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Wird in Deutschland zu viel reguliert, besteht zu viel Bürokratie?

418 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gesetze, Gericht, Bürokratie ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Doors ehemaliges Mitglied

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Wird in Deutschland zu viel reguliert, besteht zu viel Bürokratie?

15.01.2019 um 11:22
Werte "Gesetzlose",

was wäre denn Eurer Meinung nach die Alternative zu Gesetzen, Gerichtsverfahren etc.?
Das beliebte alte, und in manchen Regionen noch heute praktizierte Faustrecht? Ich gehe bei einem Rechtsstreit nicht zum Anwalt oder ziehe vor Gericht, sondern "ruf' isch meine grosse Brudas, mache disch mitte Messa Krankehaus!"? Selbstjustiz a la "Ein Mann sieht rot"? Oder was schwebt Euch da so vor?

Auf Regeln und Gesetze wird geschissen. Ich entscheide selbst, was ich für Recht oder Unrecht halte? Fuck vor Strassenverkehrsordnung! Wenn ich für mich den individuellen Linksverkehr ausrufe oder Verkehrsschilder als unnütze Strassenrand-Dekoration betrachte, sollen doch die anderen sehen, wie sie damit klar kommen?

Ich will meinen Müll, mein Altöl, meine Chemieabfälle da entsorgen, wo ich will. Ich bin ein freier Mensch. Ich lass mir doch von einem Unrechtsstaat nichts vorschreiben. Ab damit in Nachbars Garten oder in den nächsten Teich!

Die Beispiele liessen sich beliebig fortsetzen. Das Dumme an der Sache ist dann nur, dass auch andere sich nicht an Regeln oder Gesetze halten. Was mache ich dann, wenn Produkthaftpflicht, Arbeitsrecht, Verbraucherschutz, Mieterschutz etc. keine Gültigkeit mehr haben? Muss ich dann wieder zur Knarre greifen, um eigenhändig für meine Vorstellungen von Recht und Ordnung durchzusetzen? Und was, wenn mein Kontrahent die grössere Feuerkraft aufweist, weil sein Clan grösser ist? Habe ich dann lieber Unrecht?

Was sind Eure Vorstellungen von einem zivilisierten Zusammenleben?


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Wird in Deutschland zu viel reguliert, besteht zu viel Bürokratie?

15.01.2019 um 11:28
Zitat von DoorsDoors schrieb:was wäre denn Eurer Meinung nach die Alternative zu Gesetzen, Gerichtsverfahren etc.?
Es sagt doch niemand, dass es das alles nicht geben soll.
Bitte differenzieren (und nachlesen, dass auch ich mich für all das ausgesprochen hatte).

Oder bist du jetzt nur quer eingestiegen ohne etwas zu lesen?


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15.01.2019 um 11:34
@Optimist

Nun, was die Räumpflicht angeht, die Du in Deiner Eröffnung angesprochen hast, so bin ich durchaus der Menung, dass Grundstückseigentümer für sichere Gehwege zu sorgen haben. Das ist ja auch in allen Gemeinden geregelt. Natürlich entbindet einen das nicht von der Sorge, seine Schritte wohl zu wägen. Wenn jemand auf einem vereisten, nicht geräumten Weg oder Grundstück zu Schaden kommt, ist selbstverständlich der Eigentümer haftbar. Er kann für solche Fälle natürlich eine Haftpflichtversicherung abschliessen. Sollte er auch. Ob die dann im Falle der Vernachlässigung der Eigentümerpflichten auch zahlt, wage ich zu bezweifeln.


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15.01.2019 um 11:36
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Was mir als erstes dort auffiel: Mir schien es so, als gabs dort kaum Verkehrsregeln oder es richtete sich kaum jemand danach. Es wurde "kreuz und quer" auf der Straße rumgefahren mehr oder weniger nach gut Dünken. Da wo Platz war, fuhr man halt - und entsprechend auch die Geschwindigkeit angepasst. Aber es funktionierte - trotz des scheinbaren Chaos - wunderbar.
Wie es ansonsten im Alltag dort abging, das bekam ich natürlich nicht mit.
Sicher läuft der Verkehr anderswo regel- und zügelloser ab. Kein TÜV, keine Haftpflichtversicherung, gern auch keinen Führerschein und keine Promillegrenzen. Schön, wenn man sich selbst nicht daran halten muss. Dumm, wenn andere sich nicht daran halten und Dich zum Krüppel machen. Dazu kannst Du gern mal die Statistiken zu Verkehrstoten in Europa und andernorts (seoweit vorhanden) zu Rate ziehen.


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15.01.2019 um 11:38
Zitat von DoorsDoors schrieb: ist selbstverständlich der Eigentümer haftbar.
das weiß ich doch.
Aber das finde ich eben nicht so toll. Argumente hatte ich dazu geliefert (hast du evtl. noch nicht gelesen - in den weiteren Posts meine ich?)


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15.01.2019 um 11:45
@Optimist

Auch der von Dir gewünschten Reduzierung von Klagemöglichkeiten gegen Institutionen oder Menschen, die einem persönliche Nachteile verschaffen, gehe ich nicht konform.

In einem rechtsstaat sollte jeder die Möglichkeit haben, gegen Entscheidungen oder Verhaltensweisen, die ihm zum Nachteil oder Schaden gereichen, zu klagen. Das ist alternativlos. Wenn ich mir allein anschaue, welche Arbeitsrechtsprozesse ich schon geführt habe, welche Verfahren vor Verwaltungsgerichten oder für andere vor Sozialgerichten - und wie oft dann der Kläger Recht bekam, weil eben die Verhaltensweisen der Prozessgegner als gesetzeswidrig anerkannt wurden, dann möchte ich, im Interesse der Betroffenen, diese Möglichkeit nicht missen.

Allein in Sozialrechtsprozessen habe ich im vergangenen Jahr für von mir Betreute einige Zehntausend Euro, natürlich mit Hilfe von Fachanwälten, erstritten. Ich habe die Menschen motiviert, nicht jeder Bescheid, und zwar meist ablehnende oder falsche, zu akzeptieren, nur weil man angeblich "gegen die da oben nichts machen kann."


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Wird in Deutschland zu viel reguliert, besteht zu viel Bürokratie?

15.01.2019 um 17:25
Zitat von DoorsDoors schrieb:In einem rechtsstaat sollte jeder die Möglichkeit haben, gegen Entscheidungen oder Verhaltensweisen, die ihm zum Nachteil oder Schaden gereichen, zu klagen. Das ist alternativlos. Wenn ich mir allein anschaue, welche Arbeitsrechtsprozesse ich schon geführt habe, welche Verfahren vor Verwaltungsgerichten oder für andere vor Sozialgerichten - und wie oft dann der Kläger Recht bekam, weil eben die Verhaltensweisen der Prozessgegner als gesetzeswidrig anerkannt wurden, dann möchte ich, im Interesse der Betroffenen, diese Möglichkeit nicht missen.
Dagegen habe ich doch auch in keinster Weise etwas, bin auch froh, dass es diese Möglichkeiten gibt.

Aber weiter oben schrieb ich von Differenzierung.
Und ich brachte das Beispiel, dass ich nicht dafür bin, jemanden verklagen zu können, für etwas, was ich sehr wohl auch gut selbst beeinflussen kann (bzw. beeinflussen kann, dass mir nichts passiert) ...
... nämlich dass ich es vermeide zu stürzen, indem ich entsprechende Schuhe im Winter anziehe. Wie gesagt, wenn ich einen Weg gehe, wo es heißt "auf eigene Gefahr", dann muss ich das doch auch, kann dann niemanden verklagen.
Zitat von DoorsDoors schrieb:Allein in Sozialrechtsprozessen habe ich im vergangenen Jahr für von mir Betreute einige Zehntausend Euro, natürlich mit Hilfe von Fachanwälten, erstritten. Ich habe die Menschen motiviert, nicht jeder Bescheid, und zwar meist ablehnende oder falsche, zu akzeptieren, nur weil man angeblich "gegen die da oben nichts machen kann."
das finde ich auch sehr gut, dass du dich da für Andere einsetzt.


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15.01.2019 um 17:29
@Optimist
Nur ging es gar nicht um die Schuhe in Deinem EP. Ich habe auch noch keine Briefträgerin in Pumps gesehen.


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15.01.2019 um 17:32
Zitat von TussineldaTussinelda schrieb:Nur ging es gar nicht um die Schuhe in Deinem EP.
ich hab ja nun auch nicht nur meinen Eingangspost verfasst, sondern noch einige andere...
... und da ging es dann um nicht beräumte Wege und dass man da nicht mit glatten Schuhen laufen sollte...


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15.01.2019 um 17:35
@Optimist
Trotzdem muss geräumt werden. So einfach ist das. Ich habe es verlinkt.


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15.01.2019 um 17:38
Zitat von TussineldaTussinelda schrieb:Trotzdem muss geräumt werden.
das weiß ich doch, wir drehen uns immer wieder im Kreis!

Nur darum ging es mir aber nicht.
Die Räumpflicht (und mögliches Bußgeld - wenn mans nicht tut) ist das Eine.
Die Klagemöglichkeit eines Gestürzten ist das Andere.

(hattest du doch letztens auch festgestellt, dass das zweierlei ist, muss ich hoffentlich nicht noch mal zeigen?)


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15.01.2019 um 18:09
@Optimist

Natürlich könnte man verlangen, dass Fussgänger sich selbst schützen, in dem sie nur in geeignetem Schuhwerk auf die Strasse gehen. Sicherheitsschuhpflicht für alle!
Aber gegen Gurtpflicht und Helmpflicht hattest Du Dich schon ausgesprochen.


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15.01.2019 um 18:16
Zitat von DoorsDoors schrieb:Natürlich könnte man verlangen, dass Fussgänger sich selbst schützen, in dem sie nur in geeignetem Schuhwerk auf die Strasse gehen. Sicherheitsschuhpflicht für alle!Aber gegen Gurtpflicht und Helmpflicht hattest Du Dich schon ausgesprochen.
Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob du mich nur missverstehen willst? :)

Ich antworte trotzdem mal ernsthaft:
Natürlich verlange ich auch für Fußgänger keinesfalls eine Pflicht, geeignetes Schuhwerk anzuziehen. Das sollte jedem selbst überlassen bleiben, genauso wie der Sturzhelm und Gurt.
Aber ich möchte, das hinterher niemand jammert und einen Schuldigen sucht (den er verklagen kann), wenn er den Schaden hat.

Nur darum gehts mir.


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16.01.2019 um 03:03
Um mal noch ein anderes Beispiel zu nennen, wo ich eine sinnvolle Maßnahme sehr begrüßt hatte - damals, welche aber inzwischen nach und nach immer weniger wird: Der Grünpfeil (der nicht-Leuchtende).
Dieser wird an verschiedenen Stellen wieder abmontiert oder gar nicht erst einer aufgestellt, nur weil manche damit nicht klar kommen (z.B. nicht erst paar Sekunden zuvor anhalten, diesen also nicht als "Stoppschild" betrachten).

Darunter müssen dann Alle "leiden", nur weil welche damit nicht umzugehen wissen und man steht dann öfter mal bei Rot, obwohl weit und breit nichts kommt (dass es für die Umwelt besser wäre, wenn der Verkehr rollt und nicht steht ist ein anderer Punkt).
Unsinnig finde ich es auch, wenn schon mal einer dran ist, dann ists meistens so, dass er in dieser Spur dann auch geradeaus gefahren werden kann. Somit nützt er dann meistens auch so gut wie nicht.
Wie siehst du das alles @Dennis75 ? (Du hattest ja mal beruflich damit zu tun :) )

Es gibt noch etwas anderes im Bereich Verkehr was man mMn optimaler für Umwelt und weniger Stromverbrauch regeln könnte, aber darauf komme ich später zu sprechen.


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Wird in Deutschland zu viel reguliert, besteht zu viel Bürokratie?

16.01.2019 um 06:00
@Optimist
Du vermischt hier zwei ganz unterschiedliche Themen. Tussi hat schon darauf hingewiesen:
Zitat von TussineldaTussinelda schrieb:Geht es ums Klagen oder um Bürokratie. Das ist ja nicht das Gleiche
Einmal geht es um die Frage, ob es in D überbordende staatliche Gängelung der Bürger gibt, meistens unter dem negativ besetzten Wort "Bürokratie" abgehakt, und zweitens ob es "zuviele Klagemöglichkeiten, zu wenig Eigenverantwortung" usw. gibt. Die erste Frage bejahe ich ganz sicher, die zweite verneine ich.

Es geht bei der zweiten doch letztlich um die Frage, wie man am besten "Gerechtigkeit" herstellen kann.

Bei den Antworten hast Du schon mal eines richtig erkannt:
Zitat von OptimistOptimist schrieb: Aber das ist halt Mentalitätssache, der eine ist so der andere so.
Ich gebe mal zwei Beispiele aus meiner Zeit, in der ich in Rom lebte. Ich wohnte im 4. Stock. Unten auf der Strasse, die passenderweise auch noch Via Rasella hiess, gab es eines Morgens einen scheppernden Schlag. Ein Fiat war unten vor der Tür in einen anderen Fiat gekracht, der Aussenspiegel war futsch. Über mir öffnete Signora L. das Fenster und stellte mit einem Schreckensruf fest, dass der demolierte Fiat ihr gehörte. Der Unglücksfahrer war ausgestiegen und rief ein "Ich bitte vielmals um Entschuldigung" nach oben. Die gute Signora entschied dann, angesichts der 5 Stockwerke, die sie rauf und runter gehen müsste, um den Unfall aufzunehmen, dass es die Sache nicht Wert sei und machte das mit einem Schwall Worten Kund. Der Unfallverursacher verabschiedete sich und der Fiat meiner Nachbarin blieb fortan ohne Aussenspiegel.

Das ist eben Italien. Keine Klage, kein Gericht, keine Polizei. In Deutschland mag man dem verlorenen Spiegel einen höheren emotionalen Wert beimessen. Ob das dann gleich zum Gegenteil führen muss, Polizei, Klage, am besten noch Gutachter... das darf man bezweifeln. Aber dass Deutsche die Dinge nun mal nicht so locker nehmen wie Italiener ist eben Mentalität.

In der Beziehung hatte ich ein interessantes Gespräch mit einem Taxifahrer in Rom, der damals noch Italiener war (heute sind Taxifahrer ja weltweit eher aus Indien oder Afrika). Ich stieg morgens gegen 5 in sein Taxi da ich einen sehr frühen Termin hatte. Um diese Uhrzeit sind die Strassen noch nicht verstopft, und fröhlich fuhr er die Via del Tritone herunter. Wir passierten mehrere Kreuzungen, deren Ampeln alle für uns rot zeigten. Er hupte zweimal und fuhr unbekümmert weiter. Dann bemerkte er ein gewisses Unwohlsein auf meiner Seite, grinste, und fragte ob ich Deutscher sei. Ich bejahte das und er meinte, er habe schon gehört, dass man in Deutschland an roten Ampeln stehenbleiben würde. Aber hier sei das anders: er hupe zweimal, dann weiss der Kreuzverkehr, dass er kommt. Und dann fragte er mich, welchen Sinn es machen würde, an einer ganz einsamen Ampel mitten in der Nacht, ohne jeglichen Verkehr minutenlang bei rot zu stehen. Er meinte das ganz Ernst. Und er war nicht einmal Schweizer (Wilhelm Tell, Ihr wisst schon.)

Die Fahrt war zu Ende, bevor es zu philosophisch wurde, aber die Frage war berechtigt.

Man kann das jetzt alles ganz romantisch finden und vom Land, in dem die Zitronen blüh'n träumen - aber wenn wir genau hinschauen, ist uns die deutsche Einstellung vielleicht doch lieber. Denn worum geht es denn bei den so ominösen Klagen? Es geht um Gerechtigkeit. Um Schadenersatz, wie Tussi wieder richtig feststellt:
Zitat von TussineldaTussinelda schrieb: Denn die Klage kommt ja nur dann, wenn sich jemand verletzt hat wegen des Nichträumens und nicht nur, weil nicht geräumt wurde. Da gibt es dann Schadensersatz zum Beispiel.
Und das ist doch das Entscheidende. Da rutscht jemand auf nicht ordentlich geräumtem Boden aus. Wenn er oder sie dann wieder aufsteht, und von dannen schlurft, wird er kaum eine Klage erheben. Aber was, wenn dieser Sturz einen komplizierten Beinbruch zur Folge hat, 3 Monate Klinik und 6 Monate Arbeitsunfähigkeit sowei eine ewige leichte Gehbehinderung infolge der Verkürzung des Beines zur Folge hat, einhergehend mit erheblichen Schmerzen, Verdienstausfall, usw usw. Und was wenn der Verantwortliche sagt: Pech gehabt, hättest halt besser aufpassen müssen! Sollten wir da nicht Klagen dürfen?

Zweierlei muss man doch erkennen:

1. Klagen zu können ist ein grosses Privileg. Es heisst ja nicht, dass der Kläger automatisch Recht bekommt. Vielleicht hat in meinem obigen Beispiel der Kläger tatsächlich nicht aufgepasst, hat nur auf sein Handy geschaut usw. Dann wird er auch einen Teil oder gar den ganzen Schaden selbst tragen müssen. Aber was, wenn der Verantwortliche nur einfach faul war und nicht räumen wollte? Sollte der Kläger dann ohne jeden Schadenersatz auskommen müssen?

Deine Lösung, den Verantwortlichen mit einem Bussgeld zu belegen und das war's, das ist m.E. die allerschlechteste Lösung. Der Geschädigte geht leer aus und der Staat, der sich eh schon in alles einmischt, der kassiert ein Bussgeld.

In den USA zum Beispiel ist das Rechtswesen genau umgekehrt angelegt: Wer einem anderen einen Schaden zufügt, der muss ihn wieder gutmachen, der Staat allerdings hält sich da weitgehend heraus. Es gibt viel weniger "Ordnungswidrigkeiten" oder Straftatbestände als z.B. in Deutschland. In dem beschriebenen Beispiel würde der Staat sagen: das geht mich nichts an. Es ist Sache der Zivilgerichtsbarkeit, hier einen Ausgleich zu erzielen.

Du formulierst es dann:
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Wenn ich also sage, ein Hausbesitzer sollte nicht zusätzlich bestraft werden können, sondern nur mittels Bußgeld, bin ich deswegen ja nicht grundsätzlich für Bußgelder - es kommt immer auf den Fall an.
Das zeigt m.E. das falsche Verständnis: Schadenersatz ist ja keine Strafe. Der Verantwortliche für einen Schaden soll ihn wieder gut machen. Darum allein geht es.

Es gibt tatsächlich einen Trend in Deutschland, den ich für bedenklich halte: den Staat immer und überall einzumischen.

Als ich Kind war, war es auch in Deutschland üblich, bei Blechschäden im Verkehr nicht die Polizei zu holen, sondern das ohne Einschalten des Staates über die Versicherung zu regeln. Und ja, man schaute dann auch mal bei einer Delle oder einem Kratzer weg und einigte sich, ohne einen Versicherungsfall daraus zu machen.

Heute muss die Polizei her. Das ist problematisch.

Ein wenig Deutsch scheint mir auch das "Alles oder Nichts Denken." In anderen Ländern ist im Zivilrecht der Vergleich der häufigste Ausgang eines Verfahrens. Man einigt sich. In Deutschland, habe ich das Gefühl, wird oft um Pfennigbeträge gekämpft. Dazu hat allerdings, nach Meinung vieler Insider, eine typisch deutsche Erfindung beigetragen:
Zitat von OptimistOptimist schrieb:wenn man Rechtsschutz hat, weniger.
Was viele Leute sehr verblüfft ist z.B. dass es in den USA so etwas nicht gibt. Zu meiner Zeit auch in Italien nicht. Die Möglichkeit, einen Rechtsstreit bis zum Äussersten durchzufechten ohne ein Kostenrisiko einzugehen, die verleitet freilich manchmal auch zum Missbrauch.
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Wenn jemand nicht ordentlich genug Schnee beräumt hat und jemand rutscht deswegen aus, dann kann derjenige den Hausbesitzer verklagen.
Das finde ich falsch.
Soll nun wirklich Allen die Eigenverantwortung abgenommen werden sich geeignete Schuhe anzuziehen?
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Und wie ich schon schrieb: nichts dagegen, dass es die Pflicht gibt Schnee zu beräumen und Sanktionen wer es nicht macht.
Mir widerstrebt es nur, dass man als Fußgänger völlig aus der Verantwortung rausgenommen wird und man klagen kann.
Das ist aber eine dramatisierte Vorstellung des Ganzen, die mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hat. Genauso wie das berüchtigte McDonald's Urteil in den USA (heisser Kaffee auf die Hose verschüttet mit Verbrennungen 3. Grades) eben gerade nicht den Normalfall des Schadenersatzrechts kennzeichnet.


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Wird in Deutschland zu viel reguliert, besteht zu viel Bürokratie?

16.01.2019 um 09:20
@Rick_Blaine
Danke, dass auch du dein Feedback abgegeben hast.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:...dass Deutsche die Dinge nun mal nicht so locker nehmen wie Italiener ist eben Mentalität.
das empfinde ich genauso und nicht nur auf Italien bezogen.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Wir passierten mehrere Kreuzungen, deren Ampeln alle für uns rot zeigten. Er hupte zweimal und fuhr unbekümmert weiter. ...
... er habe schon gehört, dass man in Deutschland an roten Ampeln stehenbleiben würde.
ja das geht bei manchen so weit, dass die auch minutenlang vor einer defekten Ampel stehen bleiben (bei versteckter Kamera mal gesehen :D )
Aber hier sei das anders: er hupe zweimal, dann weiss der Kreuzverkehr, dass er kommt.
das ist nun wieder das andere Extrem, finde ich auch nicht okay.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Und dann fragte er mich, welchen Sinn es machen würde, an einer ganz einsamen Ampel mitten in der Nacht, ohne jeglichen Verkehr minutenlang bei rot zu stehen. Er meinte das ganz Ernst. ...
Frage war berechtigt
Ich mache das Nachts genauso ... und hoffe, mich erwischt niemand :)
Einmal, zu DDR-Zeiten machte ich dies in einer Großstadt. Ich hielt kurz, es kam nichts, dann bog ich rechts ab. Da hatte ich dann aber Pech, Polizei hatte sich irgendwo versteckt gehabt und hielt mich dann an.
Ich sagte, ich hatte mir eingebildet da sei ein Grünpfeil (war aber keiner). Dann machten die noch einen Alkoholtest (negativ) und vor lauter Freude vielleicht, dass ich wenigstens kein Alk drin hatte, ließen sie mich ohne irgendwelche Sanktionen laufen :)
Heutzutage wäre das sicher nicht mehr möglich.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Man kann das jetzt alles ganz romantisch finden und vom Land, in dem die Zitronen blüh'n träumen - aber wenn wir genau hinschauen, ist uns die deutsche Einstellung vielleicht doch lieber.
mir ehrlich gesagt nicht, ich wünschte mir ein gutes Mittelding :)
... worum geht es denn bei den so ominösen Klagen? Es geht um Gerechtigkeit. Um Schadenersatz,...
ja, ich weiß.
Nur finde ichs eben etwas zu extrem, was es da in D für Möglichkeiten gibt (jetzt ganz allgemein und dann werde ich noch mal zum konkreten Beispiel etwas schreiben).
Genau das halt u.a. auch:
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:. Dazu hat allerdings, nach Meinung vieler Insider, eine typisch deutsche Erfindung beigetragen:
Optimist schrieb: wenn man Rechtsschutz
hat,
Da wird der Klageweg dann eben auch in manchen Fällen gerne mal bis zum letzten ausgeschöpft u.a. eben auch wegen einem kleinen Kratzer am Auto z.B. wie du auch zum Ausdruck gebracht hast.

Genau das (Du sprichst mir aus dem Herzen):
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Ein wenig Deutsch scheint mir auch das "Alles oder Nichts Denken."
In anderen Ländern ist im Zivilrecht der Vergleich der häufigste Ausgang eines Verfahrens. Man einigt sich. In Deutschland, habe ich das Gefühl, wird oft um Pfennigbeträge gekämpft
...
Was viele Leute sehr verblüfft ist z.B. dass es in den USA so etwas nicht gibt. Zu meiner Zeit auch in Italien nicht. Die Möglichkeit, einen Rechtsstreit bis zum Äussersten durchzufechten ohne ein Kostenrisiko einzugehen, die verleitet freilich manchmal auch zum Missbrauch.
Wie ich schon immer sage, mir widerstreben diese Extreme und teilweise Engstirnige hierzulande.

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Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Und das ist doch das Entscheidende. Da rutscht jemand auf nicht ordentlich geräumtem Boden aus. Wenn er oder sie dann wieder aufsteht, und von dannen schlurft, wird er kaum eine Klage erheben.
Aber was, wenn dieser Sturz einen komplizierten Beinbruch zur Folge hat, 3 Monate Klinik .... einhergehend mit erheblichen Schmerzen, Verdienstausfall, usw usw.
Und was wenn der Verantwortliche sagt: Pech gehabt, hättest halt besser aufpassen müssen! Sollten wir da nicht Klagen dürfen?
Mal eine Gegenfrage: Was macht so jemand, wenn er auf einem Weg lief, wo steht "Betreten auf eigene Gefahr"?
Da muss er erstens wirklich besser aufpassen. Und wenn doch etwas passiert, dann hat er tatsächlich Pech gehabt, weil er nicht klagen könnte.
Wo ist vom "Aufpassen müssen" her gesehen der Unterschied, ob er auf einem Weg ohne Schild oder mit Schild lief?
Oder anders gefragt: Muss oder sollte er auf einem Weg ohne Schild weniger aufpassen müssen, weil er ja dann klagen könnte?
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Zweierlei muss man doch erkennen: 1. Klagen zu können ist ein grosses Privileg. Es heisst ja nicht, dass der Kläger automatisch Recht bekommt. Vielleicht hat in meinem obigen Beispiel der Kläger tatsächlich nicht aufgepasst, hat nur auf sein Handy geschaut usw.
das lässt sich möglicherweise ganz schlecht oder gar nicht beweisen.
Soll der Eigentümer nun deswegen büßen müssen (angenommen er schaute ins Handy)? Eine Schadenswiedergutmachung sehe ich AUCH als Strafe dem Verursacher gegenüber an, er hat ja darunter dann auch zu leiden, er hat dann eine Menge Ärger oder seine Versicherung macht Ärger usw. (gibts ja oft, dass die sich dann auf irgendwelches Kleingedruckte berufen, manches ist ja auch wie Gummi ausgedrückt usw.). Oder er hat gar keine Versicherung. Ja selbst schuld, aber kostet ja auch alles und auch Hausbesitzer haben nicht immer einen "Goldesel" zu Hause ;) )
Außerdem stehe ich auch immer - auch bei einem Unfall - auf dem Standpunkt: In der Regel macht sich bei schweren körperlichen Schäden der Verursacher ohnehin sicher schwere Vorwürfe (seelische Belastung, um so mehr, wenn jemand vielleicht umgekommen ist).
Damit wäre so jemand dann auch schon "gestraft" genug.

[/quote]Aber was, wenn der Verantwortliche nur einfach faul war und nicht räumen wollte? Sollte der Kläger dann ohne jeden Schadenersatz auskommen müssen? [/quote] Ja, ist aus Sicht des Geschädigten schon bissel schwierig.
Und möglicherweise sehe ich das etwas zu hart, wenn ich sage, auf Wegen mit entsprechenden Schildern muss er doch auch besser aufpassen.

Und bezüglich des Faulen: dafür gäbs eben wie gesagt das Bußgeld (und er ist wie gesagt auch psychisch mit gestraft)
Wenn er dann auch noch Schadenswiedergutmachung leisten muss, empfinde ich das als doppelte "Bestrafung" (wie gesagt, ich sehe das ja - aus Sicht des Eigentümers - auch als Bestrafung an, auch wenn es keine aus gesetzlicher Sicht ist).
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Deine Lösung, den Verantwortlichen mit einem Bussgeld zu belegen und das war's, das ist m.E. die allerschlechteste Lösung. Der Geschädigte geht leer aus und der Staat, der sich eh schon in alles einmischt, der kassiert ein Bussgeld.
Es könnte von mir aus dann so geregelt werden, dass der Geschädigte das Bußgeld bekommt.
Würde man sich ein Gerichtsverfahren sparen können.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:In den USA zum Beispiel ist das Rechtswesen genau umgekehrt angelegt: Wer einem anderen einen Schaden zufügt, der muss ihn wieder gutmachen, der Staat allerdings hält sich da weitgehend heraus. Es gibt viel weniger "Ordnungswidrigkeiten" oder Straftatbestände als z.B. in Deutschland. In dem beschriebenen Beispiel würde der Staat sagen: das geht mich nichts an. Es ist Sache der Zivilgerichtsbarkeit, hier einen Ausgleich zu erzielen.
Mit dieser Lösung könnte ich auch gut leben. Weniger oder keine Bußgelder, dafür dann eben Zivilgerichtsbarkeit.

Ich bin in solchen Fällen also eindeutig für ein "entweder oder" und nicht für ein "sowohl als auch" wie bei uns.

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Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Es gibt tatsächlich einen Trend in Deutschland, den ich für bedenklich halte: den Staat immer und überall einzumischen
wie wahr.
Aber andererseits gibts eben auch Fälle, wo er vielleicht mal besser mitmischen sollte, aber es nicht tut.
Das hatte ich mir schon manchmal gedacht, im Moment fällt mir aber kein Beispiel ein, außer vielleicht in punkto Kriminalität. Da aber auch mit Abstrichen, wo er sich in manchen Bereichen meines Erachtens dann auch wieder zu sehr einmischt.
Ich sehe eben immer wieder zu viele Extreme, in manchen Bereichen eben kein "gesundes Mittelmaß".
Weil wir gerade dabei sind, wie siehst du das mit der Helm- und Gurtpflicht?

Gutes Beispiel für zu viel Einmischung:
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Als ich Kind war, war es auch in Deutschland üblich, bei Blechschäden im Verkehr nicht die Polizei zu holen, sondern das ohne Einschalten des Staates über die Versicherung zu regeln. Und ja, man schaute dann auch mal bei einer Delle oder einem Kratzer weg und einigte sich, ohne einen Versicherungsfall daraus zu machen. Heute muss die Polizei her. Das ist problematisch.



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Wird in Deutschland zu viel reguliert, besteht zu viel Bürokratie?

16.01.2019 um 10:17
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Wo ist vom "Aufpassen müssen" her gesehen der Unterschied, ob er auf einem Weg ohne Schild oder mit Schild lief?
Oder anders gefragt: Muss oder sollte er auf einem Weg ohne Schild weniger aufpassen müssen, weil er ja dann klagen könnte?
Juristen unterscheiden sehr kleinlich, welche Grundannahmen in einer Situation gegeben sind. Es gibt eine generelle Sorgfaltspflicht, eine Verkehrssicherungspflicht und die natürlich auch auf beiden Seiten.

Dein Beispiel brachte ja einen Briefträger, der den Weg zum Haus betritt, um die Post einzuwerfen. Der Hausbesitzer hatte nicht gestreut/geräumt, der Briefträger fällt...

Da gelten verschiedene Grundannahmen: Zunächst einmal ist der Briefträger berechtigt, den Weg zu betreten, denn der Hauseigentümer will ja seine Post haben. Der Hauseigentümer bietet auch einen Weg zum Haus an. Dann hat er allerdings auch die Pflicht dafür zu sorgen, dass der Weg sicher ist, so dass sich der typische Briefträger darauf bewegen kann, ohne verletzt zu werden.

Hier ist der Hauseigentümer nun mal in der Pflicht: Er will den service, er bietet dazu einen Weg an, dann steht er auch dafür gerade, dass der Weg sicher ist. Es ist dem Briefträger nicht zuzumuten das Risiko zu tragen, dass der Weg nicht sicher ist. Alternativ müsste er das Recht haben, zu sagen: bei Schnee und Eis ist mir das zu gefährlich, ich liefere die Post nicht ab. Das würde dem Hausbesitzer nicht gefallen. Beide müssen also hier einen Kompromiss eingehen: der Hausbesitzer muss den Weg so weit es ihm möglich ist gefahrfrei gestalten, und der Briefträger muss ein gewisses Restrisiko tragen, dass Schnee und Eis den Weg zumindest etwas gefährlicher machen als bei schönstem Sommerwetter.

Und nun passiert doch etwas. Dann schaut sich das Gericht genau an, wie sich beide Seiten hier verhalten haben. Hat der Hausbesitzer trotz Eisdecke und Schneefalls stundenlang keine Lust gehabt zu streuen/räumen, obwohl der wusste, der Briefträger kommt zu einer bestimmten Zeit, dann hat er die Sorgfaltspflicht verletzt und wird für den Schaden haften. Stellt sich heraus, der Hausbesitzer hat so gut es ging vor sehr kurzer Zeit geräumt aber es schneite so heftig, und (!) der Briefträger schaute auf sein Handy, war eh zu spät dran und lief daher relativ schnell und übersah eine offensichtlich eisbedeckte Stelle, auf der er dann ausglitt: dann wird das Gericht ihm sagen, dass er sehr fahrlässig war und einen Grossteil wenn nicht den gesamten Schaden selbst tragen muss.

Ich halte das für eine gerechte Lösung. Und da es im richtigen Leben nun mal so ist, dass Menschen in solchen Situationen oft nicht bereit sind, sich zu einigen, hat man eben Zivilgerichte, die das dann mit der Macht des Staates übernehmen.

Wie gesagt, eine Bussgeldlösung wäre keine Lösung. Gerade in den wichtigen Fällen, mit grossem Schaden, könnte ein Bussgeld den Schaden nicht wieder gutmachen. Und da Bussgelder eben nicht situationsbedingt verhängt werden, sondern pauschal, wäre es in anderen Fällen dem Verursacher gegenüber unfair.

Ein vernünftiges Schadenersatzrecht mit entsprechender Klagemöglichkeit im Streitfall ist meiner Meinung nach die vernünftigste Lösung, und ein recht gutes, wenn auch nicht perfektes Schadenersatzrecht gibt es in Deutschland.

Ich glaube worum es Dir hier eher geht ist, dass Du mit der aktuellen Interpretation dieses Rechts durch Gerichte in manchen Fällen nicht einverstanden bist. Dann ist aber nicht die Lösung das gesamte Rechtsgerüst abzuschaffen.

Wenn Du der Meinung bist, dass die Gerichte dem Geschädigten nicht genug eigene Vorsicht auferlegen, dann ist das eine Frage der Rechtssprechung, nicht der Rechtssetzung. Da kann im äussersten Fall auch die Politik eingreifen, indem sie bestimmte Rechtsnormen anders setzt. Aber man sollte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.

Ich mache das mal an einem Beispiel aus dem Strafrecht deutlich, da das eingänglicher ist:

Nehmen wir mal an, im Lande X wird Diebstahl mit 7 Jahren Gefängnis bestraft. Nun gibt es Bürger, die sagen: für den Diebstahl einer Sache im Wert von 5 Euro sollte man nicht 7 Jahre ins Gefängnis müssen. Dann wäre es hier Aufgabe der Politik oder der Rechtsprechung zu sagen, das Strafmass muss flexibler werden. Aber es wäre falsch zu fordern, dass Diebstahl gänzlich straffrei sein müsste.

So auch hier: die Schadenersatzklage ganz abzuschaffen oder massiv einzuschränken ist keine gerechte Lösung. Eine feinere Abstimmung zwischen Eigenverantwortung des Geschädigten und der Verantwortung des Schädigers kann in bestimmten Fällen vernünftig sein.

Das ist auch nicht ungewöhnlich. Unser Recht hat sich bereits weit in diese Richtung entwickelt. Es gab zum Beispiel vor 100 oder mehr Jahren ein ganz anderes Schadenersatzrecht, in dem es sehr oft um alles oder nichts ging. Ein kleinstes Mitverschulden, eine kleinste Fahrlässigkeit auf Seiten des Klägers führte oft zur kompletten Negierung jedes Schadenersatzes. Aber dann hat man bemerkt, dass das unfair ist, und ist zu den heute üblichen Taxierungen von Mitschuld etc. gekommen. Perfekt sind die vermutlich auch nicht, aber besser als gar nichts.

Die Alternative muss man ja auch immer bedenken. Das älteste uns bekannte Schadenersatzrecht steht in der Bibel, im alten Testament. Das ist mehrere tausend Jahre alt. Da wird sehr sorgfältig taxiert, wer welchen Schaden wie zu ersetzen hat. Das war damals ganz neu. Vorher ging man hin und verabreichte dem Schädiger eine Tracht Prügel wenn nicht schlimmer, und bereicherte sich gerne an ihm. Da kommt übrigens der Bekannte Spruch her: Auge um Auge, Zahn um Zahn..." Das war eine moderne Einschränkung: wer durch einen Schädiger einen Zahn verloren hatte, dem stand nur eine gleichgemässe Entschädigung zu, nicht mehr das Recht, den Schädiger umzubringen. Und auch damals schon sah man eine Ersatzzahlung als sinnvoller, als dem Schädiger auch einen Zahn auszuschlagen :)

Ohne ein modernes Schadenersatzrecht mit Klagemöglichkeit und zivilen Gerichten würden wir wieder zum Recht des Stärkeren aus vorsintflutlichen Zeiten zurückkehren.


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Wird in Deutschland zu viel reguliert, besteht zu viel Bürokratie?

16.01.2019 um 10:23
Ach, sorry, jetzt habe ich ganz die Ausgangsfrage vergessen. Ganz kurz:

Im obigen Beispiel obliegt dem Hausbesitzer eine Sorgfaltspflicht: er weist den Weg zum Haus aus, er weiss, dass der Briefträger kommen wird.

Nehmen wir an, der gute Mann wohnt aber in Berchtesgaden, wo es die letzten beiden Wochen extrem viel geschneit hat. Er sieht, dass auf seinem Dach sehr viel Schnee liegt und dass sich durchaus eine sogenannte Dachlawine lösen könnte. Er hat derzeit nicht die Möglichkeit, den Schnee vom Dach zu räumen.

Er stellt nun ein Schild am Beginn des Grundstücks auf: "Weg gesperrt. Vorsicht: Dachlawine! Betreten auf eigene Gefahr! Werde Post auf dem Postamt abholen"

Wenn dieses Schild sichtbar und deutlich aufgestellt ist, aber unser Briefträger als super-pflichtbewusster Beamter der koeniglich bayerischen Post die Briefe unbedingt zustellen will und just in dem Moment die Dachlawine sich loest..... dann hat unser Hausbesitzer ein gutes Argument zu sagen, der Briefträger handelte extrem fahrlässig und soll daher seinen Schaden selber tragen.


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Wird in Deutschland zu viel reguliert, besteht zu viel Bürokratie?

16.01.2019 um 11:26
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Was viele Leute sehr verblüfft ist z.B. dass es in den USA so etwas nicht gibt.
es gibt doch legal insurance in den USA? Auch wenn diese nicht exakt vergleichbar ist.
In den USA ist aber das ganze System ein anderes, weshalb es generell nicht mit Deutschland zuvergleichen ist.


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Wird in Deutschland zu viel reguliert, besteht zu viel Bürokratie?

16.01.2019 um 13:46
@Rick_Blaine
vorweg, ich schrieb zwar im EP von dem Beispiel mit dem Briefträger, aber bezüglich der Räumpflicht ging es mir auch um andere Situationen. Also auch um ganz normale Fußgänger, welche an einem Grundstück entlang laufen (gar nicht zum Besitzer wollen) und hier noch mal unterteilt in Wege, wo ein Schild steht "Betreten auf eigene Gefahr" und wo so ein Schild nicht steht.

Zuletzt, als ich das hier als Argument/Frage einwarf:
Zitat von OptimistOptimist schrieb:Was macht so jemand, wenn er auf einem Weg lief, wo steht "Betreten auf eigene Gefahr"?
Da muss er erstens wirklich besser aufpassen. Und wenn doch etwas passiert, dann hat er tatsächlich Pech gehabt, weil er nicht klagen könnte.

Wo ist vom "Aufpassen müssen" her gesehen der Unterschied, ob er auf einem Weg ohne Schild oder mit Schild lief? Oder anders gefragt: Muss oder sollte er auf einem Weg ohne Schild weniger aufpassen müssen, weil er ja dann klagen könnte?
... ging es mir also nicht um den Brieftäger, sondern allgemein um Fußgänger.

Du hast jetzt alles anhand des Briefträgers erklärt und speziell auf den Briefträger bezogen leuchtet mir das auch ein.
Allerdings auf einen normalen Fußgänger bezogen bleiben meine Fragen offen, aber ich gebe mich jetzt trotzdem mit deinen Erklärungen zufrieden. :)
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Wie gesagt, eine Bussgeldlösung wäre keine Lösung. Gerade in den wichtigen Fällen, mit grossem Schaden, könnte ein Bussgeld den Schaden nicht wieder gutmachen. Und da Bussgelder eben nicht situationsbedingt verhängt werden, sondern pauschal, wäre es in anderen Fällen dem Verursacher gegenüber unfair.
plausibel.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:...der Briefträger schaute auf sein Handy, war eh zu spät dran und lief daher relativ schnell und übersah eine offensichtlich eisbedeckte Stelle, auf der er dann ausglitt: dann wird das Gericht ihm sagen, dass er sehr fahrlässig war ...
Und da es im richtigen Leben nun mal so ist, dass Menschen in solchen Situationen oft nicht bereit sind, sich zu einigen, hat man eben Zivilgerichte,...
... Ein vernünftiges Schadenersatzrecht mit entsprechender Klagemöglichkeit im Streitfall ist meiner Meinung nach die vernünftigste Lösung, ...
Wie gesagt, für diese Lösung wäre ich auch, aber dann halt Abschaffung der Bußgelder.
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Ich glaube worum es Dir hier eher geht ist, dass Du mit der aktuellen Interpretation dieses Rechts durch Gerichte in manchen Fällen nicht einverstanden bist. ....
Nein, mir gehts eher um das Doppel-Gemoppel für den Schadensverursacher (er hat den Nachteil wegen Bußgeld und dann evtl. auch noch wegen einer Klage) - wie gesagt, Zivielklage würde ich als ausreichend ansehen - so ähnlich wie es in den USA gehandhabt wird.

Magst du darauf nicht antworten?:
Zitat von OptimistOptimist schrieb: wie siehst du das mit der Helm- und Gurtpflicht?
Bezog sich auf diesen Beitrag: Beitrag von Optimist (Seite 3)

Und dazu (Grünpfeil) würde mich auch mal noch deine Meinung interessieren? : Beitrag von Optimist (Seite 4)


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