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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

28.09.2019 um 12:46
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Wenn man dies schon her nimmt, Ermittlungen einzustellen, müsste man jedes Ermittlungsverfahren von Anfang an einstellen, in der Regel hat man zu Beginn von Ermittlungen nie einen hinreichenden Tatverdacht gegen eine Person, die ergibt sich gerade erst im Laufe der Ermittlungen.
Aber liegt das Problem nicht eben gerade darin, dass das Urteil gesprochen, der Fall/die Ermittlungen abgeschlossen, das Gericht nicht als Mord eingestuft hat? Womöglich hätte es anders ausgesehen, wenn beim Strafprozess bereits die Hinweise auf Eventualvorsatz/Überdosierung/bewusstes Zurücklassen des komatösen, hilflosen Kindes gegeben hätte. Wenn damit WM wegen Mordes angeklagt und verurteilt hätte, müssten die Behörden ganz anders reagieren, sobald es Hinweise auf weitere/andere Täter gibt (da keine Verjährung der Tat). So wie es nun steht, müssten es nicht nur Hinweise und Verdächtigungen, sondern handfeste Beweise geben für 1. Eventualvorsatz/Mord und gleichzeitig andere Täter.
Man wird den Eindruck nicht los, dass hier ein besonders unanfechtbares Urteil in Stein gemeißelt wurde. Da ist die Bemerkung des Gerichts, es sei haarscharf am Mord vorbei gewesen, fast schon sarkastisch... (denn im Grunde wäre ein Urteil wegen Mordes auch für WM „besser“)


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

28.09.2019 um 14:53
Zitat von panta_rheipanta_rhei schrieb:Aber liegt das Problem nicht eben gerade darin, dass das Urteil gesprochen, der Fall/die Ermittlungen abgeschlossen, das Gericht nicht als Mord eingestuft hat?
Der StA hat argumentiert, dass er das ursprüngliche Urteil nicht ausreichend erschüttert ansieht. Hätte die StA das damit belassen, hätte man es noch verstanden, wobei man damit schon arge Bauchschmerzen bekommt. Die Korrelationen der von @2r2n erkannten Tatsachen sind mehr als auffällig.

Aber der Hinweis auf die Verjährung der Straftat ist unlogisch und damit kann man nicht die Einstellung der Ermittlungen begründen.

Wenn man das ganze etwas globaler betrachtet, so dürfte @monstra mit seiner Vermutung richtig liegen. Es dürften nicht wirklich rechtliche Hemmnisse vorliegen, es fehlt in Wirklichkeit das Interesse an der Wahrheitsfindung.

Die StA hatte diese Hinweise ein Jahr lang liegen gelassen und erst auf die erneute Nachfrage der Presse hin, hat man sich bequemt hier eine Erklärung abzugeben. Irgend welche Ermittlungen hat die StA in dieser Zeit überhaupt nicht aufgenommen, sie hat nur die vorgelegten Hinweise von @2r2n ansehen müssen, eine Antwort in dieser Art hätte man eigentlich schon einen Monat später erwarten können. Aber das passt letztlich auch alles zusammen, zu der Verzögerung des Zivilgerichts, das nicht nachvollziehbares Zivilurteil und auch der unlogische Hinweis zur Verjährung. Man will @2r2n schlicht und einfach leider nur abwimmeln.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

28.09.2019 um 15:33
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Es dürften nicht wirklich rechtliche Hemmnisse vorliegen, es fehlt in Wirklichkeit das Interesse an der Wahrheitsfindung.
Ja, dieses Eindrucks kann man sich nicht erwehren.


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28.09.2019 um 15:35
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Es dürften nicht wirklich rechtliche Hemmnisse vorliegen, es fehlt in Wirklichkeit das Interesse an der Wahrheitsfindung.
Das kann man nicht so einfach trennen. Das Interesse einer Ermittlungsbehörde ist wesentlich vom rechtlichen Rahmen geprägt. @Andante hat das sehr ausführlich und völlig zutreffend dargestellt.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Mit „Interesse“ der StA haben diese gesetzlichen Regelungen gottlob nichts zu tun, denn sie schützen uns alle vor willkürlichen Strafverfolgungsmaßnahmen. Es wäre schlimm, wenn die StA ermitteln dürfte, wie es ihr passt und woran sie „Interesse“ hat.
Nun handeln immer Menschen und nicht Gesetze und es gibt neben rechtlichen Erwägungen immer noch weitere Motive. Die habe ich genannt. Wäre ich hier Staatsanwalt, würde ich die Sache genauso sehen wie die zuständige Staatsanwaltschaft und wie @Andante. Es fehlt an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für einen Mord. Die denkbare theoretische Möglichkeit einer solchen Tat reicht noch nicht aus. Im weiteren wäre ein Ermittlungsverfahren, das "ins Blaue hinein" geführt wird, von vorne herein ziemlich sinnlos. Und wer macht schon gerne sinnlose Arbeit?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

28.09.2019 um 16:41
@monstra

Ich denke ins "blaue hinein" sind Ermittlungen nicht notwendig, ich denke Du kennst den Fall nicht ausreichend, außerdem hat @2r2n hier auch aus gutem Grund nicht alle Indizien mitgeteilt. Hier müssen keine Ermittlungen ins Blaue erfolgen, es gibt in konkrete Namen, welche hier natürlich aus gutem Grund nicht genannt werden dürfen.

Zumindest die Auffindetatsachen sind Dir vermutlich bekannt, dazu gehört - was ich besonders wichtig finde - das übersteckte Genick. Aus diesem lässt sich aus meiner Sicht eben nicht nur rein theoretisch ableiten, dass hier ein Eventualvorsatz vorgelegen haben könnte. Die Täter wussten zumindest von der Gefahr und haben das Opfer dann allein gelassen. Sie könnten zwei Beweggründe dafür gehabt haben: "Wird schon gut gehen" oder "Ist mir egal". Wenn der Eventualvorsatz angeblich rein theoretisch wäre, könnte man "Wird schon gut gehen" ebenfalls als rein theoretisch behaupten. Irgend was stimmt dann aber an den Überlegungen insgesamt nicht.

Wann würdest Du persönlich im vorliegenden Fall das als nicht mehr nur rein theoretische Möglichkeit ansehen, dass ein Eventualvorsatz ausreichend wahrscheinlich ist (einen geringe Wahrscheinlichkeit reicht angeblich) bzw. warum "Wird schon gut gehen" wahrscheinlicher sein soll?



Leider kommt @Andante hier häufig immer nur mit der Frage der Anklage, wo aber ein hinreichender Tatverdacht notwendig sein muss. Ein hinreichender ist für einen Anfangsverdacht jedoch nicht notwendig, es reicht nur eine geringe Wahrscheinlichkeit.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

28.09.2019 um 17:08
Die Auffindesituation reicht meiner Meinung nach nicht aus, denn die ist den Ermittlungsbehörden schon seit über 35 Jahren bekannt. Im Verfahren gegen den Verurteilten hat man eine bestimmte Interpretation präferiert und das Gericht hat sich dem angeschlossen. Unabhängig von den weiteren Indizien, die der Bruder des Opfers gesammelt hat, ist es schon deshalb sehr schwierig, nunmehr eine andere Interpretation des Tatgeschehens anzunehmen.

Auch wenn ich glaube, dass Herr Mazurek wegen mangelnder Beweise nicht verurteilt hätte werden dürfen, so ist seine rechtskräftige Verurteilung ein Faktum. Hier ohne Wiederaufnahme ein Ermittlungsverfahren zu erlangen erscheint mir sehr sehr schwierig. Etwaige andere Beweise haben eine besonders hohe Hürde zu überwinden, bevor sie die Einleitung eines neuen Ermittlungsverfahrens rechtfertigen. Auf der anderen Seite stehen schließlich Personen, die dann verdächtigt werden würden und gegen die evtl. ermittelt werden würde (ich denke z.B. an die Schüler). Sie könnten dann das Strafverfolgungshindernis der Verjährung geltend machen und die StA müsste dann begründen, warum keine Verjährung eingetreten ist.

Alles sehr schwierig. In so eine Situation begibt man sich als StA nur, wenn es sehr evidente Beweise gibt. Die haben wir aber nicht.


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28.09.2019 um 18:49
@monstra

Danke für die ausführliche Antwort. Das sind wir bzgl. unserer Sichtweise eigentlich gar nicht groß unterschiedlich.

Als Hemmnis - auch bzgl. der Verjährungsfrage - ist offenbar "nur" das rechtskräftige Urteil. Man darf aber nicht vergessen, die Frage des Eventualvorsatz ist dort nur im Sinne von "in dubio pro reo" erfolgt. @ErwinKöster hat hier schon mal die Punkte der Urteilsbegründung aufgezeigt, dass diese Punkte nicht wirklich nachvollziehbar bzw. widersprüchlich begründet sind. Aber das ist schon ausreichend behandelt.

Hätte das Gericht hier anders entschieden, hätte es natürlich auch über die Frage nach der Schwere der Schuld entscheiden müssen.

Vorliegend bedeutet das aber auch, sollte es doch zu einem (unwahrscheinlichen ) Wiederaufnahmeverfahren und einem Freispruch Ms kommen, gibt es dieses Hemmnis nicht mehr und die StA wäre durchaus gefordert, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Schlussendlich wäre dann der Eventualvorsatz eben nicht einfach nur eine theoretische Möglichkeit


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

28.09.2019 um 20:11
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Aber der Hinweis auf die Verjährung der Straftat ist unlogisch und damit kann man nicht die Einstellung der Ermittlungen begründen.
Noch einmal: die Verfolgung verjährter Taten ist gesetzlich verboten. Schau ergänzend zu dem, was ich bereits geschrieben habe, weiter in § 78 StGB.
Strafgesetzbuch (StGB)
§ 78 Verjährungsfrist

(1) Die Verjährung schließt die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) aus. § 76a Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht.

(3) Soweit die Verfolgung verjährt, beträgt die Verjährungsfrist
1.
dreißig Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
2.
zwanzig Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bedroht sind,
3.
zehn Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind,
4.
fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind,
5.
drei Jahre bei den übrigen Taten.

(4) Die Frist richtet sich nach der Strafdrohung des Gesetzes, dessen Tatbestand die Tat verwirklicht, ohne Rücksicht auf Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind.
Also: § 78 Abs. 1 Satz 1 StGB schließt nun mal die Ahndung verjährter Taten aus. Deutlicher geht es nicht. Die StA DARF also verjährte Taten nicht verfolgen, ein Gericht darf solche Taten nicht aburteilen, Punkt. Auf irgendwelche Interessen der StA oder des Gerichts kommt es null an.

Aus § 78 Abs. 3 Nr. 3 in Verbindung mit § 239 a Abs. 3 StGB ergibt sich, dass erpresserischer Menschenraub mit Todesfolge, welcher mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, nach dreißig Jahren verjährt ist.

Maßgebend für den Beginn der dreißigjährigen Verjährungsfrist ist der Zeitpunkt der Beendigung der Tatbegehung und der des Eintritts des Taterfolges, hier der Zeitpunkt von Ursulas Tod, siehe § 78 a StGB.
Strafgesetzbuch (StGB)
§ 78a Beginn

Die Verjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist. Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt.
Hier begann also die dreißigjährige Verjährungsfrist im September 1981 und war folglich im September 2011 abgelaufen. Einer der gesetzlich geregelten Tatbestände des Ruhens oder der Unterbrechung der Verjährung nach §§ 278 b oder 278 c StGB liegt nicht vor.

Das heißt: Ab September 2011 DARF die StA im Fall Ursula Herrmann überhaupt gegen niemanden mehr wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge nach § 239 a StGB ermitteln, wegen Taten, die mit geringerer Strafe bedroht sind und die daher kürzere Verjährungsfristen haben, schon gleich gar nicht.

Das heißt weiter: Die StA darf heute überhaupt nur noch gegen jemanden wegen Mordes ermitteln, weil heute nur Mord noch nicht verjährt ist, wie aus § 78 Abs. 2 StGB hervorgeht. Das ist doch nicht so schwer zu verstehen. Man muss nur den Gesetzeswortlaut lesen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

28.09.2019 um 20:25
@Andante

@monstra hat es schon ausreichend erklärt. Ich denke auf dem am Thema vorbeigehende Erklärung können wir hier wirklich verzichten.

Hier geht es einzig und allein um die Frage, ob die Eventualvorsatz nur eine rein theoretische Möglichkeit ist. Nach dem letzten Beitrag sieht es @monstra nur als "theoretische" Möglichkeit an, weil das ursprüngliche Urteil hier einen (in meinen Augen zu) großen Einfluss hat.

Wie gesagt, Deine übrigen Äußerungen gehen am Thema vorbei, bei einem Eventualvorsatz wäre die Tat eben nicht verjährt. Rechnen kann ich ausreichend selber (mehr als das), dass mittlerweile mehr als 30 Jahre vergangen sind und daher alles außer Mord verjährt ist, brauchst Du hier daher nicht vorzurechnen, das dürfte hier jeder wissen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

28.09.2019 um 20:45
Zitat von JosefK1914-2JosefK1914-2 schrieb:Rechnen kann ich ausreichend selber (mehr als das), dass mittlerweile mehr als 30 Jahre vergangen sind und daher alles außer Mord verjährt ist, brauchst Du hier daher nicht vorzurechnen, das dürfte hier jeder wissen.
Dann ist es ja gut. Es besteht also Konsens, dass die StA hier nur noch wegen Mordes ermitteln darf, wegen anderer Taten aber nicht, da diese verjährt sind und daher insoweit ein gesetzliches Verfolgungshindernis besteht, egal wie groß oder klein generell das „Interesse“ der StA an der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen einer längst verjährten und daher nicht verfolgbaren Tat auch sein mag.

Es besteht also weiter Konsens, dass man daher hier sinnvollerweise nur darüber diskutieren sollte, welche Fakten objektiv für Mord und welche Fakten dafür sprechen, dass der oder die Täter subjektiv auch einen entsprechenden Mordvorsatz hatten. Die Antwort der StA auf diese Fragen kennen wir bereits: Nicht genug tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO, um ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes (gegen unbekannt?) einzuleiten.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

28.09.2019 um 21:03
Zitat von AndanteAndante schrieb:Nicht genug tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO, um ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes (gegen unbekannt?) einzuleiten.
Wie schon @monstra sagt, es ist "nur" die Sichtweise der StA, die eben maßgebend durch das Strafurteil gegen M geleitet sein wird. Bei den vorliegenden Anhaltspunkten gibt es nur zwei Möglichkeiten ("Wird schon gut gehen" bzw. "Den Tod nehme ich in Kauf"). Eine Begründung, dass nur eine von beiden Möglichkeiten rein theoretischer Natur sein soll, kann man in Wirklichkeit nicht erbringen, es hat hier auch keiner von Euch versucht.

Du betest hier nur diese Behauptung ständig vor, dass es angeblich keine ausreichenden Anhaltspunkte gibt, ohne in Wirklichkeit auf die vorliegenden Tatsachen wirklich einzugehen. Wie Du wohl weist, kannst Du bei mir mit solch unkonkreten Behauptungen keinen Staat gewinnen. Ich denke, dass gilt hier auch für einige andere Thread-Teilnehmern.

Schönen Abend noch.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

29.09.2019 um 11:20
Zitat von AndanteAndante schrieb:Das heißt weiter: Die StA darf heute überhaupt nur noch gegen jemanden wegen Mordes ermitteln, weil heute nur Mord noch nicht verjährt ist, wie aus § 78 Abs. 2 StGB hervorgeht. Das ist doch nicht so schwer zu verstehen. Man muss nur den Gesetzeswortlaut lesen
Das wissen wir bereits, da du es bereits ad infinitum gepostet hat. Wir wissen, dass bezüglich § 239a der Zug durch ist. Hier geht es folglich auschliesslich um die Frage, ob die Tat möglicherweise nicht doch unter einen Mord subsumierbar sein könnte.
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Interessant übrigens in dem Zusammenhang, dass der Fall Ursula Herrmann bis 2007 immer als Mordfall geführt wurde. Erst mit dem Engagement ab 2007 wurde die neue Einstufung durch die StA vorgenommen.
Das ist eine gute Frage! Im Aktenzeichen XY Fall vom 1.10.1982 spricht auch Zimmermann von Mord. Das hätte er ohne vorherige Absprache mit den Ermittlern sicher nicht getan. 2007 bei den "neuen Ermittlungen" war dann keine Rede mehr davon. " Sehr sehr nahe am Mord" klingt ein bisschen euphemistisch, wenn man aus Erfahrung weiss, dass es normalerweise andersrum gemacht wird. Dazu passt was @panta_rhei schreibt:
Zitat von panta_rheipanta_rhei schrieb:Daher meine o.g. umständliche Nachfrage - irgendwie scheint mir das Urteil doppelt abgesichert zu sein vor einem erneuten Aufrollen. Die Ermittlungen sind abgeschlossen, WM sitzt in Haft und der Fall ist verjährt. Dadurch kann es keine Ermittlungen bezüglich der Mittäter geben, selbst wenn ein Dutzend mal im Urteil auf ihre Existenz hingewiesen wird. So ist es unmöglich, weitere ebenso wie andere Täter zu ermitteln.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Insofern ist mir bis heute unklar, wieso es für einige Diskutanten in Ordnung zu gehen scheint, dass Mazurek nicht wegen Mordes verurteilt wurde, bei anderen Tätern aber eine Verurteilung wegen Mordes durchaus ok wäre.
Mazurek hätte Kenntnisstand 2019 überhaupt nicht verurteilt werden dürfen, er hätte aber ohne weiters des Mordes angeklagt werden können.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

30.09.2019 um 01:45
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:er hätte aber ohne weiters des Mordes angeklagt werden können.
Wieso?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

01.10.2019 um 00:07
Das musst du bitte die fragen, die 2007 statt Mord auf den erpresserischen Menschenraub gekommen sind. Und fragen wieso.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

01.10.2019 um 15:00
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Das musst du bitte die fragen, die 2007 statt Mord auf den erpresserischen Menschenraub gekommen sind. Und fragen wieso.
Es war doch so, das die Nebenklage auf Mord plädiert hat:
Die Anwältin von Ursula Herrmanns Eltern, Marion Zech, forderte, Werner M. wegen Mordes aus Habgier zu verurteilen. "Das Lüftungssystem konnte von vorneherein nicht funktionieren in diesem unterirdischen Gefängnis", sagte sie. "Das war ein sicheres Todesurteil."
https://rp-online.de/panorama/deutschland/ursula-herrmann-erstickte-lebendig-begraben_aid-12900701


... und das Gericht den Mordvorwurf verneint hat:
1. Wieso wurde Fall Ursula Herrmann nicht als Mord gewertet?

Das Gericht hat 2010 festgestellt, dass der Verurteilte nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt hat. Er hat für das Mädchen eine Kiste gebaut, inkl. Belüftungssystem und elektrischer Beleuchtungseinrichtung. In der Kiste deponierte er Lebensmittel, Getränke, eine Radio, Decken, Wechselkleidung und Lesestoff. Diese umfangreichen Vorkehrungen sprachen nach Auffassung des Gerichts gegen einen direkten Tötungsvorsatz des Angeklagten. Auch ein bedingter Tötungsvorsatz wurde vom Gericht verneint.

2. Welche Tatmerkmale müssen erfüllt sein, damit man von "Mord" spricht? Als was wurde der Fall Herrmann gewertet?

Ein Mörder ist, wer aus Mordlust, aus Habgier, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus niederen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln gehandelt hat. Mord verjährt nicht.

Der Fall Herrmann wurde vom Gericht nicht als Mord, sondern als erpresserischer Menschenraub mit Todesfolge gewertet. Der Fall sei aber "sehr, sehr nahe am Mordvorwurf", so das Augsburger Landgericht, der Täter habe den Tod des Mädchens leichtfertig in Kauf genommen. Erpresserischer Menschenraub mit Todesfolge verjährt nach 30 Jahren.

3. Wenn ein Fall verjährt ist, kann man wirklich keinen anderen Täter mehr dafür belangen?


Der Fall Herrmann wird nach aktuellem Stand der Dinge als „erpresserischer Menschenraub mit Todesfolge“ gewertet. Allerdings: Sollte bei einem möglichen anderen Täter festgestellt werden, dass bei ihm ein Tötungsvorsatz und die Mord-Merkmale erfüllt sind, dann könnte man den Fall neu als Mord bewerten – und der verjährt, anders als erpresserischer Menschenraub mit Todesfolge, nicht.

4. Wieso sind die Hürden für ein Wiederaufnahmeverfahren so hoch?

Für die hier konkret in Frage kommende Variante einer Wiederaufnahme zugunsten eines Verurteilten braucht es neue Tatsachen, die damals noch nicht bekannt waren. Diese Tatsachen müssen belegen, dass die Verurteilung zu Unrecht erfolgt ist. Und: Es müssen mehr als nur Vermutungen sein.

5. Was ist überhaupt ein Wiederaufnahmeverfahren?

Ein Wiederaufnahmeverfahren im Strafprozess bedeutet, dass ein Strafverfahren wieder aufgerollt bzw. wiederholt wird, das bereits rechtskräftig abgeschlossen war.

6. Was sind "Vor-Ermittlungen" und wie steht es da mit den rechtlichen Hürden?

Das Legalitätsprinzip verpflichtet Polizei und Staatsanwaltschaft, gegen alle verfolgbaren Straftaten einzuschreiten. Gibt es einen ersten Anfangsverdacht – etwa nach einem vagen Hinweis oder einer anonymen Aussage – müssen die Strafverfolgungsbehörden zunächst in sogenannten Vorermittlungen Spuren, Aussagen von Zeugen oder mutmaßlichen Opfern sowie weitere Hinweise sammeln.

Im konkreten Fall hat Michael Herrmann einen Verdacht und legt Indizien vor. Die rechtlichen Hürden sind hier zwar weniger hoch als beim Wiederaufnahmeverfahren. Allerdings gilt bei einem abgeschlossenen Strafverfahren das Gebot des "Rechtsfriedens".
https://www.br.de/nachrichten/bayern/wieso-wurde-fall-ursula-herrmann-nicht-als-mord-gewertet,RL4Zh7T (Archiv-Version vom 23.03.2019)


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2r2n ehemaliges Mitglied

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01.10.2019 um 16:13
@JosephConrad
@ErwinKöster spricht nicht vom Jahr 2010, als das Urteil fiel, sondern vom Jahr 2007, als die StA anfing, gegen Mazurek zu ermitteln. Hier ermittelte sie von Anfang an wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge, obwohl das Verbrechen bis zu diesem Zeitpunkt als Mord eingestuft worden war.
Die Frage nach dem Grund darf also schon gestellt werden. Und ich denke, es war zunächst ein Gedanke der juristischen Sicherheit. Die Einstufung Mord bis zum Jahr 2007 war ja nicht in Stein gemeißelt. Durch die Einstufung als Menschenraub hat man dem kompletten Sachverhalt den Zwang auferlegt, vor dem 15.09.2011 mit einer Verurteilung zu enden. So sehe ich es zumindest als juristischer Laie. Bei einer weiteren Einstufung als Mord hätte die Verteidigung vielleicht viel mehr Möglichkeiten gehabt, dem zu widersprechen und einer womöglichen Verurteilung entgegenzuwirken.
Vielleicht liege ich aber falsch und es gibt einen anderen Grund für die Einstufung.


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01.10.2019 um 16:16
@2r2n
Dazu hätte ich noch eine juristische Frage, die Du vielleicht beantworten kannst: wenn die Nebenklage auf "Mord" plädiert und die StA auf "erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge" muss dann das Gericht sich auch mit dem Plädoyer der Nebenklage auseinandersetzen oder nur mit dem der StA?


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2r2n ehemaliges Mitglied

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01.10.2019 um 16:35
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:wenn die Nebenklage auf "Mord" plädiert und die StA auf "erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge" muss dann das Gericht sich auch mit dem Plädoyer der Nebenklage auseinandersetzen oder nur mit dem der StA?
Das weiß ich nicht. Das Gericht ist auf jeden Fall nach meiner Erinnerung nicht darauf eingegangen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

01.10.2019 um 16:42
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:@ErwinKöster spricht nicht vom Jahr 2010, als das Urteil fiel, sondern vom Jahr 2007, als die StA anfing, gegen Mazurek zu ermitteln. Hier ermittelte sie von Anfang an wegen erpresserischen Menschenraubs mit Todesfolge, obwohl das Verbrechen bis zu diesem Zeitpunkt als Mord eingestuft worden war.
Wenn die StA von Anfang an wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge ermittelte: Von wem stammt denn dann eigentlich die „Einstufung“ als Mord? Die StA war es dann ja nicht, das Gericht auch nicht.

War es die Polizei?
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Durch die Einstufung als Menschenraub hat man dem kompletten Sachverhalt den Zwang auferlegt, vor dem 15.09.2011 mit einer Verurteilung zu enden. So sehe ich es zumindest als juristischer Laie.
Nein, das stimmt nicht. Durch die Aufnahme der Ermittlungen wegen des Menschenraubs mit Todesfolge war die dortige dreißigjährige Verjährungsfrist unter-brochen und begann wieder neu zu laufen, § 78 c Abs. 1 und Abs. 3 StGB.

Es ist also nicht so, dass innerhalb der Verjährungsfrist auch ein (rechtskräftiges Urteil vorliegen muss. Entscheidend ist, dass vor Ablauf der Verjährungsfrist eine Unterbrechung der Verjährung eintritt, was eben u.a. durch die in § 78 c Abs. 1 StGB genannten Tatbestände eintritt.


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01.10.2019 um 17:03
Zitat von 2r2n2r2n schrieb:Das Gericht ist auf jeden Fall nach meiner Erinnerung nicht darauf eingegangen.
Warum hat dann das Gericht das Folgende gesagt, könnte das bezogen auf die Nebenklage geäußert worden sein?
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Der Fall sei aber "sehr, sehr nahe am Mordvorwurf", so das Augsburger Landgericht, der Täter habe den Tod des Mädchens leichtfertig in Kauf genommen.



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