Solinger Brandanschlag: Was aus den Tätern wurde
Von Hans-Peter Meurer
Die im Oktober 1995 zu langjährigen Haftstrafen Verurteilten sind schon seit Jahren wieder auf freiem Fuß.
Journalisten bedrängen am Tag der Urteilsverkündung, dem 13. Oktober 1995, den Gerichtssprecher. dpa
Journalisten bedrängen am Tag der Urteilsverkündung, dem 13. Oktober 1995, den Gerichtssprecher.
Solingen. Wenn in diesen Tagen der Opfer des Brandanschlags von Solingen vor 20 Jahren gedacht wird, interessiert natürlich auch noch einmal die Frage nach den vier im Oktober 1995 vom Oberlandesgericht Düsseldorf verurteilten Tätern. Diese sind nach Absitzen ihrer Strafen längst wieder auf freiem Fuß.
Geständnisse und Abstreiten der schrecklichen Tat
Der damals 16-Jährige und der 18-Jährige haben eine Tatbeteiligung von Anfang an bestritten – bis heute tun sie das. Nur der zur Tatzeit 23-Jährige hatte ein Geständnis abgelegt: Die drei anderen Angeklagten und er hätten den Brand gelegt. Einmal widerrief er es für ein paar Tage, dann hielt er am Geständnis bis zum 80. Prozesstag fest – um dann erneut zu widerrufen.
Der zur Tatzeit 18-jährige Nachbarjunge der Familie Genç rundete damals der Wirrwarr ab: Er habe das Haus der türkischen Familie allein angesteckt, nur „um Rabatz zu machen“, mehr nicht. Sein Geständnis sollte nach 17 vorangegangen Versionen sein endgültiges sein, erklärte damals sein Anwalt vor Gericht.
Einer machte das Abitur und wurde Sozialpädagoge
Die vier Verurteilten sind längst frei: Ein heute 40-Jähriger, der weiterhin vehement abstreitet, etwas mit dem Brandanschlag zu tun zu haben, erhielt nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner zehnjährigen Haftstrafe als Freigänger die Möglichkeit, sein Abitur an einer Schule nachzumachen. Und dies gelang ihm ebenso mit großem Erfolg wie er später das Examen als Sozialpädagoge ablegte: mit der Note „Sehr gut“. Er ist heute als Sozialarbeiter tätig, hatte aber zwischenzeitlich mehrfach berufliche Probleme, als seine Lebensgeschichte den jeweiligen Arbeitgebern bekannt wurde. Er lebt heute in einer Großstadt in der Umgebung Solingens.
Der jüngste Verurteilte machte eine kaufmännische Lehre
Der jüngste Verurteilte, ein damals 16-jähriger Schüler, kam nach Verbüßung von sechseinhalb Jahren Haft frei, machte eine kaufmännische Lehre. Heute wird er von seinen Eltern abgeschottet. Aber auch er fühlt sich 20 Jahre später nach wie vor als ein unschuldig Verurteilter.
Studium abgebrochen, Lager- und Hilfsarbeiter – dann arbeitslos
Fast ein Jahr nach dem Brandanschlag begann vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht der Prozess – er erstreckte sich über 120 Verhandlungstage.
Unschuldig verurteilt zu sein – dies behauptet auch der damals einzige Erwachsene trotz seines einstigen (widerrufenen) Geständnisses von sich: Auch er holte in der Haft sein Abitur nach. Er kam nach zwölfeinhalb Jahren frei, studierte Anglistik und Romanistik, brach das Studium nach wenigen Semestern ab. Er jobbte als Lagerarbeiter und Hilfsarbeiter, lebt inzwischen in einer westfälischen Stadt von Arbeitslosengeld. Der 43-Jährige ist immer bei seiner letzten Version geblieben: Er sei unschuldig, sei von Kripobeamten massiv eingeschüchtert und zum Geständnis gedrängt worden. Sein damaliger Verteidiger, der Marler Siegmund Benecken, sieht das anders: „Ich hatte und habe keine Zweifel an der Schuld meines ehemaligen Mandanten.“
Einer der Verurteilten ist weiter in der rechten Szene aktiv
Seine volle Jugendstrafe abgesessen hat der ehemalige Nachbarsjunge (zur Tatzeit 18) der Familie Genç. Im Gefängnis hatte er einen ausländischen Mithäftling bewusstlos geprügelt. Der heute 38-Jährige, der am Rande des Ruhrgebiets lebt, ist weiter in der rechten Szene aktiv: So wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er bei der Kundgebung einer Neonazi-Kameradschaft mehrfach den Hitlergruß gezeigt hatte.
http://www.wz-newsline.de/home/politik/inland/solinger-brandanschlag-was-aus-den-taetern-wurde-1.1332159Ein interessanter Kommentar zum Thema:
von anonym | 18.08.13 - 16:35 Uhr
Pannen und viele Zweifel
In 56 Minuten sollen 3 Verurteilte eine Strecke von 4,6 km im stark angetrunkenen Zustand zurückgelegt haben. Einen , nur einem der 3 flüchtig bekannten 4 Mann getroffen haben, die Tat geplant , einen Brandbeschleuniger besorgt habe und die Tat durchgeführt haben. Alles in 56 Minuten. Legt man hierfür Minimalzeiten zugrunde, dass das angebliche Treffen 5 Minuten gedauert hat, das angebliche Besorgen eines Brandbeschleunigers ebenfalls 5 Minuten , eine angebliche Pinkelpause 1 Minute und die angebliche Ausführung 3 Minuten , dann bleibt ein Zeitfenster von 42 Minuten für eine Strecke von 4.6 km. Demnach müssten diese 3 Verurteilten die Strecke mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 6,57 km/h zurückgelegt haben. Eine absurde Theorie. Nur ein Teil der vielen ,,Solinger Ungereimtheiten."
hier noch einige Weitere:
- Warum wurde das Haus 2,5 Monate nach der Tat abgerissen , ohne dass Spuren gesichert wurden ?
- Wo kommt das im Haus an einem Teppichrest gefundene hochkonzentrierte Pinienterpentin her?
- Wie soll der Brandbeschleuniger an der Tankstelle besorgt worden sein, obwohl nachweislich, weder eine kleine Menge Benzin gekauft noch geklaut worden ist ?
- Warum erklärte das Gericht gut ein Dutzend Zeugen die, die 3 zu Unrecht Verurteilten noch zwischen 0.20-0.40 Uhr auf dem Polterabend gesehen haben, für unglaubwürdig?
U.a hat eine Zeugin sowohl der Polizei, sowie dem Gericht glaubhaft versichert, die 3 Beschuldigten noch um 0.40 Uhr an einer Bushaltestelle gegenüber dem Gartenheim gesehen zu haben.
- Christian B. wurde von mehreren Vernehmungsbeamten, massiv bedroht , es wurde versucht ein Geständnis zu erpressen. Dies wurde durch einen Polizeibeamten in dem Prozess betätigt.Dieselben Beamten hatten zuvor Markus G. vernommen. U.a gab es in dieser Vernehmung ein 2 Stündiges , UNPROTOKOLLIERTES Vorgespräch. Wie glaubwürdig ist es demnach, dass diese Beamten im Verhör von Markus G. keinen Druck und Drohungen ausgesprochen haben ?
- Die sogenannten Geständnisse von Christian R. ( der zum Prozessauftakt aussagte, er habe die Tat alleine begangen und hierbei bis zuletzt blieb) und Markus G. stimmen in kaum einem Punkt überein. Angefangen vom angeblichen Treffpunkt, bis zur Beschaffung eines Brandbeschleunigers , bis zur angeblichen Ausführung: Wie kann das Gericht dann von 2 deckungsgleichen Geständnissen reden ?
- Warum wurde an der Kleidung von Felix K. der den Brand gelegt haben soll, weder Brandbeschleuniger noch Benzin festgestellt ?
- Warum wurden knapp 100 Zeugen erst in dem Prozess , auf Antrag der Verteidigung gehört; jedoch nie polizeilich zuvor ? Wollte man dadurch eine Begründung haben, diese Zeugen im Urteil für unglaubwürdig zu erklären ?
Die Liste der Widersprüche , Pannen und Ungereimtheiten ließe sich noch um Einiges ergänzen: trotzdem wurden die 3 verurteilt ! Ein Armutszeugnis für einen sogenannten Rechtsstaat.
Ich denke, der Skandal der durch das Auffliegen des NSU ausgelöst wurde, hat nochmals eindrucksvoll gezeigt, was in diesem Staat an Pannen und Vertuschung möglich ist. Auch die RAF Fälle von Bad Kleinen und dem Mord an Siegfried Buback zeigen auf, dass hier etwas schief läuft.