@LuciaFackel LuciaFackel schrieb:Ja, eine Weile schon. Als soziales Wesen "Mensch" sind wir daran gewöhnt, etwas anderes zu wollen. Wir wollen eigentlich immerzu Eltern. ;)
Aber man kommt drüber weg, und wenn man selbst für alles verantwortlich ist, weil alles man selbst ist, dann heisst das, man hat auch Macht über alles und kann sein Leben und sein Glück selbst in die Hand nehmen, völlig unabhänig von einem etwaigen strafenden Gott oder sonst einer beurteilenden Instanz.
Der Illusion, vollkommen unabhängig zu sein, muss ich jedoch widersprechen. Schon allein die Tatsache, dass man in einem Haus sitzt, dass andere gebaut haben, Strom benutzt, den andere herstellen, Nahrung isst, die andere angebaut haben (und womöglich auch noch zubereitet haben
;) ), etc. sagt etwas darüber aus, wie sehr wir als Menschen voneinander abhängen. Auch von der Natur hängen wir ab, denke ich nur daran, dass ich mit jedem Atemzug den Sauerstoff in mich aufnehme, den ein anderer produzierte und mit jedem Ausatmen etwas zur Verfügung stelle, dass wiederum lebenswichtig für ein anderes Wesen ist...
Natürlich gibt es Menschen und gab es schon immer, die als Einsiedler völlig auf sich gestellt, leb(t)en. Aber selbst sie haben durch andere erfahren, welche Nahrungsmittel essbar sind und welche nicht.
Auch das Lernen desselben durch Selbstversuch fand vor Urzeiten in der sozialen Gruppe statt.
All unser kulturelles Wissen erfuhren wir durch Überlieferung - durch andere. Niemand erfindet das Rad neu, es wäre auch Zeitverschwendung.
Der Irrtum, man würde ein Leben lang beeltert, entstammt m.E. dem Gefühl, selber unfähig und hilflos zu sein. Das bedeutet, man hat seinen Platz im Leben nicht gefunden. Denn jeder will auch etwas zu geben haben und will nicht nur nehmen. Jemand der nur nimmt und glaubt, selber nichts geben zu können, verfehlt sein Menschsein ebenso, wie der, der meint nur geben zu können und nicht nehmen zu müssen. Wenn das so wäre, wäre es eine bedauerliche Entwicklung und man muss sich fragen, woher sie kommt und wie eine solche Fehlentwicklung zu korrigieren sein kann.
Unabhängigkeit und Abhängigkeit halten sich die Waage, wenn es aus der Balance gerät, stimmt etwas nicht.
Für Menschen, die sich sehr abhängig fühlen von anderen, ist es ganz sicher wichtig, ihre Unabhängigkeit zu erfahren. Erfahrungen zu machen, etwas selber hinzubekommen und sei es, mit sich selber allein sein zu können. Die Erfahrung zu machen, dass das Alleinsein nicht zum Tod führt. Einsamkeit ist eine ebenso wichtige Erfahrung, wie Gemeinschaft. Warum sollten wir nicht mit unserem Tagbewusstsein allein sein können? Schließlich schaffen wir es jede Nacht, mit uns allein zu sein. Jemand, der es nicht gelernt hat, mich sich selbst allein zu sein, wird zum Energieräuber für andere. Oder er erdrückt andere durch manipulatorische Überfürsorglichkeit und macht sich dadurch scheinbar unverzichtbar.
Das Wissen, Teil eines Organismus zu sein, schützt uns nicht vor der Einsamkeit, aber vor der Gnadenlosigkeit. Zu leugnen, dass wir soziale Wesen sind, würde bedeuten, uns selbst zu verleugnen. Dann kann es passieren, dass wir dies auch von anderen fordern. Das kann gnadenlos und lieblos machen.
Vielleicht ist es diese Balance zwischen Unabhängigkeit und Eingebundensein, die in unserer Zeit schwer zu erlernen ist.
Dazu sagte Jean Liedloff: "„Solange das vorausgehende Erfahrungskontingent nicht erfüllt ist, können die Erfahrungen der nächsten Stufe tausendmal vorkommen, ohne daß sie zum Reifen des Individuums beitragen würden".
http://www.die-emanzipation-des-kindes.de/Kontinuumkonzept.htm (Archiv-Version vom 31.07.2016) In dem Artikel heißt es weiter: "Wir bezeichnen diesen Vorgang so: Die biologischen Programme müssen erfüllt sein, wenn nicht intentionale Lücken entstehen sollen, mit deren Ausfüllen ein Mensch mehr oder weniger bewußt sein Leben lang zu tun hat."
Es ist schon heftig, das das Entfernen von uns selbst das ist, was uns unser Leben lange suchen lässt mit dem Wunsch, zu unseren Wurzeln zurückzukehren.
Diese Suche ist gleichzeitig Gefährdung, aber auch Chance, dies bewusst tun zu können. Jemand, der nicht leidet, braucht nicht suchen. Jemand, der glücklich ist, braucht keine Meditation, so stand es vor ein paar Beiträgen hier. (Ich glaube, Osho soll etwas in die Richtung gesagt haben)
Wodurch erkennen wir, wenn nicht durch Fehler? So hat die zivilisatorische Entwicklung zu Mangelzuständen geführt, die u.a. der Grund sind, sich im Erwachsenenalter nach Eltern zu sehnen, aber dadurch erst sind wir in der Lage, unser eigentliches Wesen zu erforschen auf den unterschiedlichsten Gebieten und auch bewusst zu erkennen.
Wir werden nicht mehr zu den unbewussten paradiesischen Zuständen zurückkehren können. Aber wir können uns in die Lage versetzen, diese bewusst zu kreieren, in dem wir uns selbst besser kennenlernen und unsere Bedürfnisse nicht verleugnenen, sondern annehmen.
lg Sunna
@all