Neupythagoreer schrieb:In der Presse tauchen Begriffe auf, wie Amokpilot, Amoktat, Amokflug, auch Homizid-Suizid. Entscheidend ist, dass für diese Art von Massentötung eine Depression wahrscheinlich nicht kausal ist.
Mir ist der Begriff eigentlich egal, solange sie sich in einem seriösen Rahmen bewegt, ich hab nur den Experten zitiert. Dass Headlines keine durchweg seriöse Bezugsquelle darstellen sollte klar sein. Insofern sollte man hier aufhören mit Begriffen wie „Amok-Pilot“ um sich werfen. Wollte damit nicht sagen was es ist, sondern nur dass es kein Amoklauf ist und auch nicht unbedingt vergleichbar ist, ich denke das hat der Experte in dem Welt-Artikel auch deutlich geäußert, egal was auch immer Zeitungen für Clickbait schreiben.
Neupythagoreer schrieb:Ich kann aber wirklich nichts finden, dass eine Neigung zu erweitertem Suizid gegenüber Unbekannten (das ist hier entscheidend) bei Depression herleiten würde.
Wie denn auch, wenn derartige Fälle so selten sind, dass man nichtmal die Begrifflichkeit klar definiert ist.
Neupythagoreer schrieb:Im Gegenteil schließen Experten aus, dass eine Depression eine Erklärung für diese Art von erweitertem Suizid wäre.
Genau das habe ich ja auch geschrieben und dazu meine eigene Einschätzung geäußert. Erstaunlicherweise ist es nämlich so, dass Depressionen in diesen Fällen fast immer auftauchen, aber nie als Begründung gelten. Was ich ja gesagt habe ist, dass eine Person, die sowieso unter Störungen leidet und Gewaltfantasien hat, nach dem Suizidentschluss zweifelsfrei mehr geneigt ist, diese auch umzusetzen - aufgrund fehlender Konsequenzen. Taten die viele nicht begehen würden, wenn sie noch vorhätten weiterzuleben. Das sollte unbestritten sein. Auch wenn Depressionen Gewalttaten nicht begünstigen, erhöhen sie bei Betroffenen oft die Wahrscheinlichkeit zum Suizidentschluss und genau da könnte der Schlüssel liegen, warum soviele Gewalttäter depressiv sind. Es ist nicht die Depression selbst, sondern der damit verbundene Suizidentschluss der es begünstigt, sowieso fantasierte Gewalttaten in die Tat umzusetzen. Es ist richtig, dass Depressive meist Gewalt viel mehr gegen sich selbst und weniger gegen andere richten - was allerdings keineswegs bedeutet, dass sie heilige sind und keine Gewalttaten verüben können. Eine sowieso gewalttätige Person wird durch Depressionen jedenfalls nicht geheilt werden.
Neupythagoreer schrieb:es ging also auch um Rache, dass die Öffentlichkeit seine Situation wahrnehmen sollte
Genau das habe ich gesagt.
Neupythagoreer schrieb:und würde nicht das Moment des Verheimlichens bei MH370 erklärten
Ich hab auch nicht den Bezug vom Germanwings-Absturz zu MH 370 hergestellt sondern du. Es liefert aber auch keinen einzigen Gegenbeweis, das diese Taten recht individuell sind und verschiedene Ursachen haben können. Nur weil Lubitz die Aufmerksamkeit wollte, bedeutet das keineswegs, dass andere Piloten die Ähnliches tun das auch wollen. Schon allein die Lebensumstände können völlig andere sein. Vor allem allein durch das nicht verheimlichen darauf zu schließen, dass er Aufmerksamkeit wollte ist sehr simpel und gefährlich unkritisch. Rache kann man auch nehmen, ohne dass automatisch jeder weiß dass man selbst der Raghenehmer ist und auch ohne automatisch Aufmerksamkeit erregen zu wollen. Es gibt genug Fälle wo auf Rache versessene Menschen anonym über Jahre hinweg Bomben verschickt haben. Also allein vom Motiv Rache darauf zu schließen, dass er Aufmerksamkeit wollte ist komplett falsch. Rache und Geltungsbedürfnis sind etwas völlig verschiedenes. Gerade im Fall Lubitz kann es gut sein, dass es ihm schlichtweg egal war, ob das ganze Aufmerksamkeit erregt, da er dannach sowieso tot ist. Der Alaska-Ingenieur hat auch eine sehr spektakuläre Methode gewählt sich umzubringen, war im Funk jedoch weitestgehend gleichgültig. Er hat natürlich „nur“ sich selbst umgebracht, allerdings begehen solche Täter wie Lubitz die Taten ja, weil sie entweder auf Rache aus sind, oder aber empathielos sind, bzw. eine Mischung von beidem. Insofern muss es für diese Täter keinen Unterschied darstellen, nur das Flugzeug, oder noch ein paar Hundert Menschen mit in den Abgrund zu schicken.
Das was vor allem Germanwings von MH370 unterschiedet ist, dass Lubitz vor allem impulsiv vorgegangen ist, ohne Rücksicht auf Verluste. Ist allerdings keinerlei Beweis, dass jeder Täter so vorgeht. Im Gegenteil, es ist keinesfalls so, wie du es darstellst. Suizide können so individuell sein, wie die Menschen, die sie begehen. Manche sind von langer Hand aktivisch geplant und äußerst durchdacht ausgeführt, andere wiederum sind total impulsiv und spontan.
Neupythagoreer schrieb:Da ist eine Depression sicher sehr kontraproduktiv, um dies auszuführen.
Nein. Das ist viel zu vereinfacht dargestellt. Depressionen können sehr verschieden sein. Es ist sicherlich richtig, dass depressive Menschen mehr zur Gewalt nach innen neigen und es wird öfters behauptet, depressive Menschen seien sogar weniger gewalttätig. Eine Oxford-Studie beweist allerdings das Gegenteil:
In der genannten Analyse haben Psychiater um Professor Seena Fazel von der Universität in Oxford zunächst eine Reihe von schwedischen Patientenregistern nach ambulant behandelten Depressiven im Alter von rund 30 Jahren durchkämmt (Lancet Psychiatry 2015; 2: 224).
Bei ihnen schauten die Forscher, wie häufig sie in den drei Jahren nach der Depressionsdiagnose laut Polizeistatistiken Gewaltverbrechen begingen. Insgesamt konnten sie Angaben von über 47.000 Depressiven auswerten, davon waren etwa ein Drittel Männer.
Innerhalb von drei Jahren wurden 3,7 Prozent der Männer aufgrund von Mord, Mordversuch, schwerer Körperverletzung, Vergewaltigung, Raub oder sexueller Belästigung von der Polizei gefasst, 1,2 Prozent waren es in einer Vergleichsgruppe gleich alter Nichtdepressiver.
Quelle: aerztezeitung.de
Damit ist deine vorwegnehmende Annahme, einem depressiven Menschen wäre es fast nicht möglich so eine Tat zu begehen nucht richtig. Es ist sogar das Gegenteil bewiesen. Ist auch völlig logisch, da Empathielosigleit bei depressiven Menschen erhöht sein kann.
Neupythagoreer schrieb:Ich weiß auch nicht, inwiefern man ausschließen kann, dass Lubitz eine Psychose hatte. Der Arzt, der ihn behandelte, ging wohl davon aus:
Ich habe in meiner letzten Antwort einen forensischen Psychiater zitiert, der eine Psychose komplett ausgeschlossen hat. Ich verstehe nicht warum du sowas wehement ignorieren willst 😅 Ich wiederhole: der selbe Arzt auf den du dich berufst hat ihm keine Suizidabsichten testiert. Dazu hatte er nicht die Informationen, die wir heute haben.
Neupythagoreer schrieb:Auch eine mit Wahnvorstellungen verbundene Depression würde sicherlich dem Umfeld auffallen.
Niemand hat hier von Wahnvorstellungen gesprochen. Der forensische Psychiater geht wie gesagt von einer Persönlichkeitsstörung mit depressiven Tendenzen aus. Persönlichkeitsstörungen sind sehr häufig (ca 10%) und haben absolut nichts mit Wahnvorstellungen zu tun. Eine Persönlichkeitsstörung beschreibt nur die Ausprägung bestimmter Chataktermerale. Der Experte im Welt-Artikel hat ebenfalls eine Persönlichkeitsstörung als mögliche Ursache genannt. Sowas fällt in kleinster Weise so auf, dass jemand so etwas damit vermuten würde, evtl. wird eine Person als „Arschloch“ wahrgenommen, aber nicht als Gefahr. Ebenfalls kann man damit auch problemlos seinen Job weiter ausüben, solange man mit seinen Kollegen klarkommt. Mir sind in meiner Ausbildung schon 1-2 Personen begegnet, die mit Sicherheit unter einer Persönlichkeitsstörung gelitten haben, ohne wohl in dieser depressiv-suizidalen Ausprägung.
Und es kommt ja wohl öfters vor, dass Piloten, die in der Lage sind ihren Job unauffällig auszuführen, dann solch eine Tat begehen und da müssen es eben solche Ursachen sein, weil das mit Psychosen oder Wahnvorstellungen auszuschließen ist. Neustes Beispiel ist wohl der China-Eastern-Flug.
Neupythagoreer schrieb:Bei den Extremisten (Rechtsextremen, Islamisten usw.) geht es nicht nur um Hass, sondern vor allem auch um Ideologie.
Ein Mensch mit einer gewalttätigen Ideologie und einer der diese Grenze überschreitet und bewusst zum Gewalttäter wird, ist etwas anderes. Da kommen noch andere Faktoren hinzu. Selbst Menschen mit gewalttätigen Ideologien allein haben meist psychische Probleme.
Neupythagoreer schrieb:Ein Rechtsextremer glaubt, dass die Tötung von ethnischen Minderheiten oder Homosexuellen dem höheren Zweck dient, eine bessere Welt zu schaffen, ein Islamist sieht dies im Kampf gegen Ungläubige
Trotzdem wird aber eben nicht jeder rechtsextremer auch zum tatsächlichen Gewalttäter.
Neupythagoreer schrieb:Zumal will man dann, dass die Öffentlichkeit auch über das Motiv in Kenntnis gesetzt wird, was wäre es sonst für eine Rache.
Nein. Das wäre eine Art Rache, wie sie meist so umgesetzt wird. Rache im geheimen ist überhaupt nichts seltenes. Es geht vielen Rachsüchtigen allein darum, dass der andere Schaden erleidet, wie man ihn evtl. selbst meint erlitten ihn zu haben. Der Geltungsdrang bzw. der Wunsch das dann anderen auchnoch unter die Nase zu reiben ist nochmal was anderes, was bei manchen dazukommt. Es gibt Fälle in denen Frauen z.B. ihre Exmänner über vergiftete Tabletten im Supermarkt getötet haben und damit noch Kollateralopfer mit, die ebenfalls diese Tabletten gekauft haben und es bis zuletzt geleugnet haben. Fälle, in denen Menschen über Jahrzehnte hinweg ihren Ex-Arbeitgebern oder Ämtern, die für die Kündigung verantwortlich waren, ausgeklügelte Briefbomben geschickt haben ohne jemals identifiziert worden zu sein. Der Rachegeanke selbst hat mit Geltungsdrang nix zu tun.
Schlechter Vergleich, aber wenn ich im Fußball mal „leichte Rachefouls“ begehe, dann ist mir sogar immer wichtig, dass der andere Denkt, dass die keinesfalls absichtlich sind. Sonst würde er ja wissen, dass er mich seiner Aktion provoziert hat
:DNeupythagoreer schrieb:Außerdem gibt es ja noch nichtmal Hinweise auf eine Depression bei einem Piloten. Das einzige, was dafür spräche, wäre, dass diese unter den psychischen Erkrankungen noch vergleichsweise wenig auffällt.
Da hast du Recht, aber nach aktuellem Erkenntnisstand ist ein Suizid am wahrscheinlichsten und da können wir Psychosen und Wahnvorstellungen ausschleißen, da er mit solchen Grunderkrankungen seinen Beruf nicht hätte ausüben können. Es muss also, und da folge ich nur forensischen Psychiatern, eine Persönlichkeitsstörung mit suizidalen/depressiven Tendenzen gewesen sein. (!Im Falle eines Suizids, was ja keinesfalls bewiesen ist!)
Neupythagoreer schrieb:Als Motiv für einen möglichen Suizid würde ich dann schon eher Geltungssucht annehmen. Also der Wunsch, ein perfektes Verbrechen durchzuführen und dafür bekannt zu sein.
Also das ist jetzt auch wirklich etwas abenteuerlich. Du argumentierst einerseits mit Statistiken über Einzelfälle, aber wieviele Menschen haben sich in der Geschichte der Memschheit das Leben genommen, nur um ein perfektes Verbrechen begehen zu wollen? Die Artikel haben ja mit dem Fall auch nicht wirklich was zu tun. Und auch da ist ja Geltungssucht nur ein Faktor von vielen, warum ein Mensch so eine Tat begeht. Da muss ja vorher schon was schief gelaufen sein.