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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 00:51
Zitat von roberndrobernd schrieb:Aus der Naturwissenschaft bin ich gewöhnt, dass der Behaupter seine Theorie belegen muss. Um sie zu widerlegen reicht es aus, an einem einzigen Beispiel zu demonstrieren, dass sie Fehlerhaft ist. Das funktioniert in dem Fall nicht.
Das hätte im Prozess vielleicht funktioniert. Wobei Richter widerstreitende Gutachter nach Möglichkeit zu verhindern trachten und entsprechende Beweisanträge gerne ablehnen. Insbesondere dann, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass Tatsachen unterschiedlich gewonnen, gewichtet und bewertet werden.

Im Aschaffenburger Fall mit dem Bissgutachten hat das Gericht sogar selbst das Gutachten widerlegt und dem Gutachter schwere Fehler vorgeworfen. Ein neues Gutachten entlastete den Angeklagten und führte zum Freispruch. Aber das ist selten. Im Fall Zschäpe hat die Verteidigung einen zweiten psychiatrischen Gutachter durchgesetzt, der diametrale Ansichten zum gerichtlich bestellten Psychiater hatte. Das nutzte der Angeklagten nichts, denn es wurde ein Fiasko.
Zitat von roberndrobernd schrieb:Der Beweis, dass die verwendete B3-Tonvorlage niemals zur Tätertonfolge passt, weist zwar auf massive Fehler der Gutachterin hin, widerlegt aber nicht die Gesamtbehauptung. Auch der Beweis, dass sich die Tätertonfolge auf einfache Weise mit jedem Tonwiedergabegerät einfach erzeugen lässt (bedingt durch Raumakustik) reicht nicht aus. Laut Verteidiger besteht die einzige Chance darin, unabhängig vom festgeschriebenen und mittlerweile unangreifbaren Gutachten zu zeigen, dass das TK 248 nicht dafür verwendbar ist.
Nach einer Verurteilung gibt es halt nur noch die Wiederaufnahme. § 359 Nr. 5 StPO ist hier ja schon häufig erwähnt worden. Da ist nicht entscheidend, ob ein Gutachten naturwissenschaftlich durch ein weiteres Gutachten widerlegt wird. Sondern es bedarf neuer Tatsachen oder Beweismittel, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten zu begründen geeignet sind.

Das ist eine hohe Hürde, bei der hier noch nicht einmal ohne Weiteres entschieden werden kann, ob ein Wegfall des Gutachtens zu einem Freispruch führen müsste. Denn es gibt ja noch eine Reihe weiterer Indizien, auf die sich das Gericht gestützt hat. § 359 Nr. 5 StPO möchte mit dem Erfordernis der Neuigkeit und der Geeignetheit verhindern, dass es zu leicht möglich ist, einen aufwendigen Prozess wieder aufzurollen. Ob diese Hürde vom Gesetzgeber und in Anwendung durch die Rechtsprechung vielleicht zu hoch ist, ist eine andere Frage.

Hier wäre, wir hatten das ja schon ausführlich erörtert, mindestens eine eindeutige gutachterliche Stellungnahme erforderlich, dass das TK 248 gar nicht verwendet worden sein kann. Der Nachweis der Fehlerhaftigkeit des Prozessgutachtens reicht nicht aus. Das Problem ist nun, dass sich der Nachweis einer Sache, die gar nicht da ist, nur sehr schwer seriös wird führen lassen.

Das alles nur als Ergänzung zu @robernd


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 01:03
Zitat von AndanteAndante schrieb:Den ersten James-Bond-Film mit dem hochverehrten Sean Connery gab es bereits 1962, und den allersten Bond-Film um 1954. Wobei ich den damals mit dem Fall Herrmann befassten Polizisten nicht Unrecht tun will.
James Bond? Kleinstwagen? Gelb?

Jetzt wo Du es sagst: "For your eyes only" lief in den Deutschen Kinos am 6. August 1981 (!) an:

Youtube: 2CV James Bond compilation
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Ganz ernsthaft: Sollte uns das etwas sagen?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 01:11
Zitat von OpLibelleOpLibelle schrieb:Ganz ernsthaft: Sollte uns das etwas sagen?
Vielleicht hatten Polizisten den Film gesehen und kamen da auf gewisse Gedanken...

Aber der zweite Erpresserbrief mit dem gelben Fiat wurde wohl vor dem Filmstart geschrieben (laut Urteil Seite 26!27) frühestens Anfang Juni 1981. Ich denke, die Täter hatten mit dem Fiat andere Ideen verbunden.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 01:11
Zitat von AndanteAndante schrieb:Maßgebend ist nicht, was Journalisten schreiben, was ein Richter gesagt hat bzw. wovon die Journalisten glauben, dass es der Richter so gesagt hat.
Rechtlich ja. Für die öffentliche Meinungsbildung ist aber das maßgeblich, was Journalisten schreiben. Sie sind auch der Transmissionsriemen des Öffentlichkeitsprinzips, denn die wenigsten Bürger können im Gerichtssaal sitzen oder 300seitige Urteile durchackern. Die Beobachtungen und Berichte der Journalisten liefern die Argumente für die öffentliche Diskussion, die über die Politik bis hinein in die Gesetzgebung wirkt. Wir sind uns einig, das die Berichterstattung aus Sicht der Fachleute Schwächen hat, aber gerade die ausführliche Berichterstattung unter Beachtung journalistischer Sorgfaltspflichten ist zumeist sehr gut.

Im Fall mit der Kiste dürfte die Aussage des Richters aus der mündlichen Urteilsverkündung stammen. Es ist nicht naiv, wenn man der Berichterstattung hier Glauben schenkt.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Deswegen muss man das, was Journalisten schreiben, und das, was Richter schreiben, schon sehr scharf trennen.
Im Prinzip ja, wobei für Nichtjuristen das gilt, was ich gerade gesagt habe.

In diesem Fall geht der Hinweis aber schon deshalb fehl, weil im Urteil auf Seite 102 f. genau das dargestellt wird, was der Richter gesagt haben soll: Es konnte nicht festgestellt werden, wo die Kiste gebaut worden war.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 01:15
Zitat von monstramonstra schrieb:Im Fall mit der Kiste dürfte die Aussage des Richters aus der mündlichen Urteilsverkündung stammen.
Richtig ist, dass Urteile mündlich begründet werden. Es ist aber höchst erstaunlich, was Journalisten da so mitnehmen bzw. verstanden zu haben glauben, wie auch sonst es manchmal ganz verwunderlich ist, was sie aus Verhandlungen berichten. Wer selbst dabei war und hinterher liest, was dort (nicht nur von Richtern, sondern auch von Anwälten oder anderen Prozessbeteiligten) gesagt worden sein soll, fragt sich manchmal, ob er wirklich in der gleichen Veranstaltung war.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 01:26
Zitat von monstramonstra schrieb:Für die öffentliche Meinungsbildung ist aber das maßgeblich, was Journalisten schreiben.
Der Satz ist so was von richtig. Er gilt für ALLE Themen, die in dieser Republik diskutiert werden, egal ob es um Corona, Hartz-IV-Regelsätze, die letzte Gemeinderatssitzung, Brexit, Abfallgebühren, Sport, Bücher die man lesen muss, Bundeswehr, Gesundheitssystem und, und und geht.

Das, was wir daher mit am dringendsten in diesem Land brauchen, sind kompetente Fachjournalisten. Leider wird auch da zunehmend gespart. Festangestellte gelernte Journalisten werden durch freie Mitarbeiter, die Zeilenschreiber, ersetzt.


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17.12.2020 um 01:30
Zitat von AndanteAndante schrieb:Es ist aber höchst erstaunlich, was Journalisten da so mitnehmen bzw. verstanden zu haben glauben, wie auch sonst es manchmal ganz verwunderlich ist, was sie aus Verhandlungen berichten. Wer selbst dabei war und hinterher liest, was dort (nicht nur von Richtern, sondern auch von Anwälten oder anderen Prozessbeteiligten) gesagt worden sein soll, fragt sich manchmal, ob er wirklich in der gleichen Veranstaltung war.
Das gibt es. Zumeist wenn der reine Bericht mit Meinung vermischt wird oder gar Meinungsmache betrieben wird. Klassisch die Zeitung mit den großen Buchstaben oder reisserische Berichterstattung mit "Killern", "Monstern" oder "feigen Richtern". Es gibt auch Journalisten, die erkennbar keine Ahnung haben, was da im Saal abläuft und es interessiert sie auch nicht. Sie "posen". Aber da hat jeder Leser, der einigermaßen Deutsch beherrscht, die Möglichkeit, das zu erkennen. Ein Journalist, der sich darauf beschränkt, stundenlang den Hintern platt zu sitzen, einfach das Geschehen zusammenfassend zu berichten und dann noch fundiert erklärt, was es bedeutet, ist leicht zu identifizieren.

Die Berichterstattung, die ich in den letzten Jahren bei Fällen verfolgt habe, zu denen ich einen eigenen Bezug hatte (z.B. weil ich Prozessbeteiligte kannte), die war ganz hervorragend. Die Bürger müssen eine Vorstellung bekommen, was da wie abläuft, weniger entscheidend ist, ob der § nun bis auf den letzten Halbsatz richtig zitiert oder Erlaubnisirrtum und Erlaubnistatbestandsirrtum nicht verwechselt werden.

Auch die gängigen Podcasts, die ich mir in den Lockdown-Zeiten angehört habe, waren von hoher Qualität, wenn sie von Journalisten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder den seriösen Tages- bzw. Wochenmedien gemacht waren. Das gilt auch für die Lokalpresse, hier habe ich viel gehört und gelesen, was einfach verdammt gute Arbeit war.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 01:53
Zitat von monstramonstra schrieb:In diesem Fall geht der Hinweis aber schon deshalb fehl, weil im Urteil auf Seite 102 f. genau das dargestellt wird, was der Richter gesagt haben soll: Es konnte nicht festgestellt werden, wo die Kiste gebaut worden war.
Das ist allerdings richtig. Aus dem Zusammenhang gerissen suggeriert der Satz aber, dass diese Feststellung ausreicht, Mazurek als Kistenbauer auszuschließen. Das liegt aber, und da muss ich mich dann korrigieren, in diesem Fall eher am User @Rationalheld, der diesen Satz aus dem Zusammenhang der im Zeitungsartikel dargestellten Urteilsbegründung, so wie der dortige Verfasser sie zusammengefasst hat, genommen hat.
Zitat von monstramonstra schrieb:Die Bürger müssen eine Vorstellung bekommen, was da wie abläuft, weniger entscheidend ist, ob der § nun bis auf den letzten Halbsatz richtig zitiert oder Erlaubnisirrtum und Erlaubnistatbestandsirrtum nicht verwechselt werden.
Selbstverständlich müssen die Bürger das, nichts wäre schlimmer, als wenn sie sich für staatliche Angelegen aller Art nicht mehr interessieren würden. Es geht ja auch nicht um das OB einer Berichterstattung, sondern um das WIE. Und da sind mir dann schon Journalisten lieber - und die gibt es gottlob -, die bevor sie etwas schreiben, was sie nicht verstanden haben, dann noch mal lieber bei Pressesprecher der Behörde oder des Gerichts nachfragen. Gerade auch in prozessualer Hinsicht besteht da manchmal Klärungsbedarf, weil sich für Anwesende (einschließlich Journalisten) die Frage stellt „Was ist da jetzt gerade passiert? Was für einen Antrag hat der Anwalt gerade gestellt? Und was bedeutet es, wie das Gericht darauf reagiert hat?“.

Aber gut, ich will das Thema nicht totreiten, wir hatten es in anderen Fällen der Krimirubrik ja auch schon gelegentlich.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 07:26
Die Anweisung nicht schneller als 90 km/h zu fahren dürfte ein Entführungs Stereotyp gewesen sein, vermutlich aus Italien stammend, wo Entführungen ja zu dieser Zeit an der Tagesordnung waren: Ein möglichst auffälliges Auto mit einem Erkennungszeichen am Dach (Kojak-Leuchte, Korbflasche) und einer bestimmten Geschwindigkeit, um es gleich von weitem beobachten zu können. Doch die Täter haben hier nicht konsequent gedacht, da der 600er nicht auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegt ist. Oder war das Auto wichtiger wegen der Sperre oder einer Vorliebe dafür (Clever & Smart). Wurde ja schon diskutiert.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 08:31
Die Täterschaft sehe ich nach wie vor als Trittbrettfahrer. Inspiriert von der Welle der Entführungen in den Achtzigern, welche insbesondere italienische Wurzeln im Bereich der Mafia hatte, hatten die pragmatischen Verschleierungen der Täter auf ihre wahre Identität auf eine Mafiaentführung weisen sollen und somit die Behörden durch die falsche Spur von sich zu lenken und naheliegend eine mögliche Täterschaft aus der Umgebung Echings auszuschließen.
Da ist der Fiat 600 ins Spiel gebracht worden, dann die aus Papierschnipseln hergestellte Erpresserbriefe mit absichtlich vielen grammatikalischen Fehlern, die Überfrankierung der Briefe, um zu suggerieren, Italiener kennen die aktuellen Briefportos nicht, zweimal falsch geschriebene Adresse der Herrmanns, die anonymen Anrufe mit dem B3 Jingle, hätten die Täter gesprochen, elektronisch verzerrt oder durch ein Taschentuch (oder gar mit bayrischem Akzent!?), hätte früher oder später eine Identifizierung zur Folge gehabt, was die Täter auch wussten.
Da kommen also ein paar Stammtischkumpel aus der Dorfkneipe auf die Idee einer Entführung und das Opfer direkt vor der Nase aller in der nächsten Umgebung zu verstecken. Da kommt erstmal keiner darauf. Aber als das Kind tot war, war alles anders. Mazurek hat nicht mal mehr den Laden betreten, wo er seine Bildzeitung kaufte. Ein Indiz für Panikreaktion und belastend.
Nur hatte die Täterschaft überhaupt nicht damit gerechnet, dass die Kiste aufgefunden werden würde, und der eingekaufte Inhalt somit auf eine Täterschaft aus dem Umkreis schließen würde. Vor dem Auffinden der Kiste waren die Täter auf der sicheren Seite, alles wies auf eine italienische Täterschaft hin. Dass aber Mazurek den ganzen Tag über die beiden Wochen den Polizeifunk abhörte, zeigt ein besonderes Interesse an dem Entführungsfall auf. Nur was hört er über den Polizeifunk? Koordinierte Maßnahmen die Entführung betreffend? Oder wo sich gerade die Hundertschaft im Wald befindet, die nach dem Mädchen sucht? Diese Erkenntnis über das Abhören entlastet Mazurek als Täter nicht, vielmehr ein Indiz für eine Täterschaft.
Die Lüge, dass er den Weingarten nicht kennt, aber dann wieder zugibt, dass wenn die B 12 überlastet war, er den Weg durch den Weingarten nahm, der unweit der Vergrabungsstelle war, ist ein belastendes Indiz.
Das für meine Begriffe am meisten belastendes Indiz ist, dass Mazurek nach 28 Jahren in einem Telefongespräch über Betriebsunfall und Verjährung spricht. Das heißt aber nichts anders, dass die ganze Zeit 28 Jahre über der Fall Mazurek beschäftigt hatte, woraus wiederum eine mögliche Mit-Täterschaft resultiert. Ein Unbeteiligter vergisst eigentlich so ein schlimmes Erlebnis und insbesondere rechnet er nicht im Voraus nach, wann Verjährung eintritt, weil einem Unbeteiligten eine Verjährung nie in den Sinn kommen würde und somit auch nicht wüsste, dass die Frist 30 Jahre beträgt.
Man kann das Urteil der Kammer (BGH-resistent) auf den Kopf stellen, aber ich sehe bisher keine geringsten Ansatzpunkte für Mazureks Unschuld, geschweige denn die Beweiskette zu durchbrechen.

JagBlack


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 08:51
Zitat von JagBlackJagBlack schrieb:Dass aber Mazurek den ganzen Tag über die beiden Wochen den Polizeifunk abhörte,
Woher beziehst du diese Information?

Belastend war nicht das Nutzen der Gießübler Strasse, denn das haben viele gemacht, sondern dass er gesagt hat er hätte dort mit J Schwammerl gesucht.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 09:57
Zitat von AndanteAndante schrieb:JosephConrad schrieb:
wenn es um Leben und Tod geht, hätte ich einen Fiat 600 zur Not über Nacht gelb gesprüht...

Es kann ja sein, dass die Polizei so etwas gemacht hat, wenn @OpLibelle sich richtig erinnert:

Zitat von oplibelleoplibelle schrieb:
Den Tätern war bewußt, dass es der Familie Herrmann nicht möglich sein würde, ohne die Hilfe der Behörden ein solches Fahrzeug zeitnah zu besorgen (so war es ja auch; wenn ich @2r2n richtig verstanden habe, stand ein gelber Fiat 600 bereit, aber nur, weil die Polizei einen solchen organisiert hatte).
Das hatten wir schon vor langer Zeit diskutiert:
Beitrag von robernd (Seite 121)
Beitrag von robernd (Seite 121)
Natürlich hat de Polizei keine Farbe gesprüht.
Wie ich später erfahren habe, hatte die Polizei den Fiat von einer privaten Halterin aus dem Landkreis. Wie von mir vermutet, wurden der Fiat und auch Herrmanns Auto "präpariert".


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 10:50
Zitat von AndanteAndante schrieb:Maßgebend ist nicht, was Journalisten schreiben
Maßgebend für wen oder was? Entscheidend ist doch (jedenfalls für mich), ob das Geschriebene der Wahrheit entspricht.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Aus dem Zusammenhang gerissen suggeriert der Satz aber, dass diese Feststellung ausreicht, Mazurek als Kistenbauer auszuschließen.
Falsch. Suggerieren tust nur du. Es wird lediglich gesagt, dass die Werkstatt ausgeschlossen werden kann. Dass Mazurek die Kiste irgendwo anders gebaut haben könnte, bleibt als Möglichkeit selbstverständlich bestehen. Es ist aber bemerkenswert und tendenziell entlastend, dass trotz intensiver Ermittlungen dieser andere Ort nicht gefunden werden konnte.

Ad "aus dem Zusammenhang gerissen": Der Artikel ist verlinkt und komplett lesbar. Wenn du der Meinung bist, dass der Satz im Gesamtzusammenhang eine andere Bedeutung bekommt, solltest du dies auch zeigen können. Jeder, der den Artikel liest, sieht, dass der Satz genauso zu verstehen ist, wie er im kontextfreien Zitat erscheint. Der Artikel gibt Teile der Urteilsbegründung (partiell sogar in wörtlicher Rede) seriös wieder.

Du sagst, Journalisten könnten ja eventuell etwas missverstehen, deshalb braucht man das gar nicht ernst zu nehmen. Ich frage mich, wie man sich überhaupt über irgendetwas informieren soll, wenn man von Vornherein und ohne Grund professionellen Journalisten misstraut. Freilich sollte man ihre Aussagen nach Möglichkeit prüfen. Aber Kritik sollte auch irgendwelche Anhaltspunkte haben und niemals fundamental sein.

Außerdem weist @monstra darauf hin, dass sich dieselbe Aussage auch dem Urteil entnehmen lässt.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 11:37
Zum Betriebsunfall, Polizeifunk und Verjährung:

Praktisch jedem Mitarbeiter eines größeren Betriebes oder einer Mechanikwerkstatt ist der Begriff Betriebsunfall allgegenwärtig. Und er bürgert sich auch im täglichen Sprachgebrauch ein.
WM hat außerdem eine lockere Art, mit speziellen Begriffen umzugehen. Das zeigt auch der Briefausschnitt vom Oktober 2020:

WM-Brief-Krankheit

Viele junge Radiobastler haben früher Polizeifunk gehört. Auch ich. Stundenlang, aus Langeweile oder um Freunden zu imponieren. Ab den 1960er Jahren wurde das uninteressant, weil die Polizei fast keine Einzelheiten mehr über Funk verkündet hat. In der Großstadt war dauernd etwas los. In ländlicher Gegend dürfte fast ständig Schweigen zu empfangen sein. Nur wenn einmal etwas passiert, ist es reizvoll zuzuhören.

WM wurde als Beschuldigter vernommen. Er war erstaunt, dass er nicht wegen Mordes sondern "nur" wegen Entführung beschuldigt war. Genau das war wohl Grund genug, über die Ursache und eine mögliche Verjährung nachzudenken.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 12:11
Zitat von roberndrobernd schrieb:WM hat außerdem eine lockere Art, mit speziellen Begriffen umzugehen. Das zeigt auch der Briefausschnitt vom Oktober 2020:
Deshalb hatte ich das Gespräch als "skurril" bezeichnet.

Locker-flockig wird da über die Verjährungsnormen gesprochen. Wenn man bedenkt, dass die Verjährungsfrage für die Entführer existentiell war, dann befremden Aussagen wie die Ermittlungsbehörden würden nervös. Eigentlich müssten die Täter nervös werden, feststellen, dass es eng für sie wird. Hier scheinen sie eher erstaunt zur Kenntnis zu nehmen, dass die Tat verjähren könnte:

e34156109473 Telefon S260
Zitat von roberndrobernd schrieb:WM wurde als Beschuldigter vernommen. Er war erstaunt, dass er nicht wegen Mordes sondern "nur" wegen Entführung beschuldigt war. Genau das war wohl Grund genug, über die Ursache und eine mögliche Verjährung nachzudenken.
Das macht durchaus Sinn. Interessant wäre da auch noch der Kontext des Gesprächs, also was wurde davor und danach gesprochen. Die Ausschnitte im Urteil (S. 257 ff.) sind meiner Ansicht nach alles andere als eindeutig, wenn man davon ausgeht, dass ein Unbeteiligter beschuldigt wurde. Auf S. 258 spricht M. vom Täter in der dritten Person:
Mazurek W.: „Sonst hätt' er sich nicht so ‘ne Mühe gegeben, dann is‘ halt irgendwas anderes schiefgegangen, also...“.
Später heißt es zwar in einem anderen Gespräch
Ja, also da werma Pech haben
das passt aber auch auf zwei Beschuldigte, die befürchten müssen, vor langwierigen Ermittlungen oder gar einem Prozess zu stehen und von einer Verjährung nicht profitieren zu können.

Wenn man natürlich davon ausgeht, dass hier Tatbeteiligte miteinander kommunizieren, dann kann man diese Stellen auch anders - zu Lasten des Angeklagten - werten.

Das ist aber genau das Problem, dass dann viele Menschen mit der freien richterlichen Beweiswürdigung haben. Ein wie auch immer gearteter Verdacht wird zum Wirkungsverstärker und polt jede mögliche Interpretation eines Indizes auf "belastend", so dass letztlich wie bei umkippenden Dominosteinen eine selbstreferentielle Beweiskette entsteht.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 12:11
Zitat von JagBlackJagBlack schrieb:Inspiriert von der Welle der Entführungen in den Achtzigern, welche insbesondere italienische Wurzeln im Bereich der Mafia hatte, hatten die pragmatischen Verschleierungen der Täter auf ihre wahre Identität auf eine Mafiaentführung weisen sollen und somit die Behörden durch die falsche Spur von sich zu lenken
und
Zitat von JagBlackJagBlack schrieb:Vor dem Auffinden der Kiste waren die Täter auf der sicheren Seite, alles wies auf eine italienische Täterschaft hin.
Ich kann mir eine Mafia-Entführung einer Lehrerstochter am Ammersee Anfang der 1980er Jahre so ganz und gar nicht vorstellen. Ich glaube auch kaum, dass die Behörden auch nur für eine Minute das ernsthaft erwogen haben.
Zitat von JagBlackJagBlack schrieb:die anonymen Anrufe mit dem B3 Jingle, hätten die Täter gesprochen, elektronisch verzerrt oder durch ein Taschentuch (oder gar mit bayrischem Akzent!?), hätte früher oder später eine Identifizierung zur Folge gehabt
In dem ersten Erpesserbrief steht nur das Wort "Pfeifton". Tatsächlich hätte es auch völlig genügt, wenn der Täter ins Telefon gepfiffen hätte (oder an den Hörer geklopft oder ä.). Der ganze B3-Jingle ist einer von vielen Unsinnigkeiten, die den Taterfolg nur gefährden und das Entdeckungsrisiko nur erhöhen können. Ich bin mir nicht sicher, wie man das bewerten soll.
Zitat von JagBlackJagBlack schrieb:Dass aber Mazurek den ganzen Tag über die beiden Wochen den Polizeifunk abhörte, zeigt ein besonderes Interesse an dem Entführungsfall auf.
Eine schwere Straftat in einem doch sonst wohl eher ruhigen Ort, mit einem Opfer, dass quasi um die Ecke wohnt. Neugier, würde ich mal sagen.
Zitat von JagBlackJagBlack schrieb:enn die B 12 überlastet war, er den Weg durch den Weingarten nahm, der unweit der Vergrabungsstelle war, ist ein belastendes Indiz
Nö, nun wirklich nicht. Ich fahre ein, zweimal die Woche eine Strecke von rund 10 km, bei der ich wahlweise eine Autobahn oder eine Nebenstrecke nehmen kann. An der Nebenstrecke liegt ein kleiner Friedhof. Ich versichere, niemanden der dort begraben ist, umgebracht zu haben.
Zitat von JagBlackJagBlack schrieb:dass Mazurek nach 28 Jahren in einem Telefongespräch über Betriebsunfall und Verjährung spricht. Das heißt aber nichts anders, dass die ganze Zeit 28 Jahre über der Fall Mazurek beschäftigt hatte,
Der Telefonat ging eine Hausdurchsuchung vorweg, die für ihn völlig überraschend gekommen sein muss.
Zitat von JagBlackJagBlack schrieb:weil einem Unbeteiligten eine Verjährung nie in den Sinn kommen würde und somit auch nicht wüsste, dass die Frist 30 Jahre beträgt
Würde man mich nach 25+ Jahren einer Straftat beschuldigen, wäre das dass allererste, was mir in den Sinn kommen würde und was ich prüfen würde.
Zitat von JagBlackJagBlack schrieb:Man kann das Urteil der Kammer (BGH-resistent) auf den Kopf stellen, aber ich sehe bisher keine geringsten Ansatzpunkte für Mazureks Unschuld
Ich sehe in dem Urteil auch keine Ansatzpunkte für Mazureks Unschuld. Aber auch nicht viele für seine Schuld.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 12:20
Mord mit Todesfolge fiel mir schon beim ersten Durchlesen auf. Wirkt sich das strafverschärfend auf Taten nach § 211 StGB aus?


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 12:29
Zitat von OpLibelleOpLibelle schrieb:Mord mit Todesfolge fiel mir schon beim ersten Durchlesen auf. Wirkt sich das strafverschärfend auf Taten nach § 211 StGB aus?
Nein. Das liegt an der Verschriftlichung. Da wird ja Bairisch und verkürzt gesprochen und das muss transkribiert werden, was nicht so einfach ist. Der Satz müsste wohl so gelesen werden:

"Aber das ist Totschlag und Mord [verjährt nicht] - Gedankenpause - ... [Menschenraub] mit Todesfolge, nach 30 Jahren ist Schicht."


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 14:43
Ein bisschen was zum Lesen für den Nachmittag:

Aus dem Buch Lebendig begraben von Gary Steven Krist dem Entführer von Barbara Mackle 1968. Diese Entführung wurde im Februarheft 1972 von Readers Digest abgedruckt. Die Barbara Mackle Entführung gilt Drehbuch für den Fall UH.


Deckseite Buch Gary Steven Krist Lebendi


Seite 195

Seite 198Original anzeigen (0,1 MB)

Seite 199Original anzeigen (0,2 MB)

Seite 202Original anzeigen (0,2 MB)

Seite 203

Seite 204

Seite 207

Den kompletten Bericht aus dem Readers Digest kann ich bei Interesse gerne hier rein stellen.


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Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

17.12.2020 um 15:56
Zitat von monstramonstra schrieb:Das ist aber genau das Problem, dass dann viele Menschen mit der freien richterlichen Beweiswürdigung haben. Ein wie auch immer gearteter Verdacht wird zum Wirkungsverstärker und polt jede mögliche Interpretation eines Indizes auf "belastend", so dass letztlich wie bei umkippenden Dominosteinen eine selbstreferentielle Beweiskette entsteht.
Die Reihe von Dominosteinen ist eine falsche Vorstellung. Der jeweilige Lebenssachverhalt, aus dem sich ein Indiz ergibt, hängt ja nicht von dem anderen Lebenssachverhalt ab, aus dem ein weiteres Indiz folgt. Ansonsten müsste man nur das erste Indiz nehmen, und wenn das schlüssig ist, wären es automatisch alle anderen auch, oder umgekehrt: wenn das erste Indiz nicht schlüssig bzw. überzeugend ist, wären es alle anderen auch nicht (mehr). Das ist aber falsch gedacht.

Sondern Indizien stehen selbstständig nebeneinander. Das eine kann schlüssig bzw. überzeugend sein, das andere wiederum nicht. Im Fall Böhringer ist im Urteil ganz richtig von einer überzeugenden Indizienkette bzw. einem Indizienring, bestehend aus vielen aufgereihten Perlen, die Rede.

Ich verstehe schon, was du meinst, und ich verstehe auch dass gerade Techniker und Naturwissenschaftler Probleme mit der freien richterlichen Beweiswürdigung haben. Techniker und Naturwissenschaftler befassen sich zwecks Beweisführung am liebsten nur mit dem, was man gemeinhin unter „harten Fakten“ versteht wie körperlichen Gegenständen (siehe hier Tonbandgerät, Kiste, Fichte) und ggf. darauf haftender oder nicht haftender DNA. also mit allem was naturwissenschaftlich nachweisbar oder nicht nachweisbar im weitesten Sinne ist. Da fühlen sie sich kompetent und sicher.

Die freie richterliche Beweiswürdigung geht aber weiter und ist umfassender. Sie interpretiert nicht nur vorliegende oder nicht vorliegende „harte Fakten“, sondern ebenso mündliche oder schriftliche Äußerungen, die Beteiligte gemacht haben (hier etwa, was Mazureks bei der Abhöraktion gesagt hat), die Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen und die Glaubwürdigkeit dieser Zeugen, etwa was etwa Alibifragen angeht oder hier das, was P. sagte und was wiederum die Zeugen, die zu Ps Angaben befragt wurden, gesagt haben, Motivlage eines Täters, also alles das, was hier im Thread erstaunlicherweise viel zu kurz kommt.

Natürlich haftet dem immer, wie bei allen Interpretationen, etwas Subjektives an. Aber das ist ganz genau so bei „harten Fakten“ der Fall. Beispielsweise ist die Bauweise der Kiste genau bekannt. Aber der eine interpretiert den Bau als fabrikmäßig, der andere als individuelle Handarbeit. Wer hat nun recht, und woraus ergibt sich das? Also: auch ein Fakt spricht nicht aus sich allein heraus, er muss immer interpretiert werden, egal ob es um die bekannte Bauweise der Kiste geht oder um das, was Menschen als Zeugen oder Angeklagte oder Beschuldigte gesagt haben.


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