Füchschen schrieb:Ich habe etwas Schwierigkeiten mit dem Begriff Stalking. Einen Stalker sieht man, hört man. Aber dieser Stalker ist unsichtbar und will eben nicht gesehen werden, solange er nachstellt, seine Tat verübt und alles so arrangiert, als ob er nie dagewesen wäre.
Wenn man einmal den Katalog derjenigen Aktionen durchgeht, die der einschlägige
§238 StGB ("Nachstellung") aufzählt, so wird man feststellen, dass die Strafbarkeit einer Nachstellung relativ weit in das Vorfeld gelegt wurde. Tatbestandlich sind bereits Nachstellungshandlungen, die
geeignet sind, die Lebensgestaltung einer Person nicht unerheblich zu beeinträchtigen:
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt [..]
Quelle: s.o.
Wir haben hier im Strafgesetzbuch quasi die Legaldefinition eines Stalkers: Darauf, ob seine Handlungen erfolgreich sind oder gar vom Oper bemerkt werden, kommt es demnach gar nicht an.
Des weiteren sind auch Handlungen wie das Ausspähen und Abfangen von Daten bzw. deren Vorbereitung (§§ 202 a-c StGB) tatbestandlich, mithin Handlungen, die dem Opfer üblicherweise nicht direkt auffallen:
5.
zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht,
Quelle: s.o.
Die meisten Alternativen schließen zudem Angehörige oder nahe stehende Personen mit ein, so dass, und darauf möchte ich hier hinaus, eine Nachstellung lange Zeit unterhalb der direkten Wahrnehmung des Opfers gehalten werden kann. Es wäre sogar denkbar, dass sich der Täter dem Opfer zu einem späteren Zeitpunkt als vorgeblicher Beschützer, Retter in der Not oder als Berater andient - das Opfer bemerkt zwar, dass zu seinen Lasten ungute Dinge geschehen, bringt diese aber möglicherweise lange Zeit nicht mit der Person des Täters in Verbindung.
So ähnlich war es ja auch streckenweise im Fall Sophie N., wo sich der Täter unter dem Bett seines Opfers versteckt hielt. Sie litt unter den Nachstellungen, brachte sie aber nicht ihrem späteren Mörder in Verbindung:
Auch Sophie N. bringt ihren Stalker nicht mit seinen Taten in Verbindung – zu unbedeutend ist er in ihrem Leben. Bei der Polizei erstattet sie Anzeige gegen unbekannt.
Quelle:
https://www.rtl.de/cms/mord-an-sophie-n-23-aus-dessau-patrick-s-35-spionierte-sie-ueber-ihr-smartphone-aus-4707255.htmlUm es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Aus der Tatsache, dass BA keine uns bekannte Verbindung zu jemandem am Hahn gehabt hat, kann man keinesfalls schließen, dass es diesen jemand nicht gegeben haben kann. Es könnte sogar sein, dass er erst am Tattag das gesammelte illegal erworbene Wissen um BA und ihr Leben dazu ausgenutzt hat, ihr nahe zu kommen oder ihre Nähe zu erzwingen.
Wenn man ferner die Ausführungen zu Spionage-Apps auf Smartphones ebenfalls in Verbindung mit dem Fall Sophie N.
hier liest, kann die Platzierung des Handys im Kofferraum von BAs Auto doch auf eine zurückliegende Überwachung durch einen denkbaren Stalker hinweisen. Wer sich gut mit solchen Dingen auskennt, wird vielleicht das Gerät im Finale auch auf einen für die Kriminaltechnik unverdächtigen Stand zurücksetzen können. Und die Spionage-App spurlos entfernen.
Wir wissen nicht, wie raffiniert der Täter vorgegangen ist. Einige Punkte deuten auf ein sehr geplantes und ausgefeiltes Vorgehen hin, wie hier ja auch schon mehrfach angemerkt wurde.