@Dhyana_demDhyana_dem schrieb:"Beobachter und das Beobachtete sind Eins"meint weder die Zählbarkeit noch die Verbundenheit, sondern die Auflösung von Zählbarkeit und Verbundenheit.
Diese Aussage ist unwahr.
Begründung:
Zunächst gilt: Beobachten ist nur dann möglich, wenn etwas zu Beobachtendes da ist. Umkehrschluß: Wenn nichts vorhanden ist, dann ist Beobachtung ergebnislos. Doch so etwas gibt es nicht. Entweder Beobachtung findet statt, dann gibt es auch etwas Beobachtbares, oder es findet keine Beobachtung statt, weil etwas zu Beobachtendes fehlt.
Das heißt: Wenn die Verbundenheit zwischen Beobachter und Beobachtbarem nicht vorliegt, dann findet auch keine Beobachtung statt. Dann gibt es absolut nichts, was als "eins" bezeichnet werden könnte.
Das ist ziemlich einfach zu verstehen. Sehr viel schwieriger wird´s allerdings, wenn die Aussagen von so großen Denkern wie Krishnamurti zu verstehen versucht wird, von denen du hier eine zitierst:
J. Krishnamurti sagt:
Wenn Sie ohne jegliches Urteil schauen, ohne irgendeine Wahl, nur einfach beobachten, dann ist in dieser Beobachtung kein Beobachter. In dem Augenblick, in dem der Beobachter hinzukommt, beginnt das Vorurteil, beginnen die Vorlieben und Abneigungen.
Wenn du diesen Ausspruch von Krishnamurti verwendest, dann musst du ihn auch im richtigen Kontext verwenden. Und vor allem musst du lesen, was wirklich dasteht. Diesen Fehler machen Laien sehr oft, sie lesen ein Zitat, nehmen einen Satz aus einem Kontext heraus, und meinen, dieser Satz allein genügt für ein Verstehen.
Ich brauche jetzt deine gesamte Aufmerksamkeit, wenn du das Folgende verstehen willst:
Krishnamurti´s Aussage darf keinesfalls als Erklärung dafür benutzt werden, dass die Aussage "Beobachter und das Beobachtete sind eins" tatsächlich als die Auflösung von Zählbarkeit und Verbundenheit verstehen werden soll, wie du es hier darstelllst. Diese Argumentation ist haltlos, wie ich gleich aufzeigen werden. Doch zunächst schauen wir uns die Krishnamurti-Aussage einmal genauer an:
Der Satz beginnt deutlich mit den Worten: "Wenn Sie ohne jegliches Urteil schauen ...". Wen genau er hier? Er kann damit nur Denjenigen meinen, der schaut. Und genau das tut er auch.
Danach erklärt Krishnamurti, wann genau der Beobachter hinzukommt, nämlich in dem Moment, sobald Vorlieben und Abneigungen in die Beobachtung einfließen.
Vorlieben und Abneigungen bedürfen jedoch des Erinnerns daran, dass es Vorlieben und Abneigungen gibt. Und Erinnerungen benötigen zwingend immer einen Jemand, für den sie eine Bedeutung haben. Hier ist der Beobachter also keinesfalls aufgelöst.
Dennoch weist Krishnamurti auf eine ganz bestimmte Qualität des Beobachtens hin, und genau die muss man sauber herausarbeiten, um sie wirklich zu verstehen.
Nochmal zur Erinnerung: Was Krishnamurti meint, wenn er formuliert "Wenn Sie ohne jegliches Urteil schauen ..." dann ist da bereits ein Jemand, der beobachtet, aber(!) der jedoch keine Erinnerungen an Vorlieben oder Abneigungen benutzen SOLLTE, um die Qualität des Schauens anzuwenden, die er meint. Diese Qualität ist durchaus möglich und kann verglichen werden mit dem, was Überwachungskameras tun. Ihre Funktionalität ist lediglich beobachten, und zwar in dem Sinne, dass die Art der Beobachtung (und zwar die Intensität) nur das reine Vorhandensein von etwas bezeugt, jedoch ohne jegliche Wertung. Nur das Vorhandensein von etwas wird bezeugt, ohne jegliche zusätzliche Qualität.
Das ist es, was Krishnamurti hier beschreibt.
Im Gegensatz dazu ist das, was du zusätzlich anfügst, nämlich das Auflösen der Zählbarkeit und der Verbundenheit in Wahrheit das Beenden jeglicher Beobachtung. Und das kann ja wohl nicht gemeint sein.
Ich hoffe, diese Erklärungen haben dazu beigetragen zu verstehen, warum das berühmte "Eins-Sein" tatsächlich als Beziehung/Verbundenheit zwischen Beobachter und Beobachtbarem verstanden werden muss und nur so verstanden werden darf, weil es schlichtweg keine Trennung zwischen Beobachter und Beobachtbarem geben darf, weil dann überhaupt keine Beobachtung zustandekommt.
Die Verbundenheit ist Aufmerksamkeit. Sobald du Aufmerksamkeit entfernst, gibt es weder Beobachten als Fähigkeit, noch Beobachter, noch etwas Beobachtbares.