Kriminalfälle
Menschen Wissenschaft Politik Mystery Kriminalfälle Spiritualität Verschwörungen Technologie Ufologie Natur Umfragen Unterhaltung
weitere Rubriken
PhilosophieTräumeOrteEsoterikLiteraturAstronomieHelpdeskGruppenGamingFilmeMusikClashVerbesserungenAllmysteryEnglish
Diskussions-Übersichten
BesuchtTeilgenommenAlleNeueGeschlossenLesenswertSchlüsselwörter
Schiebe oft benutzte Tabs in die Navigationsleiste (zurücksetzen).

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

11.655 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wald, Entführung, München ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 13:33
Zitat von JosephConradJosephConrad schrieb:Quelle: Urteil S.299
Vielen Dank!
Zitat von AndanteAndante schrieb:Man kann sich Einzelheiten aus dem Urteil herausgreifen und anmerken, dass hier und da etwas unvollständig ist. Man muss aber dabei gleichzeitig immer fragen, ob dadurch bzw. deshalb Mazurek als (Mit-)Täter zwingend ausscheidet. Tut er es nicht, ist die Unvollständigkeit kein Beleg für seine Unschuld.
Das klingt jetzt nach einem Zirkelschluss. Natürlich ist eine Unvollständigkeit noch kein Beleg für die Unschuld.
Zitat von roberndrobernd schrieb:- Je später die Fotos von der Fichte entstanden, um so peinlicher für das Gericht.
Da wäre ich etwas zurückhaltender. Ich halte es für ziemlich normal, dass man Feststellungen eines Gerichts auch intensiver studieren und dann anders interpretieren kann. Dabei sollte man sich darüber klar sein, dass sowohl die Schlussfolgerung des Gerichts wie auch die eigene relativ ist. Ich hatte es schon erwähnt: Bei der Rekonstruktion eines historischen Sachverhalts mit beschränkten Mitteln (nichts anderes ist eine Ermittlung und ist ein Prozess - wie auch unsere Rekonstruktion hier anhand des Urteils und z.T. der Ermittlungsakten) kann nur eine Annäherung an die Wirklichkeit erfolgen.

Je weniger wesentlich ein Umstand im Gesamtgefüge ist, desto häufiger dürften solche "Fehler" auch identifiziert werden können. Ein Gericht hat schließlich einen Prozess zu bewältigen und für die Abfassung des Urteils eine Frist zu wahren. Dabei hat es vorrangig das Gesamtgefüge im Blick. Daraus lässt sich noch nicht schließen, dass das Urteil fehlerhaft im Rechtssinne ist. Dass es Unstimmigkeiten enthält, nicht alle Fragen beantworten kann, das halte ich für normal. Die menschliche Erkenntnis ist nun mal begrenzt.


2x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 13:41
Zitat von roberndrobernd schrieb:Das Gericht hat Fotos der Fichte in Augenschein genommen.
Eben, es gibt solche Fotos mit der Fichte und ohne die Fichte. Diese Fotos (Vorher-Nachher)hätte ich bei Gelegenheit gerne mal gesehen.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 14:44
Zitat von monstramonstra schrieb:Dass es Unstimmigkeiten enthält, nicht alle Fragen beantworten kann, das halte ich für normal. Die menschliche Erkenntnis ist nun mal begrenzt.
Genau, und natürlich ist das auch den Richtern bewusst. Die Vorstellung, diese würden gottgleich immer gleich wissen, was Sache ist, und von sich selber glauben,, sie seien allwissend, ist grundfalsch (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel).

Wer das glaubt, sollte sich wirklich mal ehrenamtlich als Schöffe bei der Strafgerichten oder als ehrenamtlicher Richter bei Arbeits-, Sozial- oder Verwaltungsgerichten zur Verfügung stellen. Da kriegt er dann eine Vorstellung davon, wie in den Beratungen um die Wahrheit gerungen wird, wie lange und mühsam versucht wird, herauszufinden, ob und was von dem stimmt, was ein Angeklagter, eine Partei, ein Zeuge, ein Gutachter gesagt oder geschrieben hat. Da diese Beratungen nichtöffentlich sind, erfährt man von so etwas nichts - es sei denn, man ist live dabei.

Wer hinhören will bzw. kann, kriegt auch von Berufsrichtern manches Statement zu hören, woraus sich ergibt, dass diese vor Entscheidungen durchaus viele Zweifel haben und die Sache im Kopf unendliche Male hin- und herwenden. Da sie aber (auch) fürs Entscheiden bezahlt werden. müssen sie irgendwann mit dem Fall zu Potte kommen. Ich kann dazu O-Ton von Berufsrichtern zitieren, etwa dies: „Manchmal möchte man den Prozessbeteiligten bloß noch sagen ´Ey Leute, geht nach Hause, ich weiß es doch auch nichtˋ“. Oder „Bei diesem Fall möchte man bloß noch tagelang in die Akten k.....“.

Von daher darf man hier durchaus davon ausgehen, dass dem Gericht Unstimmigkeiten des Urteils bewusst waren und dass Fragen offen geblieben sind. Wie schon oft geschrieben, war dann aber die Gesamtschau entscheidend. Meiner Meinung nach ist hier die Beweiswürdigung durchaus nachvollziehbar erfolgt.


2x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 15:11
Zitat von AndanteAndante schrieb:Meiner Meinung nach ist hier die Beweiswürdigung durchaus nachvollziehbar erfolgt.
Das sehe ich auch so. Was dazu führt, dass das Urteil meiner Ansicht nach rechtlich in Ordnung geht, obwohl ich erhebliche Zweifel habe, dass Herr M. der Täter ist.

Das mag paradox klingen. Aber:

1. Ich bin nicht das Gericht, das 2010 den Prozess durchgeführt und ihn zu entscheiden hatte.

2. Wo ich als Richter verurteilen würde, würde vielleicht ein anderer Richter frei sprechen. Und umgekehrt. Dieses Maß an Subjektivität einer Entscheidung ist Teil der richterlichen Unabhängigkeit. Deshalb können zwei Urteile beim gleichen Sachverhalt in rechtlich zulässiger Weise eine Entscheidung treffen, obwohl sie konträr ist.

3. Das ist oft schwer zu akzeptieren. Für Opfer, für Angehörige und für Verurteilte. Ist eine Entscheidung nicht erkennbar falsch, treten die Fehler nicht offen zu Tage, hat das Gericht nach besten Wissen und Gewissen entschieden, dann wird den Betroffenen eines schweres Sonderopfer auferlegt.


2x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 15:42
Zitat von monstramonstra schrieb:Da wäre ich etwas zurückhaltender. Ich halte es für ziemlich normal, dass man Feststellungen eines Gerichts auch intensiver studieren und dann anders interpretieren kann.
Das hat nichts mit Interpretation zu tun, sondern diese beiden Punkte werden durch ein Gutachten sowie durch logisch-naturwissenschaftliche Gegebenheiten widerlegt. Das Gericht hat diese Widersprüche nicht erkannt/nicht akzeptiert und offenbar dürfen die das.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 15:48
Zitat von AndanteAndante schrieb:Die Vorstellung, diese würden gottgleich immer gleich wissen, was Sache ist, und von sich selber glauben,, sie seien allwissend, ist grundfalsch (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel).

Wer das glaubt, sollte sich wirklich mal ehrenamtlich als Schöffe bei der Strafgerichten oder als ehrenamtlicher Richter bei Arbeits-, Sozial- oder Verwaltungsgerichten zur Verfügung stellen.
So ist es. Jeder der hier Mitschreibt sollte sich die Frage stellen, ob er als Schöffe, der keine Akteneinsicht hat, sondern bei seiner Entscheidungsfindung auf das angewiesen ist, was er im Prozess erlebt, wohl Mazurek verurteilt hätte oder nicht.

Ich bin seit Anfang 2019 (Hilfs-)Schöffe an meinem örtlichen Amtsgericht (wo es "nur" um Strafen von max. 5 Jahren geht, also kein Mord und Totschlag) und beurteile die Strafjustiz (mit der ich beruflich ohnehin schon länger ab und an zu tun habe) nochmals respektvoller als vorher. Selbstverständlich macht sich das Gericht ausführlich einen Kopf über das, was es da entscheidet und zwar auch dann, wenn der Sachverhalt einigermaßen klar ist.

Und, kurzum, ich hätte Mazurek nicht verurteilt. Und viele, die hier mitschreiben und am Prozess als Zuschauer teilgenommen haben, kommen zu dem gleichen Ergebnis. Das heißt nicht, dass ich M. für unschuldig halte. Es heißt nur, dass das, was die Staatsanwaltschaft da präsentiert hat, mir persönlich viel zu dünn wäre, um jemanden lebenslang hinter Gitter zu schicken.

Das ganze lässt sich doch allein auf die Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen P. herunterbrechen. Keine Verurteilung ohne P. Denkt man sich P. weg, bleibt nichts, außer einem Mann, den man die Tat vielleicht zutrauen würde und der ein Motiv, aber kein Alibi hat. Letzteres ist trivial, sonst hätte man ihn nicht angeklagt.

Der Fall war irgendwann 1982/83 ausermittelt und eine Staatsanwaltschaft stand dann vor der Frage des § 170 StPO. Anklage oder Einstellung. Man hat sich zu Zeiten eines lebenden P. für Einstellung entschieden. Und knapp 30 Jahre später beurteilt die gleiche Stelle - jetzt aber natürlich mit anderen persönlich Handelnden - P. posthum für glaubwürdig. Alles möglich, alles richtig, alles rechtsstaatlich. Gleichwohl: Wenn ich davon ausgehe, dass die Staatsanwälte von 1982 die gleiche Qualifikation hatten, wie die von 2007, dann vertraue ich denen, die zeitlich näher dran waren. Und wenn ich mir dann die Begründung des Gerichts anschaue, warum man P. für glaubwürdig hält, rollen sich bei mir die Fußnägel hoch. Davon ist rein gar nichts irgendwie nachvollziehbar oder logisch auch nur ansatzweise haltbar.
Zitat von monstramonstra schrieb:2. Wo ich als Richter verurteilen würde, würde vielleicht ein anderer Richter frei sprechen. Und umgekehrt. Dieses Maß an Subjektivität einer Entscheidung ist Teil der richterlichen Unabhängigkeit. Deshalb können zwei Urteile beim gleichen Sachverhalt in rechtlich zulässiger Weise eine Entscheidung treffen, obwohl sie konträr ist.

3. Das ist oft schwer zu akzeptieren. Für Opfer, für Angehörige und für Verurteilte. Ist eine Entscheidung nicht erkennbar falsch, treten die Fehler nicht offen zu Tage, hat das Gericht nach besten Wissen und Gewissen entschieden, dann wird den Betroffenen eines schweres Sonderopfer auferlegt.
Auch das ist ja völlig unstrittig, andernfalls könnte man nur geständige Täter verurteilen. Und eigentlich nicht einmal das, weil das Geständnis ja falsch sein könnte.

Offensichtlich falsch ist an dem Urteil sicher nichts. Aber von allen Indizienfällen, die wir hier im Forum diskutieren, ist es mit Abstand das dünnste, das ich hier gelesen habe.


3x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 15:54
Zitat von OpLibelleOpLibelle schrieb:Der Fall war irgendwann 1982/83 ausermittelt und eine Staatsanwaltschaft stand dann vor der Frage des § 170 StPO. Anklage oder Einstellung. Man hat sich zu Zeiten eines lebenden P. für Einstellung entschieden.
Da hatte man das Ergebnis der Abhöraktion auch noch nicht. Ich halte das, was Mazurek da von sich gegeben hat, schon für ein (weiteres) schwerwiegendes belastendes Indiz. Aber das mag jeder anders sehen.


3x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 15:56
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Das hat nichts mit Interpretation zu tun, sondern diese beiden Punkte werden durch ein Gutachten sowie durch logisch-naturwissenschaftliche Gegebenheiten widerlegt. Das Gericht hat diese Widersprüche nicht erkannt/nicht akzeptiert und offenbar dürfen die das.
Ich bin mir da nicht so sicher.

Weder habe ich (Farb-)Fotos gesehen, noch bin ich ein Baum-, Forst- und Waldexperte. Ich habe noch keine Fichte im Hochsommer beobachtet, der abgeschnitten und in die Erde gesteckt wurde. Ich weiß, wie sich Christbäume verhalten, aber die werden in der kalten Jahreszeit gefällt, teilweise länger draußen gelagert und dann ins Wasser gesteckt.

Ich habe hier Meinungen und Argumente gelesen, die ziemlich eingängig sind. Da sage ich: Es ist gut möglich, dass das Gericht da daneben liegt. Trotzdem bleibt auch das nur eine Interpretation der Wirklichkeit. Denn wir haben hier keinen Laborversuch, sondern die Realität mit multikausalen Einflüssen.

Im Gegensatz zu einem Gericht kann ich mir die umfassende Skepsis auch meiner eigenen Erkenntnis leisten, weil ich keine Entscheidung treffen muss, wer Recht hat: Das Gericht oder Ihr.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 16:09
Zitat von AndanteAndante schrieb:Da hatte man das Ergebnis der Abhöraktion auch noch nicht. Ich halte das, was Mazurek da von sich gegeben hat, schon für ein (weiteres) schwerwiegendes belastendes Indiz. Aber das mag jeder anders sehen.
Was sagt er denn groß? Er fragt sich, wann wohl Verjährung eintritt. Und damit endlich Ruhe für ihn. Eine völlig verständliche Frage, die ich mir vielleicht auch stellen würde. @monstra schrieb, seine Reaktion wäre es wohl gewesen, sich zunächst mal fürchterlich aufzuregen, dass er nach so langer Zeit wieder in Verdacht gerät. Das mag M. ja auch getan haben. Wir kennen hier nur den kontext-armen Ausschnitt, der Eingang ins Urteil gefunden hat. Und den Tod eines kleinen Mädchens als "Betriebsunfall" zu bezeichnen?! Geschmacklos. Aber ein Hinweis auf die Täterschaft?


2x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 16:23
Zitat von OpLibelleOpLibelle schrieb:Das ganze lässt sich doch allein auf die Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen P. herunterbrechen. Keine Verurteilung ohne P. Denkt man sich P. weg, bleibt nichts, außer einem Mann, den man die Tat vielleicht zutrauen würde und der ein Motiv, aber kein Alibi hat. Letzteres ist trivial, sonst hätte man ihn nicht angeklagt.
Ein bisschen mehr als Motiv und fehlendes Alibi kommt schon noch zusammen. Etwa zusätzlich die vor Zeugen getätigte Äußerung, um zu Geld zu kommen, müsse man jemanden entführen, das umfassende handwerkliche und technische Geschick fürs Kistenbauen und Radiomanipulieren//Polizeifunkabhören, Vorhandensein eines Transportfahrzeugs für die Kiste, eben die abgehörten Gespräche 2007, und was noch im Urteil an belastenden Indizien angeführt wird.

Dass damals in 1982/1983 nicht angeklagt wurde, war eine Entscheidung der seinerzeit im Amt befindlichen Staatsanwälte. Die 2007 amtierenden Staatsanwälte haben die Sache dann halt tatsächlich und/oder rechtlich anders gesehen, das muss nicht für die objektive Dürftigkeit der Anklageschrift sprechen. Auch Staatsanwälte haben untereinander nicht immer dieselbe Meinung.

Richtig ist natürlich, dass die Vernehmungsprotokolle betreffend P eine zentrale Rolle bei der Beweisführung der StA gespielt haben. Die Aussagen des P, und zwar Geständnis UND Widerruf, in Bausch und Borgen als völlig unglaubhaftes Gestammel eines alkoholabhängigen Subjekts abzutun halte ich für verfehlt. Es gibt diese Vernehmungsprotokolle nun mal, und da musste sich das Gericht halt der Mühe unterziehen, die Angaben des P zu verifizieren bzw. zu falsifizieren, und das hat es umfangreich getan. Genau so, wie es sich mit entlastenden Momenten befassen musste, etwa den von Mazurek behaupteten Erwerb des TK 248 am 14.10.2007 in Beverungen. Auch diesbezüglich musste - und hat - eine umfangreiche Beweisaufnahme stattgefunden.


2x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 16:28
Zitat von AndanteAndante schrieb:Da hatte man das Ergebnis der Abhöraktion auch noch nicht.
Und auch nicht das Gutachten zur Verwendung des Grundig TK 248 nebst erfolgloser Ermittlung nach dem angeblichen Verkäufer auf dem Flohmarkt.

Wobei ich dieses Gutachten für Fake-Science halte.

Da fehlt mir die naturwissenschaftliche Kompetenz, aber meine eigene Erfahrung mit der Technik reicht so weit, dass ich es für wissenschaftlich nicht möglich erachte, 2008 seriös den "Fingerabdruck" eines Tonbandgeräts zu identifizieren, das 1981 eine Aufnahme aufgezeichnet und über Lautsprecher wiedergegeben hat, diese Wiedergabe mit dem Mikrofon eines unbekannten Kassettengerät aufgezeichnet wurde, diese Aufzeichnung in einer Telefonzelle über den eingebauten Lautsprecher abgespielt und so dann über das Mikrofon des Telefons über die Telefonleitung transportiert und dann von einem Tonbandgerät der Polizei aufgezeichnet wurde. Und das anhand eines Polizeitonbandes von 1981, ohne Kenntnis des Zwischengerätes, das in der Telefonzelle benutzt wurde. Das ist Zauberei.

Hätten wir eine Originalquelle der Wiedergabe des TK 248 auf dem Polizeitonband, oder digitale Übertragungswege, mag es theoretisch möglich sein, einen "Fingerabdruck" des Tonbandgerätes zu identifizieren. Wobei man dann noch immer das Problem hat, dass 30 Jahre Alterungsprozess eine gewisse Sicherheit erfordern, dass das Gerät im Jahre 1981 auch schon so geklungen hat. Was ich angesichts so vieler Bauteile aus Kunststoff und Gummi kaum für vorstellbar erachte. Aber da fehlt mir dann die technische Kompetenz.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 16:28
Zitat von OpLibelleOpLibelle schrieb:Was sagt er denn groß? Er fragt sich, wann wohl Verjährung eintritt. Und damit endlich Ruhe für ihn. Eine völlig verständliche Frage, die ich mir vielleicht auch stellen würde.
Ja, wenn du der Täter gewesen wärest, würdest du danach natürlich als erstes fragen.Wärest du aber nicht der Täter, käme dir nicht als erstes Verjährung in den Sinn, sondern die Frage, warum und mit welcher Begründung sie dich (schon wieder) verfolgen und nicht endlich in Ruhe lassen, weil sie doch gemerkt haben müssten, dass sie den Falschen verfolgen.

Ich kann mir auch nicht erklären, warum M da in der „Wir-„Form redet. Aber gut, jeder interpretiert die Äußerungen halt anders.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 16:48
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ein bisschen mehr als Motiv und fehlendes Alibi kommt schon noch zusammen. Etwa zusätzlich die vor Zeugen getätigte Äußerung, um zu Geld zu kommen, müsse man jemanden entführen, das umfassende handwerkliche und technische Geschick fürs Kistenbauen und Radiomanipulieren//Polizeifunkabhören, Vorhandensein eines Transportfahrzeugs für die Kiste, eben die abgehörten Gespräche 2007, und was noch im Urteil an belastenden Indizien angeführt wird.
Ja, "ein bisschen mehr" kommt zusammen. Schwamm drüber. Und dennoch hängt es an P. Ohne P. keine Verurteilung sind wir uns da einig, oder gehst Du davon aus, dass M. auch ohne P. Aussage verurteilt worden wäre?

Ich behaupte ja auch ausdrücklich *nicht*, dass sich die Kammer keine Mühe bei der Wahrheitsfindung gemacht hätte oder es ein offensichtliches Fehlurteil ist. Ich schrieb auch, dass ich keieneswegs von der Unschuld des M. überzeugt bin. Nur eben auch nicht von seiner Schuld.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Richtig ist natürlich, dass die Vernehmungsprotokolle betreffend P eine zentrale Rolle bei der Beweisführung der StA gespielt haben. Die Aussagen des P, und zwar Geständnis UND Widerruf, in Bausch und Borgen als völlig unglaubhaftes Gestammel eines alkoholabhängigen Subjekts abzutun halte ich für verfehlt.
Im Jahre 1983 hätte man alle Möglichkeiten dieser Welt gehabt, ein vernünftiges psychiatrisches Gutachten einzuholen, einschliesslich eines Glaubwürdigkeitsgutachtens. Wenn es damals die StA nicht gemacht hat, dann doch deswegen, weil sie davon ausging, dass man mit P. keinen Blumentopf gewinnen kann.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Es gibt diese Vernehmungsprotokolle nun mal, und da musste sich das Gericht halt der Mühe unterziehen, die Angaben des P zu verifizieren bzw. zu falsifizieren, und das hat es umfangreich getan.
Und das ging reichlich in die Grütze. Ich begründe das auch gerne später noch ausführlich Stück für Stück, momentan bin noch im Büro.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 16:48
Zitat von OpLibelleOpLibelle schrieb:Und, kurzum, ich hätte Mazurek nicht verurteilt.
Das hätte vielleicht anders ausgesehen, wenn Du an über 50 Tagen als Schöffe am Prozess teilgenommen hättest...

All die Dinge, die das Gericht hier zusammenträgt, sind Verdachtsmomente. Die Frage ist, ob sie sich so sehr verdichten, dass keinen vernünftigen Zweifel an der Täterschaft geben kann.

Und da frage ich mich immer, wie viel Indizien müssen da sein, um einen Menschen verurteilen zu können. Hier im Fall sind es ziemlich viele, aber sie stehen alle auf eher schwachen Beinen. So soll M. den ganzen Tag den Polizeifunk abgehört haben. Das belegt ein UKW-Gerät, das entsprechend manipuliert wurde. OK, M. hat den Polizeifunk abgehört. Aber wann und wie lange, das sind einfach Vermutungen. Gut begründete Vermutungen, aber Vermutungen. Etwas richtig Griffiges, das Haar des Täters am Tatort, das gibt es nicht. Nur das Tonband-Gerät ("wahrscheinlich") und die Aussage von P. (m.E. nicht so widerspruchsfrei, wie vom Gericht aufgefasst).

In Fällen wie dem Badewannenmord von Rottach-Egern sind es aber noch viel weniger Indizien als hier. Da wird das Urteil noch mehr durch Überzeugung getragen, durch Annahmen des Gerichts im Wege des Ausschlusses. Es gibt noch nicht mal ein Motiv. Allein die Möglichkeit, Hämatome könnten vor dem Tod beigebracht worden sein, reichen für die Konstruktion einer Verdeckungsabsicht als Mordmotiv.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 16:51
Zitat von monstramonstra schrieb:Weder habe ich (Farb-)Fotos gesehen, noch bin ich ein Baum-, Forst- und Waldexperte. Ich habe noch keine Fichte im Hochsommer beobachtet, der abgeschnitten und in die Erde gesteckt wurde.
Aber ich. Je heißer und trockener desto schneller geht es. Der Sommer 1981 lag mW temperaturmäßig über dem Durchschnitt, also kann keine Ende Juni geschlagene Fichte im September noch grüne Nadeln gehabt haben. Dass die Fichte noch intakt aussieht sieht man auch am Schwarzweißfoto. Fazit: Der Baum muss später aufgestellt worden sein.
Zitat von OpLibelleOpLibelle schrieb:Was sagt er denn groß? Er fragt sich, wann wohl Verjährung eintritt. Und damit endlich Ruhe für ihn. Eine völlig verständliche Frage, die ich mir vielleicht auch stellen würde
Interessant ist die selektive Wertung des Gerichts insofern als dass einerseits bei Mazurek und Co jedes Wort gewichtet wurde, bei den Telefongesprächen von W. und seinen Bekannten der Satz "Die Kiste habe ich gebaut" ohne Begründung als Scherz akzeptiert wurde, obwohl der materielle Unwert dieser Aussage höher einzustufen gewesen wäre als von M, J, W usw.


2x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 16:51
Zitat von AndanteAndante schrieb:Dass damals in 1982/1983 nicht angeklagt wurde, war eine Entscheidung der seinerzeit im Amt befindlichen Staatsanwälte. Die 2007 amtierenden Staatsanwälte haben die Sache dann halt tatsächlich und/oder rechtlich anders gesehen, das muss nicht für die objektive Dürftigkeit der Anklageschrift sprechen. Auch Staatsanwälte haben untereinander nicht immer dieselbe Meinung.
Hier dürfte auch die drohende Verjährung reingespielt haben, die Staatsanwaltschaft hatte ja nichts mehr zu verlieren. 1982/83 war das Risiko eines möglichen Freispruchs, der sich später als Irrtum herausstellt, wohl höher eingeschätzt worden. Kurz vor Ablauf der Verjährung hingegen war die kein Faktor mehr. Und das man ein solches Verbrechen nicht in die Verjährung laufen lassen ist nur verständlich.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 16:56
Zitat von PhischPhisch schrieb:1982/83 war das Risiko eines möglichen Freispruchs, der sich später als Irrtum herausstellt, wohl höher eingeschätzt worden.
Richtig, damals wollte man sich bei der Beweislage nicht der ne bis in idem Gefahr aussetzen, zumal aktuell der Fokus weg von M. auf H.W. gerichtet wurde. 2007 gab es dann zusätzlich das "Aha-Erlebnis" und die erlebnisfundierten, beweisgewürdigten Aussagen von P. Da scheint sich diese Ansicht geändert zu haben.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 16:58
Zitat von monstramonstra schrieb:Das hätte vielleicht anders ausgesehen, wenn Du an über 50 Tagen als Schöffe am Prozess teilgenommen hättest...
Ja, denkbar. Aber das Urteil ist ja nun schon die verdichtete Form, was als Erkenntnissen herauszuziehen war, aus den 50 Verhandlungstagen.
Zitat von monstramonstra schrieb:. Wo ich als Richter verurteilen würde, würde vielleicht ein anderer Richter frei sprechen. Und umgekehrt. Dieses Maß an Subjektivität einer Entscheidung ist Teil der richterlichen Unabhängigkeit. Deshalb können zwei Urteile beim gleichen Sachverhalt in rechtlich zulässiger Weise eine Entscheidung treffen, obwohl sie konträr ist.
Das gilt ja nun nicht nur für Richter, sondern auch für Schöffen, wobei sich bei der Fallbesprechung im Richterzimmer eine gewisse "Gruppendynamik" aufbauen kann, die auch zweifelnde Schöffen mitnimmt. Je nach Charisma des Vorsitzenden.
Zitat von monstramonstra schrieb:In Fällen wie dem Badewannenmord von Rottach-Egern sind es aber noch viel weniger Indizien als hier
Stimmt, den hatte ich nicht auf dem Radar. Aber Böhringer, Babenhausen oder Brühne sind im Vergleich zu M. doch fast schon "wasserdichte" Fälle.


melden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 16:59
Zitat von ErwinKösterErwinKöster schrieb:Interessant ist die selektive Wertung des Gerichts insofern als dass einerseits bei Mazurek und Co jedes Wort gewichtet wurde, bei den Telefongesprächen von W. und seinen Bekannten der Satz "Die Kiste habe ich gebaut" ohne Begründung als Scherz akzeptiert wurde, obwohl der materielle Unwert dieser Aussage höher einzustufen gewesen wäre als von M, J, W usw.
Das ist mir auch aufgefallen. Auch die Tatsache, dass W kein Alibi hatte wurde als unerheblich abgetan. Da er sich ja auch keins verschaffen wollte, war alles halb so wild. Schwitzen und Zittern am Tatort wurde auch sehr wohlwollend ausgelegt. Und sein Auto war am Tatort ja nicht verkehrsgünstig geparkt...

Erstaunlich finde ich, dass man in WMs Werkstatt keinerlei forensische Spuren der Kiste gefunden hat. Da dürfte alles auf links gedreht worden sein. Kann ein solch aufwendiger Herstellungsprozess ohne Spuren durchgeführt werden? Das spricht mE auch gegen die Schülertheorie: eine solche Kiste dürfte dort nicht unbemerkt produzier- und transportierbar sein.


1x zitiertmelden

Der Fall Ursula Herrmann, Anfang 80er Jahre

16.12.2020 um 17:07
Zitat von PhischPhisch schrieb:Erstaunlich finde ich, dass man in WMs Werkstatt keinerlei forensische Spuren der Kiste gefunden hat. Da dürfte alles auf links gedreht worden sein. Kann ein solch aufwendiger Herstellungsprozess ohne Spuren durchgeführt werden?
Nein. Und der Richter gibt deshalb auch zu, dass Mazureks Werkstatt als Herstellungsort ausgeschlossen werden muss und man keine Idee hat, wo er die Kiste gebaut haben könnte.

"Wo er die Kiste gebaut habe, habe aber nicht ermittelt werden können." (In indirekter Rede wiedergegebene Aussage des Richters) https://www.sueddeutsche.de/bayern/ursula-herrmann-prozess-ein-letzter-zweifel-bleibt-1.6228


1x zitiertmelden