SagittariusB schrieb:Ist eine Nackte Singularität eigentlich noch eine Singularität im herkömmlichen Sinne
Die Frage an sich macht keinen Sinn, ist in etwa so als würde man fragen: Ist ein nackter Mensch eigentlich noch ein Mensch?
Auf den ersten Blick ist eine Singularität nunmal das was sie ist, ein Zeichen dafür, dass wir etwas nicht verstanden haben, und zwar vollkommen unabhängig davon was sie umgibt. Allerdings ergeben sich je nach Art der "Betrachtung" tatsächlich Unterscheidungsmerkmale.
Letztlich haben wir (noch) keinen gültigen Ansatz um uns diesem Phänomen anzunähern. Unsere beiden Theorien die uns dafür zur Verfügung stehen, sind zwar in ihrem Geltungsbereich wirklich sehr gut belegt, aber dennoch unvollständig, da sie jede für sich genommen keine Erklärung dafür liefern können.
Eine Gravitationssingularität ist quasi per Definition nicht mehr Teil der Raumzeit. Die ART verbietet einen solchen Zustand zwar nicht, es kann mit ihr aber weder ein "wann", noch ein "wo" bestimmt werden. Das heißt, selbst wenn es diesen Zustand der nackten Singularität tatsächlich geben sollte, wäre eine Beobachtung derzeit aus Mangel an geeigneten Experimenten im Grunde nicht möglich.
Die ART ist aber nur eine Seite der Medaille, auf der anderen Seite haben wir auch noch die Quantenmechanik, deren Effekte alles dafür tun, dass es zu keiner nackten Singularität kommen kann. In der Quantenmechanik und auch anderen Theorien außer der ART, dient die Raumzeit immer noch als eine Art "Hintergrundfeld", in der die Singularität lokalisiert werden kann, auch wenn andere physikalische Eigenschaften undefiniert bleiben.
Wenn es um Gravitationssingularitäten geht, ist die ART zweifelslos unser bestes Werkzeug zur Beschreibung, auch wenn sie gerade im entscheidenden Punkt versagt, da sie ohne Korrektur durch die Quantenmechanik bei einer unendlichen Dichte landen würde, was nach derzeitigem Kenntnisstand nicht möglich zu sein scheint.
Was wir dringend brauchen, ist eine Schnittstelle zwischen QM und der ART, also eine Theorie der Quantengravitation, ohne die dieses Rätsel wohl nicht aufzulösen geht. Und so lange es diese Theorie nicht gibt, bleibt alles nur Spekulatius
:D
SagittariusB schrieb:Irgendwie will das nicht in mein Kopf. Es muss es doch irgendwann eine Grenze geben
Man darf die Grundkräfte nicht nur nach ihrer Stärke allein betrachten, entscheidend ist auch die Reichweite.
Die elektromagnetische Kraft wird ebenso wie die beiden Kernkräfte über Austausch- (bzw. Wechselwirkungs-) teilchen vermittelt. Das Wechselwirkungsteilchen der EM-Kraft ist das masselose Photon, welches theoretisch eine unendliche Reichweite besitzt, ebenso wie das postulierte Graviton, welches die Gravitation vermitteln soll, zumindest wenn es nach Newton geht.
Die starke Kernkraft wird hingegen über Gluonen vermittelt, deren Reichweite nur ca. 1fm beträgt, also deutlich im subatomaren Bereich. Bei der schwachen Wechselwirkung sind es die W- und Z-Bosonen.
Ein sehr anschauliches Beispiel ist die Verschmelzung von Atomkernen, welche bekanntlich eine positive Ladung aufweisen. Hier verhindert die elektromagnetische Abstoßung zunächst einmal, dass sich die Kerne zu Nahe kommen können (Coulomb-Barriere). Um diese Barriere zu überwinden, muss sehr viel Energie aufgewendet werden, denn je geringer der Abstand, desto größer die Abstoßung.
Nicht einmal im Kern unserer Sonne reicht die Energie aus, um Kerne "klassisch" verschmelzen zu lassen. Dafür reichen die 15 millionen Grad bei Weitem nicht aus, vielmehr wird das 10- bis 100-fache für eine klassische Verschmelzung benötigt. Das es in der Sonne dennoch zur Kernfusion kommt, verdanken wir einem quantenmechanischen Effekt, dem sog. Tunnelffekt, dessen Ineffektivität wir letztlich unsere Existenz verdanken ... ist aber eine andere Geschichte
:)Zurück auf die Erde ... hier in unseren Fusionsreaktoren sind wir in der Lage Temperaturen von über 100 millionen Grad zu erzeugen. Diese Energie reicht aus, damit sich die Atomkerne beim Zusammenstoß so nahe kommen können, dass die Starke Kernkraft, welche deutlich stärker ist als die EM-Wechselwirkung, im wahrsten Sinne des Wortes "zuschnappen" kann. Die Kerne verschmelzen miteinander, dabei wird Energie frei, ... der Rest ist allgemein bekannt.
Mit der Gravitation verhält es sich ähnlich. Sind die Teilchen (bzw. Massen) weit voneinander entfernt, hat die Gravitation gegen die anderen Kräfte kaum eine Chance. Sind jedoch sehr große Massen beteiligt, wie z.B. beim Kollaps eines Stern-Kerns, dann erhält die Gravitation ihre Chance zuzuschnappen, und kann nur noch vom Strahlungsdruck und quantenmechanischen Effekten gestoppt werden.
Auf welchen Level sich das ganze stabilisiert (weißer Zwerg, Neutronenstern, Quark-Stern, BH) hängt einerseits von der beteiligten Masse, und andererseits von der Energieabstrahlung, und nicht zuletzt von quantenmechanischen Effekten ab.
Das Ganze ist letztlich kaum vorstellbar, da wir in unserem Alltag kaum mit diesen Größenordnungen in Berührung kommen. In einer Doku wurde mal ein Beispiel genannt, wo jemand mit einem großen Hammer mit aller Kraft auf einen Amboss einschlägt. Bereits hier kann sich kaum jemand vorstellen, dass Hammer und Amboss sich niemals wirklich "berühren", da die elektromagnetische Abstoßung der Elektronenhüllen dies wirkungsvoll verhindert. Und diese Kräfte sind geradezu lächerlich klein im Vergleich zu dem, was bei der Kernfusion abgeht
:DDas solls jetzt aber auch gewesen sein, hab schon viel zu viel geschwafelt...