@CaTi Danke für die Zusammenfassung des Falles und die Schilderung der Atmosphäre heutzutage. Sie deckt sich im Prinzip mit der Schilderung der Atmosphäre überall in Westeuropa, jedenfalls höre ich von meinen Freunden von London bis Warschau und von Kopenhagen bis Sizilien dass die Kriminalität, und vor allem die Gewalt erheblich zugenommen hat (natürlich höre ich von Politikern immer nur das Gegenteil). Da macht also Tirol keine Ausnahme.
Viele Menschen halten den Fall Lucille dennoch für aussergewöhnlich, besonders in Kufstein, und haben deshalb vermutlich intuitiv immer eine Beziehungstat im engeren Beziehungskreis um Lucille favorisiert.
Schaut man sich aber die bekannten Fakten an, so erscheint eine solche doch sehr zweifelhaft, besonders weil Lucilles Entschluss, doch noch durch die Stadt zu gehen so spontan gefallen ist. Ausserdem gab es im Umfeld gar keine bekannten Konflikte und Zielpersonen, die eine solche Tat irgendwo nahelegten. Der Abgleich der Daten mit Frankreich ist daher auch nicht so zu interpretieren, als ob die Polizei an einen Täter aus Frankreich glaubt. Eher im Gegenteil, er dient dem Ausschluss von Spuren, die sie auf ganz natürliche Weise in Frankreich aufgenommen haben kann, z.B. bei einer Abschiedsumarmung, wenn sie den gleichen Mantel trug usw.
Ich tendiere daher entweder zu einem Raub, der ausser Kontrolle geraten ist, ähnlich der Raubserie in Wien, wo ein Täter eben auch mit bisher relativ ungewöhnlicher Brutalität vorging, oder aber, und das ist die von mir favorisierte Version, ein Sexualdelikt, das ebenfalls schiefgegangen ist. Mit anderen Worten: Lucille war leider ein Zufallsopfer.
Ob das "Phantom" des Phantombilds wirklich der Täter ist, ist natürlich noch lange nicht bewiesen, und wie grottenschlecht das Bild ist, wurde hier ja schon oft bemerkt. Wie wenig hilfreich auch bessere Phantombilder manchmal sein können sieht man wieder an dem Wiener Fall.
Wo also kam der Täter her? Möglich ist hier alles: vom Fernfahrer bis zum Anwohner der Innpromenade lässt sich mit dem bisherigen öffentlichen Kenntnisstand niemand ausschliessen. Die verwendete Waffe ist ein alltäglicher Gegenstand, den sowohl viele Kufsteiner, als auch viele Auswärtige besitzen. Die Herkunft wird sich wohl nie klären lassen. Der Tatort liegt zentral in der Stadt und ist somit Ortsfremden, die es einmal bis Kufstein geschafft haben, auch bekannt. Offensichtlich hat es in der Region einen ähnlichen Tatablauf vorher noch nie gegeben, aber selbst der abgebrühteste Serientäter fängt irgendwann einmal mit seiner ersten Tat an, so dass man nicht 100%ig sagen könnte, dieser Täter muss so etwas vorher schon einmal gemacht haben und da wir hier keine Fälle kennen, muss er von ausserhalb sein.
Im Gegenteil, ich denke sogar dass es sich hier durchaus um die erste Tat solcher Art des Täters handeln könnte. Wenn er nämlich vorhatte, Lucille zu vergewaltigen, ist ihm das ja sehr misslungen. Ich vermute, er hat sie eine Weile verfolgt, und dann an einer durchaus geeigneten, relativ verlassenen Stelle angegriffen, aber dann im Prinzip alles falsch gemacht: zuviel Brutalität eingesetzt, sich dann aber dennoch relativ lange am Tatort aufgehalten (sich nämlich die Mühe gemacht, sie von der Promenade ans Ufer zu schleppen), um dann doch nicht die Tat vollenden zu können. Und, sofern er das Phantom ist, dann auch noch im Laufe der Nacht irgendwann gesehen werden. Das alles wirkt relativ dilletantisch.
Der tatsächliche Taterfolg dagegen, die Tötung Lucilles, könnte ihn dann geschockt haben, wenn er nie die Absicht hatte, sein Opfer zu töten, und dementsprechend auch nicht mit dem Aufklärungsdruck gerechnet hat, der diesem Mord folgte. Deshalb ist er komplett in der Versenkung verschwunden. Psychologen sagen zwar, dass Triebtäter ein gewisses Verlangen nach dem Ausleben ihrer Triebe empfinden, aber das lässt sich durchaus kontrollieren, besonders am Anfang einer Karriere als Triebtäter, so dass eine Unauffälligkeit über einen langen Zeitraum nach der Tat nicht bedeuten muss, dass der Täter die Stadt verlassen hat.
Umgekehrt ist natürlich möglich, dass es sich um einen durchreisenden Täter handelt, der noch in der selben nacht Kufstein auf Nimmerwiedersehen verlassen hat. Interessant wäre hier ein europaweiter Abgleich mit ähnlichen Fällen, etwas, was die Tiroler Polizei vermutlich auch schon getan hat. Es gab in Deutschland und anderen europäischen Fällen schon ein paar Morde die von Fernfahrern begangen wurden, die so aufgeklärt werden konnten. Die Eingrenzung auf 500km kann da sogar noch viel zu kurz greifen, aber auch das wird den Beamten bewusst sein.
Was ein wenig gegen die Fernfahrer Theorie spricht ist, dass die Taten, die auf solche Fernfahrer zurückgeführt werden konnten, in der Regel im Umkreis des LKW verübt wurden. Mir ist spontan keiner bekannt, an dem sich der Fahrer doch einige Kilometer vom geparkten LKW entfernt hat. Die Opfer waren meistens Prostituierte, die bewusst Parkplätze aufsuchten, sowie Anhalterinnen und Frauen, die ebenfalls aus irgendwelchen Gründen sich entlang der Fahrtroute aufhielten. Für einen Berufsfahrer ist der Gedanke, sich zu Fuss von einem Tatort entfernen zu müssen vielleicht sogar etwas erschreckend. Er ist es gewohnt, motorisiert schnell seinen Standort wechseln zu können.
Ich denke auch die Beobachtung, dass das Phantom (ich nenne ihn jetzt mal so) sich in der Nähe der einen benannten Kneipe aufgehalten haben soll, und zwar, wenn ich das richtig verstehe an verschiedenen Tagen, spricht für mich eher gegen einen echten Fernfahrer, der ja mehr oder weniger in seinem LKW lebt und selbst bei den Wochenend-Zwangspausen diesen so gut wie nie verlässt. Wie schon gesagt wurde, ist Kufstein auch nicht so abgelegen, dass alle Auswärtigen in der Stadt sehr wahrscheinlich Fernfahrer sind.
Ich könnte mir hier noch eine ganze Reihe anderer Personen vorstellen, wie z.B. Saisonarbeiter in den Skigebieten, die sich weit weg von ihrer Heimat auf einmal im Jänner in Kufstein wiederfinden.
Das Wagenheber Teil könnte zwar auf einen LKW Fahrer weisen, aber auch andere Personen, die mal mit Maschinen oder Fahrzeugen zu tun haben, dürften kein Problem haben, an solch ein Teil zu kommen.
Zum Schluss noch zum Dezember Fall: soweit ich das verstehe, wurde die Kellnerin erheblich verletzt, das spricht schon gegen einen erfundenen überfall, wenn sie nicht gerade von ihrem Liebhaber verprügelt wurde und das nicht zugeben will. Ich vermute aber, dass spätestens nach dem Mord an Lucille, die Befragung der Polizei recht intensiv war, so dass die Kellnerin das vermutlich dann zugegeben hätte. Daher gehe ich mal davon aus, dass diese Tat so stattgefunden hat wie beschrieben.