Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre
17.12.2020 um 00:51robernd schrieb:Aus der Naturwissenschaft bin ich gewöhnt, dass der Behaupter seine Theorie belegen muss. Um sie zu widerlegen reicht es aus, an einem einzigen Beispiel zu demonstrieren, dass sie Fehlerhaft ist. Das funktioniert in dem Fall nicht.Das hätte im Prozess vielleicht funktioniert. Wobei Richter widerstreitende Gutachter nach Möglichkeit zu verhindern trachten und entsprechende Beweisanträge gerne ablehnen. Insbesondere dann, wenn die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass Tatsachen unterschiedlich gewonnen, gewichtet und bewertet werden.
Im Aschaffenburger Fall mit dem Bissgutachten hat das Gericht sogar selbst das Gutachten widerlegt und dem Gutachter schwere Fehler vorgeworfen. Ein neues Gutachten entlastete den Angeklagten und führte zum Freispruch. Aber das ist selten. Im Fall Zschäpe hat die Verteidigung einen zweiten psychiatrischen Gutachter durchgesetzt, der diametrale Ansichten zum gerichtlich bestellten Psychiater hatte. Das nutzte der Angeklagten nichts, denn es wurde ein Fiasko.
robernd schrieb:Der Beweis, dass die verwendete B3-Tonvorlage niemals zur Tätertonfolge passt, weist zwar auf massive Fehler der Gutachterin hin, widerlegt aber nicht die Gesamtbehauptung. Auch der Beweis, dass sich die Tätertonfolge auf einfache Weise mit jedem Tonwiedergabegerät einfach erzeugen lässt (bedingt durch Raumakustik) reicht nicht aus. Laut Verteidiger besteht die einzige Chance darin, unabhängig vom festgeschriebenen und mittlerweile unangreifbaren Gutachten zu zeigen, dass das TK 248 nicht dafür verwendbar ist.Nach einer Verurteilung gibt es halt nur noch die Wiederaufnahme. § 359 Nr. 5 StPO ist hier ja schon häufig erwähnt worden. Da ist nicht entscheidend, ob ein Gutachten naturwissenschaftlich durch ein weiteres Gutachten widerlegt wird. Sondern es bedarf neuer Tatsachen oder Beweismittel, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten zu begründen geeignet sind.
Das ist eine hohe Hürde, bei der hier noch nicht einmal ohne Weiteres entschieden werden kann, ob ein Wegfall des Gutachtens zu einem Freispruch führen müsste. Denn es gibt ja noch eine Reihe weiterer Indizien, auf die sich das Gericht gestützt hat. § 359 Nr. 5 StPO möchte mit dem Erfordernis der Neuigkeit und der Geeignetheit verhindern, dass es zu leicht möglich ist, einen aufwendigen Prozess wieder aufzurollen. Ob diese Hürde vom Gesetzgeber und in Anwendung durch die Rechtsprechung vielleicht zu hoch ist, ist eine andere Frage.
Hier wäre, wir hatten das ja schon ausführlich erörtert, mindestens eine eindeutige gutachterliche Stellungnahme erforderlich, dass das TK 248 gar nicht verwendet worden sein kann. Der Nachweis der Fehlerhaftigkeit des Prozessgutachtens reicht nicht aus. Das Problem ist nun, dass sich der Nachweis einer Sache, die gar nicht da ist, nur sehr schwer seriös wird führen lassen.
Das alles nur als Ergänzung zu @robernd