gefunden wurde, den er schon vor längerer Zeit dem B geschenkt hatte.

Diese Gesamtwürdigung (die eigentlich bei jeder Sachverhaltsaufklärung vorgenommen werden muss) erfordert eine Bewertung der einzelnen Indizien. Und da wird es hier nun schwierig:

1. Es gibt Indizien, die nicht als be- oder entlastend zugeordnet werden können (Beispiel von oben: Es bleibt unklar, woher die 50.000 € auf dem Konto des A kommen), spricht man von non-liquet-Fällen. Ein solches Indiz darf nicht als belastend verwendet werden.

2. Dann gibt es die ambivalenten Indizien, die mehrere Deutungen zulassen. Hier kann sich der Tatrichter für eine der möglichen Deutungen entscheiden. Wenn eine andere Interpretationsmöglichkeiten aber nicht nur denktheoretischer Natur, sondern mindestens genauso wahrscheinlich sind, muss er seine Entscheidung begründen und sich mit den anderen Möglichkeiten auseinandersetzen; ansonsten erweist sich die Beweiswürdigung als lückenhaft.

3. Schließlich gibt es dann noch Indizien, die nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zutreffen, so wie die Gutachterin das TK 248 als das wahrscheinliche Aufnahmegerät des bei der Erpressung verwendeten B3-Jingels identifiziert. Da kann das Gericht entweder - mit Begründung - von der wahrscheinlichen Tatsache überzeugt sein - oder es stellt dieses wahrscheinliche Indiz in die Gewamtwürdigung ein. Dagegen wird dann eingewandt, aus „bloßen“ Möglichkeiten oder Wahrscheinlichkeiten ließe sich keine Gewissheit konstruieren, was aber nicht der Fall ist, wenn es sich nicht nur um Wahrscheinlichkeiten handelt.

Wir sind also eigentlich noch gar nicht bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Indizien. Zumal ich im Urteil eigentlich keine entlastenden Indizien entdeckt habe. Da gibt es nur belastende, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 10:36
Zitat von julina32julina32 schrieb:Eine "Wasserdicht-Mach-Klausel" sozusagen. Da steht genau was ich meinte. "Wir kennen unsere Pappenheimer" = Berufserfahrung.
Was ist ein ausreichendes Maß und ab wann ist ein Zweifel vernünftig oder sagen wir besser berechtigt.
Deine Frage entsprigt der Sehnsucht nach einer objektiven für alle gleich nachvollziehbaren Beurteilung von Inhalten.

Da aber zusammengetragene Informationen i.A. immer mehrdeutig, vielschichtig und teilw. widersprüchlich sind, ist eine subjetive Interpretation unumgänglich. Um diese so objektiv wie möglich zu halten, ist Berufs- und Lebenserfahrung sicherlich unabdingbar.
... Belastende Indizien müssen jedenfalls sicher feststehen, den Angeklagten belastende Schlussfolgerungen dürfen nicht auf bloße Vermutungen gestützt werden. So ist es beispielsweise unzulässig, aus der Tatsache der Aussageverweigerung eines Zeugen oder aus dem Schweigen des angeklagten Schlüsse zu dessen Nachteil zu ziehen. Andererseits genügt die subjektive Überzeugung des jeweiligen Richters von der Begehung einer rechtswidrigen Tat und der Täterschaft, sowie der Schuld des Angeklagten als Voraussetzung für eine Verurteilung. Eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit ist nach der Rechtsprechung nicht erforderlich.

Es genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten begründete Zweifel nicht mehr zulässt. Sogenannte theoretische Zweifel gelten danach als irrelevant.
...
Quelle: https://www.nwzonline.de/grundsatz-im-zweifel-fuer-den-angeklagten-in-dubio-pro-reo_a_1,0,597671194.html (Archiv-Version vom 29.09.2020)


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 10:44
Zitat von monstramonstra schrieb:Das wird aber genau den Fällen nicht gerecht, in denen sich der Nachweis nicht aus einer einzelnen Tatsache ergibt, sondern aus einer Mehrzahl zusammenwirkender Indizien, die bei isolierter Betrachtung nicht geeignet wären, diesen Nachweis zu erbringen. In ihrer Gesamtheit multiplizieren sie aber die Wahrscheinlichkeit, dass ein gesetzlicher Tatbestand erfüllt worden ist. Das nennt man "Indizienring". Umgekehrt gilt bei entlastenden Indizien: Je mehr es solcher gibt, desto unwahrscheinlicher wird die Tatbegehung. Entlastende Indizien dürfen aber genauso wenig unterstellt werden, wie belastende. Die in-dubio-pro-reo-Regel ist keine Beweisregel.
Danke, das hast du gut erklärt.
Zurück zum Fall. Obwohl wir das schon hatten. Einzelwahrscheinlichkeiten von Puzzleteilen und wie geht man damit um, wenn ein Puzzleteil herausbricht,
das wiederum andere bedingt? Kommt man so wirklich weiter? Und wie sind da die Gegenrechnungen bezogen auf einen "Entlastenden Indizienring"? Wer stellt sich zwischendurch simple Fragen der Vernunft (wieso Fiat 600, wieso Fischkutter und 10.000€ Anlage trotz Insolvenz, wieso Westernromane für selektiertes Entführungsopfer Mädchen usw.) oder plausibilisiert sich ein phonetisches Gutachten um ein wahrscheinliches (?!) Tatmittel?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 11:05
Ich glaube wir drehen uns irgendwie im Kreis. Was @julina32 in ihren beiden letzten Posts schreibt sehe ich ähnlich. Die Indizienkette hätte stärker sein müssen. Für mich ist sie nach dem was ich über den Fall hier erfahren habe zu schwach. Ja jetzt könnte wieder jemand sagen wie stark muss sie denn sein, dass Du sie akzeptierst. Ehrlich gesagt so pauschal kann ich es nicht sagen. Es hängt auch mit der Gesamtschau auf den Fall zusammen und mit der Tatsache (zumindest so mein Kenntnisstand von hier) dass eine Indizienkette gegen W.,so gut wie fertig war, der Fall aber vom LKA gezogen wurde und die Reise ermittlungstechnisch dann offenbar in eine andere Richtung ging. Bleiben auch die Spuren im Komplex „Schüler” im Raum stehen, die offenbar nie mit Nachdruck verfolgt wurden und somit eine weitere Hypothese nicht geschlossen werden kann sondern offene Fragen hinterlässt.

Es bleibt der Komplex W. und der der Schüler für mich offen oder irre ich?

M. war Hauptverdächtiger wegen einer Straftat die als Mord gewertet wurde.
Es ist doch nur logisch, dass er auch knapp 30 Jahre danach damit rechnet wieder ins Fadenkreuz zu geraten. Weil der Fall weiter ungeklärt war. (Ein solcher Fall - ungeklaert und das in Bayern!? Das darf es nicht geben (Ironie!!!)). Damals schon gab es schon immer wieder Medienberichte über Cold Case Ermittlungen in anderen Faellen etc.. M. wusste sicherlich, dass der Fall niemals ruht. Was er damals erleben musste hat er bestimmt auch nicht vergessen, denn sie werden ihn mit Nachdruck befragt haben. Zu Recht versteht sich! Es ging ja um keine Leistungserschleichung wegen “Schwarzfahren” sondern um Mord an einem Kind.

Und es ist doch nur logisch, dass er sich mit anderen, die auch im Focus standen darûber unterhielt, ob es Mord war oder die Tat verjaehrt weil sie anders ausgelegt wird.

Er war damals schon Hauptverdaechtiger.
Seine Ausdrucksweise ist die eines kalten und unsympathischen Typen mit mangelnder Empathie. Ich spare mir die Aussagen zu wiederholen. Das macht ihn aber nicht gleich zum Mörder.

Auch dass bei ihm Jahrzehnte später das angebliche Tatmittel Tonband gefunden wird erscheint mir eher ein Hinweis darauf dass er es nicht war als dass er es war! Es spricht für ihn und nicht gegen ihn.

M. gehört sicherlich nicht zu der Kategorie “Tätertyp” die sich das Tatmittel, wie es andere Täter teilweise machen, selbiges über Jahrzehnte als Trophäe oder Erinnerung aufheben. Vor allen nicht wenn schon darüber spekuliert wird wegen was man dran sein könnte!!!

Das ergibt keinen Sinn. Ein Beweismittel im Haus, so dumm ist er bestimmt nicht gewesen. Im Gegenteil ich schätze ihn sogar überdurchschnittlich intelligent ein ohne ihn persönlich zu kennen.

Dass es sich um das Tatmittel handelt ist für mich deshalb schon eine weltfremde Betrachtung. Blöd nur dass die Gutachterin sagte es ist wahrscheinlich das Geraet mit dem das BR Signal und Co verarbeitet wurden.

Da stehst der Richter auch erst mal da und sagst okay - das ist so ein schwerwiegendes Indiz - das ist Fakt und nicht mehr wegzudiskutieren!!


These:
Wenn das TK Gutachten nicht existieren würde, hätte der Richter meiner Einschätzung mach für Einstellung oder Freispruch entschieden.

Mit dem TK als wahrscheinliches Tatmittel, so die Gutachterin, konnte der Richter wohl gar nicht anders. Einen Freispruch hätte dann kein Bürger mehr verstanden und die bayerische Politik haette aufgeschrien.

Ehrlich gesagt wenn mir jemand sagt das ist das Tatmittel und es wurde beim Hauptverdächtigen gefunden, ich hätte auch verurteilt.

Trotzdem glaube ich ein Fehlurteil auch wenn wir in Bayern sind...


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 11:23
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ich bin ja bereit, allerhand Schwachsinn zu akzeptieren, desgleichen die Existenz von Leuten, die entweder in gutem Glauben, wo auch immer der herkommt, WM verteidigen, oder die ihre Sträuße (haha, man beachte das Wortspiel, selber *schulterklopf*) mit der bayerischen Justiz ausfechten. Aber wenn es um schlichte Fragen zum Fall und plausible Antworten dazu geht, wäre mir künftig eine Beschränkung auf selbige schon ganz recht.
Und wieder fängst du den Strauß strahlend auf. Lass es doch einfach und bringe Repliken in der Qualität, wie du sie von anderen erwartest. Sei besser als die vermeintlichen Verschwörungstheoretiker statt nur über ihren "Schwachsinn" zu jammern.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 11:25
Dieses Urteil ist meiner Meinung nach hauptsächlich auf Grund des Gutachtens entstanden, denn was will man mehr als ein Beweismittel bei einem Hauptverdächtigen bzw. Angeklagten.

Der Richter hatte wohl damals nicht die Erkenntnisse die uns @robernd hier ausführlich erläutert hat. Hätte er sie gehabt, hätte er M. vielleicht nie verurteilt?

Justiz kann auch irren, Justitia ist nicht unfehlbar. Doch wenn es so starke Hinweise gibt, dass sie geirrt haben könnte, dann sollte sie auch alles dafür tun, dass das Unrecht wieder zu Recht wird.

In diesem Fall wäre das meiner Meinung nach:

Wiederaufnahmeverfahren und weitere Ermittlungen


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22.12.2020 um 11:37
@Andante
Wären Sie für eine Wiederaufnahme?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 11:45
Zitat von FaktenfinderFaktenfinder schrieb:@Andante
Wären Sie für eine Wiederaufnahme?
Kaum jemand ist so überzeugt von der Richtigkeit des Urteils wie @Andante. Warum sollte er für eine Wiederaufnahme sein? Zudem hat er uns die juristischen Gründe dafür dargelegt, dass eine Wiederaufnahme schwierig bis unmöglich ist, unabhängig davon, ob man sie für wünschenswert hält.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 11:54
Zitat von monstramonstra schrieb:Wir sind also eigentlich noch gar nicht bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Indizien. Zumal ich im Urteil eigentlich keine entlastenden Indizien entdeckt habe. Da gibt es nur belastende, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen.
Ja, es tauchen nur wenige Formulierungen auf, die einen Blickrichtungswechsel (entlastend) ermöglichen, allerdings wird dieser dann sogleich wieder erschlagen.
Zitat von monstramonstra schrieb:Was Du verlangst, ist letztlich ein Indiz, dass für sich eigentlich schon fast als Schuldnachweis ausreicht ("smoking gun").
Mal von der anderen Seite gesprochen. WM wird in dem Urteil ja nicht grade als hellste Kerze auf der Torte beschrieben. In Verbindung mit Zeugenaussagen kommt das Gericht zu dem Schluss, ein Erfolgloser, der mit den großen mitschwimmen möchte, dem aber nur kriminelle Machenschaften blieben, um an das benötigte Geld zu gelangen. Wenn man dann noch die beispielhaften Vernunftsfragen nach Fluchtauto, Kinderbezug, Auswahl an Mithelfer/Mittäter und Anwaltsverzicht bzw. Lügen bei Befragungen mit Dummheit bzw. Naivität beantwortet, warum hat sich dann keine "Smoking Gun" ergeben? War er bei der Beweismittelverichtung bzw. Verdeckung so um einiges gewiefter?


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Palio ehemaliges Mitglied

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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 12:00
Zitat von FaktenfinderFaktenfinder schrieb:Wären Sie für eine Wiederaufnahme?
Beantwortung der Frage aus dem Blickwinkel der persönlichen Überzeugung: Nö.

Aus interessiert-voyeuristischer Sicht: Gerne.

Aus objektiv-juristischer Sicht: M. wurde hier möglicherweise aufgrund einer zu dürftigen Indizienlage verurteilt, aber Substrat für ein WA-Verfahren gibt es nicht, daher stellt der Anwalt des Veurteilten auch keinen Antrag. Der Fall ist juristisch durchexerziert. Mehr kommt da nicht.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 12:00
Zitat von julina32julina32 schrieb:WM wird in dem Urteil ja nicht grade als hellste Kerze auf der Torte beschrieben
Was Du im Urteil liest, ist ja schon die Interpretation der tausenden Seiten von Ermittlungsakten durch die Richter und die Begründung, warum Herr Mazurek aus ihrer sicht schuldig ist. Was wir nun tun, wir interpreteren die Interpretation der gefundenen Fakten und bilden uns ein eigenes Urteil. Was Du aber nicht kannst ist die Ermittlungsakten zu interpretieren, so wie es die Richter in aller Ruhe machen konnten. Vielleicht würdest Du ja dann Herrn Mazurek aus anderen Gründen als unschuldig erachten oder als Schuldigen sehen. Daher ist es müßig sich jetzt über die Richter zu stellen, es führt zu nichts.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 12:21
Zitat von RationalheldRationalheld schrieb:Kaum jemand ist so überzeugt von der Richtigkeit des Urteils wie @Andante. Warum sollte er für eine Wiederaufnahme sein? Zudem hat er uns die juristischen Gründe dafür dargelegt, dass eine Wiederaufnahme schwierig bis unmöglich ist, unabhängig davon, ob man sie für wünschenswert hält.
Jedenfalls verteidigt @Andante das Urteil mit allen guten Gründen, die das Recht hergibt.

Und da ist es nun mal so, dass das Ergebnis, wie es das Gericht gefunden hat, vertretbar ist und sich im Rahmen dessen bewegt, was die freie richterliche Beweiswürdigung gestattet. Das Urteil ist gut begründet, das ist jetzt keine Willkür. Die Anforderungen, die der BGH an so ein Urteil stellt, die sind erfüllt.

Ja, es war damals möglich, M. zu verurteilen. Ob ich ihn verurteilt hätte, ist eine andere Frage und rechtlich ohne Bedeutung.

Und es ist auch keine rechtliche Kategorie, ob ein Urteil sich später faktisch als zweifelhaft erweist, weil die eine oder andere Schlussfolgerung des Gerichts oder das eine oder andere Beweismittel bei genauerer Betrachtung doch erheblich zweifelhafter sind, als vom Gericht angenommen. Die Rechtskraft bleibt. Auch wenn ich etliche der hier vorgebrachten Einwände gegen das Urteil als sehr plausibel betrachte und gerne etwas polemisch Vorbehalte gegen die bayerische Justiz pflege (die aber sehr dialektisch sind).

Solche Urteile, die auf mehreren Indizien beruhen, die erst kumulativ den Tatnachweis ergeben (sollen), die sind schwer anzugreifen. Eine Fehlbeurteilung durch das Gericht ist eben noch kein Wiederaufnahmegrund. Es bedarf neuer Tatsachen, neuer Beweise (§ 359 Nr. 5 StPO). Letztlich bedarf es eines potentiellen Unschuldsbeweises, der im Prozess noch unbekannt war. Das ist hier nicht ersichtlich.

Wer das Urteil verteidigt, steht dann natürlich schon etwas als der Buhmann da, wenn es so wie hier viele ambivalente oder wahrscheinliche Indizien gibt, die bei anderer Betrachtungsweise den Indizienring so weit abschmelzen lassen würden, dass es keine Basis für eine Verurteilung mehr gäbe. Aber Recht und Gesetz sind so. Auch aus guten Gründen, die zu erörtern zu weit führen würde.

Ist das ungerecht? Ja, wenn M. nicht der Täter war. Und wenn die Anforderungen an eine Verurteilung so niedrig geschraubt werden, dass es für Unschuldige leicht möglich ist, in die Mühlen der Justiz zu geraten. Deshalb wende ich mich immer dagegen, wenn der Eindruck entsteht, es sei schon ok, so wie es ist, weil es ein rechtskräftiges Urteil gibt. Nein, das ist hier nicht der Fall, wie die Reaktionen der Angehörigen zeigen. Deshalb möchte ich gerne, dass sich ein bayerischer Richter immer bewusst ist, dass er sich irren kann. Und sich und sein Urteil selbstkritisch hinterfragt, ob er nicht seiner eigenen Logik zum Opfer gefallen ist oder aus einer standesgemäßen Perspektive oder vom "Grünen Tisch" aus Dinge unterstellt und annimmt, das Verhalten von Menschen beurteilt, und so den Bezug zur Lebensrealität verliert.


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22.12.2020 um 12:26
@Palio
Okay :) aber das „falsche Gutachten bzgl. des TK“ ist definitiv der Knackpunkt mit dem das Urteil steht und fällt oder?

Die Aussage des angeblichen Gräbers reicht da nicht mehr + die anderen wohl ehervschwachen Indizien.

Da wird das Eis dann ganz dünn auch wenn ich an höhere Gerichtsinstanzen denke.

Was sagen die Juristen?


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22.12.2020 um 12:26
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Was Du im Urteil liest, ist ja schon die Interpretation der tausenden Seiten von Ermittlungsakten durch die Richter und die Begründung, warum Herr Mazurek aus ihrer sicht schuldig ist.
Nein. Das Urteil ist das Substrat der mündlichen Verhandlung. Die Ermittlungsunterlagen dienen nur der Unterstützung. Wird ein Dokument aus den Akten wichtig, ist es in die Verhandlung einzuführen (durch Verlesung oder im Selbstleseverfahren).


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22.12.2020 um 12:28
Zitat von PalioPalio schrieb:Aus objektiv-juristischer Sicht: M. wurde hier möglicherweise aufgrund einer zu dürftigen Indizienlage verurteilt, aber Substrat für ein WA-Verfahren gibt es nicht, daher stellt der Anwalt des Veurteilten auch keinen Antrag. Der Fall ist juristisch durchexerziert. Mehr kommt da nicht.
In dem Podcast hatte WM der Interviewerin mitgegeben, dass man den Tonbandverkäufer ausfindig gemacht hätte. Nun müsse man allerdings über die "Hintertür" die Befragung so gestalten, dass die Beantwortung des Verkäufers "wahrheitsgemäß" sei.
Innerhalb des Produktionszeitraums hat sich nichts weiteres dazu ergeben.
Zitat von FaktenfinderFaktenfinder schrieb:Bleiben auch die Spuren im Komplex „Schüler” im Raum stehen
Mir fällt es schwer den komplexen Bau dieser Kiste Schüler einer Oberstufe zuzutrauen. Vor allem dieses sinnfreie bis falsche "overengineering". Wer bringt 7 Riegel an. Bohrt ca. 100 Löcher für eine Schalldämpferfunktion. Hat Zugriff auf eine Metallverabeitende Werkstatt. Das erfordert alles Motivation zu oft falsch gedachtem Handeln. Gut, hier könnte man dann sicherlich noch kognitive Unerfahrenheit anbringen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 12:31
@monstra
Danke für die tolle Erläuterung.
Ihre Sichtweise und Offenheit kann ich sehr gut nachvollziehen.


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22.12.2020 um 12:50
@julina32
Die Schülertheorie ist nicht meine Überzeugung aber eine Hypothese von mehreren Leuten hier. Was ich bisher gehoert habe wurde damals wenig in diese Richtung ermittelt. Aber ist gibt Andere wie 2r2n die die Schüler These vertreten oder vertraten (man korrigiere mich wenn diese Aussage so nicht richtig wäre).

Auf jeden Fall wäre sie m. E. nach im Rahmen einer Wiederaufnahme (die es wie die Juristen erläutert haben wohl leider nicht geben wird) ein Ermittlungsschwerpunkt neben dem Komplex W. und natürlich weiterhin dem Komplex M..

Deshalb bleibt uns erst mal nur weiterhin eine angeregte Spekulation und juristische Interpretation von Juristen und Laien sowie von echten Technikexperten und Laien
Ist eben so in einem solchen Forum.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

22.12.2020 um 12:52
Zitat von julina32julina32 schrieb:Mir fällt es schwer den komplexen Bau dieser Kiste Schüler einer Oberstufe zuzutrauen. Vor allem dieses sinnfreie bis falsche "overengineering". Wer bringt 7 Riegel an. Bohrt ca. 100 Löcher für eine Schalldämpferfunktion. Hat Zugriff auf eine Metallverabeitende Werkstatt. Das erfordert alles Motivation zu oft falsch gedachtem Handeln. Gut, hier könnte man dann sicherlich noch kognitive Unerfahrenheit anbringen.
Diese Kiste zu bauen war nicht schwer. Wenn ein Oberstufenschüler so etwas nicht hinbekommen sollte müsste man ihm nach Erlangen der allgemeinen Hochschulreife, diese wieder aberkennen. Egal in welchen Fächern er seine Leistungskurse belegt hatte.

Es waren sogar mehr als 1000 Löcher in Summe in den einzelnen PVC-Rohren. AM LEH wurden und werden die Schüler in Holzbearbeitung und Metallbearbeitung unterrichtet. Das Schwierigste dürfte das Bohren mit einem 20 mm Bohrer in die 7 Flacheisen gewesen sein. Aber mit einer Ständerbohrmaschine und einem Schraubstock ist auch dies möglich.

Und ja warum 7 Riegel? Hierüber könnte man vermutlich ganze Romane verfassen.

Die Täter wollten ja das Ursula in der Kiste überlebt. Sonst hätten sie nicht an Nahrung, Getränke und die Belüftung gedacht.
Mazurek als Täter hätte sicher mehr Sachverstand bei der Verkabelung der Elektrik und dem Belüftungssystem gezeigt.
Immerhin war er KFZ Mechaniker und hat erfolgreich Farbfernsehgeräte repariert.
Die wahren Täter hatten diese Wissen eben nicht und haben bei der Belüftung irgendetwas gebaut von dem sie glaubten es würde funktionieren.


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