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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.10.2019 um 15:29
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Eine Anklage ist etwas anderes als die Aufnahme von Ermittlungen, dort muss der Grundsatz "in dubio pro reo" berücksichtigt werden. Bei der Aufnahme von Ermittlungen eben gerade nicht, denn andernfalls würde man nie Ermittlungen aufnehmen können, denn zum Zeit der Ermittlungsaufnahme gibt es in der Regel zu wenig Anhaltspunkte und man müsste die Ermittlungen dann in der Regel gleich zu Beginn wieder einstellen.
Die StA klagt das an und darf nur das anklagen, was sie auch glaubt beweisen zu können. Nicht mehr und nicht weniger.

Klagt sie wegen Mordes an, obwohl sie selbst weiß, dass sie dafür keine Beweise hat, würde sie sich insoweit der Verfolgung Unschuldiger strafbar machen.

Unaghängig ist es relativ sinnlos, etwas anzuklagen, von dem man bereits bei Anklageerhebung weiß, dass man damit auf keinen Fall bei Gericht durchkommt. Was soll der Quatsch? Da wird nur unnütz sich selbst, dem Gericht und dem Verteidiger Arbeit gemacht, und es werden sinnlos Steuergelder verbraten.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.10.2019 um 15:32
Es darf nur ermittelt werden, wenn es zureichende Anhaltspunkte für eine Straftat im Sinne eines Anfangsverdachts gibt. Weniger geht nicht. Der Kenntnis- und Ermittlungsstand heute beruht dabei auf dem Prozess gegen Herrn Mazurek.

Danach müsste es nun neue (!) tatsächliche Anhaltspunkte für Mord geben. Gibt es die nicht oder würde wieder in einem Prozess "in dubio pro reo" zum Tragen kommen (selbstverständlich ist dieser wesentliche Gesichtspunkt der richterlichen Entscheidung von der Staatsanwaltschaft von Anfang an mitzuberücksichtigen), dann ist Schicht im Schacht.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.10.2019 um 15:46
@Andante

Hier geht es um die Ermittlung und ich denke, ich habe hier ganz klar gemacht, würde man den "in dubio pro reo" schon berücksichtigen, ehe man überhaupt Ermittlungen in einen bestimmte Richtung versucht, in die es durchaus Hinweise gibt, dann sind Ermittlungen in keinem Fall möglich. Also sind nach Deiner Sichtweise jeglicher Ermittlungen Quatsch?

Am Ende der Ermittlungen weiß man erst, ob man damit vor Gericht durchkommt, die gleich Anfangs einzustellen, ist im wahrsten Sinne des Wortes Quatsch und würde die Pflichten des Staates kon­ter­ka­rie­ren.
Zitat von monstramonstra schrieb:Der Kenntnis- und Ermittlungsstand heute beruht dabei auf dem Prozess gegen Herrn Mazurek.
Wenn dort wegen "in dubio pro reo" nicht zur Verurteilung wegen Mordes geführt hat, dürfte es auch heute nach wie vor keine nur theoretische Möglichkeit sein.
Zitat von monstramonstra schrieb:Danach müsste es nun neue (!) tatsächliche Anhaltspunkte für Mord geben. Gibt es die nicht oder würde wieder in einem Prozess "in dubio pro reo" zum Tragen kommen (selbstverständlich ist dieser wesentliche Gesichtspunkt der richterlichen Entscheidung von der Staatsanwaltschaft von Anfang an mitzuberücksichtigen), dann ist Schicht im Schacht.
Würde in einem neuen Verfahren erneut "in dubio pro reo" zum Tragen kommen, wäre das hinzunehmen, aber der Aufklärung wäre dann genüge getan. Ich denke Michael Herrmann geht es vermutlich nur darum und u. U. sitzt ein Unschuldiger im Gefängnis.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.10.2019 um 15:48
Entdeckt man eine Leiche und kommt man aufgrund der äußeren Todesumstände zu dem Schluss, dass es vermutlich Fahrlässigkeit gewesen ist, die zum Tode führte, dann kann die Staatsanwaltschaft keine Mordermittlungen einleiten.


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02.10.2019 um 15:55
@monstra
Schade, dass Du hier nur allgemein argumentierst. Auf die Indizien, welche durchaus auf ein Eventualdelikt hindeuten, gehst Du nicht ein und hast in keiner Weise bisher begründet, warum diese nur auf eine rein theoretische Möglichkeit hindeutet. Schade, ich kenne das von Dir sonst ganz anders. Ich habe doch hoffentlich klar gemacht, dass für die Aufnahme von Ermittlungen andere Refeln gelten müssen, als für ein Gerichtsverfahren. Sonst würde man erst gar nicht solche Zeugenaussagen erhalten, von denen Du oben sprichst. Der Rechtsstaat wäre auf den Kopf gestellt.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.10.2019 um 16:57
@JosefK1914-2

Und ich habe hoffentlich klar gemacht, dass "in dubio pro reo" auch im Ermittlungsverfahren zu beachten ist. Die Indizien liegen alle schon seit über 30 Jahren vor. Ob ich aus ihnen Vorsatz oder Fahrlässigkeit folgere, spielt keine Rolle. Staatsanwaltschaft und Gericht haben sie bewertet. Das Urteil ist rechtskräftig. Sorry, liegt nicht an mir. Zur Überzeugungskraft des Urteils habe ich mich schon geäußert.

@Andante hat lang und breit darauf hingewiesen, dass es unzulässig ist, gegen (bisher unbekannte) Dritte zu ermitteln, wenn die Tat verjährt ist. Maßstab dafür ist nun mal das Urteil. Anderes gilt für neue Tatsachen, eine andere Interpretation einer alten Tatsache macht diese nicht neu. Das ist auch das Problem eines Wiederaufnahmeverfahrens. Auch hier geht Rechtssicherheit vor materielle Gerechtigkeit.

Der Rechtsstaat mag nicht gerecht sein, er steht hier aber nicht Kopf.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.10.2019 um 17:11
Zitat von monstramonstra schrieb:Und ich habe hoffentlich klar gemacht, dass "in dubio pro reo" auch im Ermittlungsverfahren zu beachten ist.
Zu beachten ja, aber hier geht es um die Aufnahme von Ermittlungen in eine bestimmte Richtung. Und da reicht eine gerineg Wahrscheinlichkeit. Das ist auch mehr als sinnvoll, sonst würde man auch keine Zeugenaussagen o.ä. erhalten, die einen Tatbestand zweifelsfrei belegen würde. Der Rechtsstaat wäre auf den Kopf gestellt.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.10.2019 um 17:25
Aus einem recht instruktiven Papier des Generalstaatsanwalts des Landes Brandenburg (Hervorhebungen von mir):
Bei seiner Entscheidung über das Vorliegen eines Anfangsverdachts wegen einer Straftat hat
der Staatsanwalt nach höchstrichterlicher Rechtssprechung (BGH NStZ 1988, 511) alle hierfür
wesentlichen be- und entlastenden Umstände in Gestalt einer Gesamtschau abzuwägen
. Deren
Ergebnis hängt maßgeblich davon ab, welche Umstände der Staatsanwalt für wesentlich hält
und welches Gewicht er den in die Abwägung einfließenden Sachverhaltselementen in ihrem
Verhältnis beimisst. Da auch subjektive Wertungen in diese Abwägung einfließen, können ver
schiedene Betrachter zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ohne pflichtwidrig zu handeln.

Deshalb gewährt die höchstrichterliche Rechtsprechung dem mit der Sache befassten Staats
anwalt bei der Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens einen Spielraum
bei der Würdigung und eine gewisse Freiheit bei der Bildung seiner Auffassung
. Er verfügt da
nach über einen Beurteilungsspielraum bei der Beantwortung der Frage, ob ein Verdacht wegen
einer Straftat „zureichend” im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO ist. Wird dieser Beurteilungsspiel-
raum aber missbräuchlich genutzt, kann dies den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzen.
https://gsta.brandenburg.de/media_fast/4140/Anfangsverdacht.pdf (Archiv-Version vom 04.11.2018)

Den Beurteilungsspielraum hatte ich erwähnt. Ich denke, es macht darüber hinaus keinen Sinn, noch weiter zu diskutieren.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

02.10.2019 um 19:23
Zitat von monstramonstra schrieb:Er (Staatsanwalt) verfügt danach über einen Beurteilungsspielraum bei der Beantwortung der Frage, ob ein Verdacht wegen einer Straftat „zureichend” im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO ist.
Daraus kann ich etwas überspitzt ausgedrückt nur schließen:
Genau dieser Beurteilungsspielraum gibt der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, je nach Tagesform und Laune Ermittlungen einzuleiten oder auch nicht.

Als neue Ermittlungen gegen Werner M. eingeleitet wurden (in den 2000er Jahren), gab es gegenüber früher (1980er Jahre) keine neuen Erkenntnisse. Trotzdem wurden neue Ermittlungen begonnen. Objektive Gründe dafür sind nicht bekannt geworden. Weniger objektiv war es politischer Druck.

Neue Ermittlungen gegen andere denkbare Täter wurden nicht eingeleitet. Neu Erkenntnisse oder Indizien gäbe es inzwischen schon. Früher war zwar bekannt, dass bestimmte Farben auf dem Kistendeckel vorhanden waren und akribisch analysiert wurden. Die Polizei hat aber keine Übereinstimmung mit ihr damals bekannten Anstrichen gefunden. Absolut neu ist, dass diese mit gewisser Wahrscheinlichkeit für bislang unberücksichtigte Straßenmarkierungen benutzt wurden. Und zwar im Umkreis von Schülern des Landerziehungsheims. Ob die an der Kiste gefundenen Farben tatsächlich mit damals verwendeten oder in Entwicklung befindlichen Straßenfarben identisch sind, werden wir ohne weitere Ermittlungen niemals erfahren. Ich behaupte, dass ein Staatsanwalt kein Lackexperte ist und deshalb nicht die Kompetenz hat, darüber zu entscheiden.

Kaum ein Insider hatte wirklich erwartet, dass neue Ermittlungen eingeleitet würden. Im Wesentlichen durch den Druck, das alte Strafurteil nicht anzutasten.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.10.2019 um 08:19
Zitat von roberndrobernd schrieb:Kaum ein Insider hatte wirklich erwartet, dass neue Ermittlungen eingeleitet würden. Im Wesentlichen durch den Druck, das alte Strafurteil nicht anzutasten.
Genau das ist der Punkt. Dafür gibt es rechtliche Gründe, die die Staatsanwaltschaft zu Recht anführen kann. Das heißt nicht, dass der Fall gelöst oder die Verurteilung von Herrn Mazurek objektiv richtig ist.

Aber auch ein Staatsanwalt, der subjektiv große Zweifel hat, ob Herr Mazurek Schuld am Tod von Ursula ist, hat angesichts der Sach- und Rechtslage schlechte Karten. Er müsste nicht nur Vorgesetzte davon überzeugen, warum es ein Mord gewesen sein soll. Spätestens bei Ermittlungsmaßnahmen, die einer richterlichen Verfügung bedürfen, müsste er seinen Verdacht rechtlich wasserdicht begründen. Und das ist schwierig.

Ich kann hier nur erläutern, warum die Entscheidung "Verjährung" gefällt wurde und warum sie keine Willkür ist. Denn jeder verdächtige Dritte könnte sich mit guten Gründen darauf berufen. In den sachlichen Details des Falles kenne ich mich dagegen nicht aus. Nur soweit: Die Verurteilung von Herrn Mazurek überzeugt mich nicht, der Fall ist letztlich ungelöst. Trotzdem muss akzeptiert werden, dass die Ermittlungsbehörden nicht gezwungen werden können, hier weiter aufzuklären.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.10.2019 um 10:09
Zitat von roberndrobernd schrieb:Kaum ein Insider hatte wirklich erwartet, dass neue Ermittlungen eingeleitet würden. Im Wesentlichen durch den Druck, das alte Strafurteil nicht anzutasten.
Nein, das Urteil gegen Mazurek hat rechtlich mit neuen Ermittlungen nichts zu tun.

Nehmen wir mal an, Mazurek wäre in einem wiederaufgenommenen Verfahren freigesprochen worden. Dann würde der Fall Ursula Herrmann wieder als unaufgeklärtes Verbrechen geführt. Würden insoweit dann neue Ermittlungen gegen irgendwen (auch unbekannt) eingeleitet, wäre das Ergebnis nicht anders als jetzt: Mögliche Straftat nach § 239 a StGB verjährt, Totschlag auch, nur Mord noch nicht verjährt, aber für vorsätzlichen Mord durch bekannte oder unbekannte Dritte keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte.

Man muss sich davon freimachen, dass bei den kürzlich tatsächlich vorgenommenen neuen Ermittlungen die StA ständig auf Mazurek geschielt hätte. Das tun zwar manche User hier, indem sie sich von neuen Ermittlungen nichts anderes als Munition für ein WA für Mazurek erhofft haben. So denkt aber die StA überhaupt nicht und darf es nach ihrem gesetzlichen Auftrag insoweit auch nicht. Die StA hat halt, wie immer in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wer (hier abgesehen von M.) als Täter in Betracht kommen und wie man ihm was beweisen könnte. Der Fokus ist allein auf potentielle bekannte oder unbekannte Täter gerichtet, nicht auf Mazurek bzw. auf ein WA-Verfahren betreffend M. Das WA-Verfahren ist eine völlig andere Baustelle.

Richtig ist nur, dass die StA selbst, wenn sie denn je bei neuen Ermittlungen ausreichende Tatsachen für die Tatbegehung durch andere gefunden hätte, DANACH zugunsten von M einen WA-Antrag hätte stellen können. Mit den Ermittlungen selbst hat das aber rechtlich und tatsächlich nichts zu tun.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.10.2019 um 10:58
PS: Das Urteil gegen Mazurek hat auch keinerlei Einfluss auf die Frage der Verjährung in Bezug auf potentielle andere bekannte oder unbekannte Tatverdächtige.

Für jeden Tatverdächtigen ist individuell zu prüfen, ob in seiner Person die gesetzlichen Voraussetzungen der Verjährung vorliegen oder auch nicht. Das hat die StA hier richtigerweise ganz unabhängig vom Urteil gegen M. getan. Sie hat die Ablehnung der Einleitung von neuen Ermittlungen auch nicht etwa mit einem Hinweis auf das Urteil gegen M abgelehnt, sondern aus den bekannten Gründen, die sie auch angeführt hätte, wenn M. freigesprochen wäre.


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03.10.2019 um 12:04
Zitat von AndanteAndante schrieb:Nein, das Urteil gegen Mazurek hat rechtlich mit neuen Ermittlungen nichts zu tun.
Formal nein. Aber tatsächlich.

Mazurek wurde eben nicht freigesprochen, sondern seine Täterschaft (rechtlich) zweifelsfrei festgestellt. Rechtskräftig. Natürlich wird danach geschielt. Es muss sogar. Die Staatsanwaltschaft kann diese Verurteilung nicht einfach ignorieren.

Will die Staatsanwaltschaft wieder ermitteln, benötigt sie davon ausgehend zureichende zusätzliche oder davon abweichende Anhaltspunkte (für Mord, da sonst Verjährung).


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.10.2019 um 13:49
Zitat von monstramonstra schrieb:Formal nein. Aber tatsächlich.

Will die Staatsanwaltschaft wieder ermitteln, benötigt sie davon ausgehend zureichende zusätzliche oder davon abweichende Anhaltspunkte (für Mord, da sonst Verjährung).
So gesehen stimmt das natürlich. Die StA wird selbstverständlich in tatsächlicher Hinsicht bedacht und geprüft haben, ob das, was damals bei Mazurek für eine Verurteilung wegen Mordes nicht gereicht hat, jetzt für die Einleitung von Ermittlungen gegen jemand anderen wegen Mordes, auch für eine Anklage reicht, und schlussendlich für eine Verurteilung wegen Mordes ausreicht. Das scheint sie verneint zu haben.

Die StA hat dann wahrscheinlich weiter untersucht, ob das, was darüber hinaus an tatsächlichen Anhaltspunkten (hinausgehend über bloße Vermutungen) neu hinzugekommen sein sollte, für Mordermittlungen genügt. Das hat sie ebenfalls verneint.


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03.10.2019 um 13:58
Könnte ein Ermittlungserzwingungsverfahren hier juristisch greifen?

Eine Ermittlungserzwingungsklage wird bisweilen notwendig, wenn die Staatsanwaltschaft nach einer Strafanzeige bereits den Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO) aus rechtlichen Gründen verneint und deshalb die Strafakte sofort wieder schließen will – ohne jegliche oder zumindest ohne eine intensivere Aufklärung des tatsächlichen Sachverhalts.

https://www.strafakte.de/strafprozessrecht/ermittlungserzwingungsverfahren/amp/


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03.10.2019 um 14:07
Zitat von panta_rheipanta_rhei schrieb:Könnte ein Ermittlungserzwingungsverfahren hier juristisch greifen?
Bisher wohl nicht. Erstens liegt keine Strafanzeige vor. Zweitens stehen Ermittlungs- und Klageeruwingungsverfahren nur dem durch die vermutliche Straftat Verletzten selber zu. Drittens ist nicht ersichtlich, dass die StA keine Bemühungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.10.2019 um 14:19
Zitat von AndanteAndante schrieb:Erstens liegt keine Strafanzeige vor. Zweitens stehen Ermittlungs- und Klageeruwingungsverfahren nur dem durch die vermutliche Straftat Verletzten selber zu. Drittens ist nicht ersichtlich, dass die StA keine Bemühungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat.
Was heißt „nur dem durch die Straftat Verletzten selber“, wenn die Straftat ein Tötungsdelikt ist?
2r2n hat mit seinem Schreiben an die StA auf mehrere Sachverhalte hingewiesen, die nicht ausreichend bzw. nicht ermittelt wurden. Es geht bei dem Ermittlungserzwingungsverfahren ja anscheinend nicht nur um den Fall, dass es „keine“ Bemühungen gibt, sondern unzureichende bis fehlende Ermittlungen, oder?
Wenn 2r2n statt sich mit einem bloßen Schreiben an die StA zu wenden, Anzeige erstattet hätte (auf der Grundlage der gleichen Anhaltspunkte)- wäre es dann möglich?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

03.10.2019 um 14:47
Zitat von panta_rheipanta_rhei schrieb:Wenn 2r2n statt sich mit einem bloßen Schreiben an die StA zu wenden, Anzeige erstattet hätte (auf der Grundlage der gleichen Anhaltspunkte)- wäre es dann möglich?
Soweit ich weiß, hat @2r2n bisher keine Strafanzeige erstattet. Daher hat er ja auch keinen formellen Bescheid darüber bekommen, dass keine Ermittlungen aufgenommen werden. Wäre das - auf eine Strafanzeige hin - aber der Fall gewesen, müsste man dann prüfen, ob er „Verletzter“ im Sinne eines Ermittlungs- oder Klageerzwingungsverfahrens und damit antragsberechtigt für ein solches Verfahren ist.

Bei einem Tötungsdelikt gehören zum Verletztenkreis in diesem Sinne nur bestimmte Personen, die sich aus § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO ergeben.

http://examensrelevant.de/antragsberechtigung-beim-klageerzwingungsverfahren/

Als Bruder des Opfers wäre er also, Strafanzeige vorausgesetzt, zur Einleitung eines Ermittlungserzwingungsverfahrens antragsberechtigt. Das zuständige Oberlandesgericht müsste nach vorangegangener erfolgloser Beschwerde bei der StA gegen die Nichtaufnahme von Ermittlungen darüber entscheiden, ob es dem Antrag stattgibt und die Aufnahme von Ermittlungen anordnet oder den Antrag als unzulässig verwirft bzw. als unbegründet zurückweist (vgl. §§ 174, 175 StPO, die sich ihrem Wortlaut nach zwar auf ein Klageerzwingungsverfahren beziehen, auf ein Ermittlungserzwingungsverfahren aber entsprechend anzuwenden sind).

Der Antrag muss hinreichend begründet werden und die Tatsachen angeben, die die Einleitung von Ermittlungen begründen sollen (§ 172 Abs. 3 StPO analog). Ein pauschaler Hinweis, dass die StA bisher nicht oder nicht richtig oder nicht ausreichend ermittelt habe, reicht nicht.
Strafprozeßordnung (StPO)
§ 172 Beschwerde des Verletzten; Klageerzwingungsverfahren (Auszug)

(1) Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen den Bescheid nach § 171 binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft zu.....

(2) Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller binnen einem Monat nach der Bekanntmachung gerichtliche Entscheidung beantragen.....

(3) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muß die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage (hier also die Einleitung von Ermittlungen, Zusatz von mir) begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Er muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein....

(4) Zur Entscheidung über den Antrag ist das Oberlandesgericht zuständig.....



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03.10.2019 um 15:13
@Andante
Danke für die ausführliche Antwort, das finde ich sehr interessant!


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06.10.2019 um 11:42
Zitat von AndanteAndante schrieb am 02.10.2019:Die StA klagt das an und darf nur das anklagen, was sie auch glaubt beweisen zu können. Nicht mehr und nicht weniger.
So ist es. Aufgrund der Spurenlage war eine Tötung des späteren Opfers a priori nicht geplant. Ein Mord wäre durch die StA aufgrund der Spurenlage nicht zu beweisen gewesen, eine Entführung mit Todesfolge aber sehr wohl.
Der Tod des Opfers war, wie der meiner Überzeugung nach zurecht Verurteilte zynisch anmerkte, ein "Betriebsunfall". Konsequent ist es, dass das Strafmaß einer solchen Tat de facto dem einer Mordverurteilung entsprechen kann.

Weitere Ermittlungen in Richtung Mittäter wurden meiner Überzeugung deswegen nicht angestellt, weil die Ermittlungsbehörden davon ausgehen mussten/konnten, dass der oder die Mittäter nicht mehr am Leben sind und/oder eine sichere strafrechtliche Sanktionierbarkeit nicht gegeben ist.

Interessant ist es jedoch, wie es einmal mehr zu anhaltenden Verschwörungstheorien um einen solchen Fall kommen konnte.

Es handelt sich um einen Indizienprozess, allerdings um einen mit einer sehr belastbaren Indizienkette. Löst man ein Indiz raus (z.B. das Tonband), dürfte die Kette immer noch halten.

Im Zentrum der Kampagne gegen das Urteil steht der Bruder der zu Tode gekommenen, der im Prozess als Nebenkläger der Familie auftrat. Der Bruder inklusive der Restfamiie hatten bis dahin versucht, ihr seelisches Heil darin zu finden, dass in Abwesenheit eines Täters etwas Schicksalhaftes, ein "Unfall" als Todesursache der Schwester imaginiert wurde. Das ging mit einem konkreten Verdächtigen, später Verurteilten nicht mehr.

Ich denke, da liegt der Kern all der Bemühungen, gegen das Urteil vorzugehen. Die nun aktuell in Erscheinung getretene anonyme Interessensgruppe, die weiter gegen das Urteil agitieren möchte, sehe ich in Nachfolge der vergeblichen juristischen Bemühungen des Bruders, der im Sommer 2019 sagte, er werde seine juristischen Bemühungen nun ruhen lassen. Zuvor hat er jedoch noch weltweit versucht, verschiedenste Medien (u.a. den Guardian, den BR und sicherlich noch viele mehr) auf den Fall aufmerksam zu machen und für seine Zwecke zu gewinnen.

Man könnte nun all die endlosen Reflexionen über die Indizienbeweise und juristischen Einschätzungen als Form einer etwas pathologischen Trauerarbeit werten, aber mittlerweile gehen die Spekulationen (und nach den mir bekannten, vom Bruder des Opfers vor getragenen Informationen, handelt es sich um reine Spekulationen) in Richtung konkreter ehemaliger Schüler des dem Tatort nahe gelegenen Schullandheims. Narrativ: reiche, politisch einflussreiche Kreise schützen ihre potentiell als Täter in Frage kommenden Söhne/ehemalige Schüler des Landheims durch Einflußnahme auf Exekutive und Justiz. Die nächste Netflix-"Doku" ist gesichert. Da ist für mich eine Grenze überschritten.

Bezüglich der Obduktionsbefunde: Man kann Prof. Eisenmenger schon zutrauen, einen hypokapnischen Erstickungstod festzustellen und eine Strangulation (die übrigens wesentlich aufwendiger und schwieriger ist, als die meisten glauben) auszuschließen. "Verfärbungen der Haut" sind per se erstmal unspezifisch und kein zwingender Hinweis auf eine Gewaltausübung im Halsbereich, solange es nicht zum Beispiel zu typischen Einblutungen im Gewebe oder ähnlichem gekommen ist.

Die Tat hat offensichtlich zu mehreren Opfern geführt. Wie das leider meist der Fall ist.


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