Nashima schrieb:So wie ich das verstanden habe gibt es Möglichkeiten aus dem gemeinsamen Zweck von Zusammenspiel einzelner "Teile" eines komplexen Organismus, Voraussagen zu dessen Entwicklung zu machen
Aber das Zitierte ist doch auch nur belangloses Blabla ohne jegliche Substanz. Wer weiß, wie fundiert das ist, was Gardner & Grafen da 2009 geschrieben haben, und wie sie das meinten. Aber wie Levin das wiedergibt bzw. daraus seine Folgerung zieht, das ist doch Wischiwaschi, sagt alles und nichts.
Klar erhöht voraufgegangene Komplexität die Möglichkeiten neuer daraus entstehender Strukturen. Und ebenso klar ist, daß die konkrete Ausgestaltung der voraufgegangenen erreichten Komplexität bzw. der Subsysteme zugleich auch die Möglichkeit künftiger Weiterentwicklungen einschränkt, geradezu in voraussagbare Bahnen leitet. Spätestens seit der sog.
Frankfurter Evolutionstheorie, früher auch Hydraulische Evolutionstheorie genannt, ist das letztlich ne allgemeine Erkenntnis. Die Vertreter dieser Schule haben sich speziell einem Aspekt darunter besonders gewidmet.
Als die ersten Wirbeltiere an Land gingen, da war schon klar, daß sie zu Tetrapoden werden. Denn schon die rein aquatischen Vorläufer-Fische hatten ihre Flossenzahl reduziert gehabt und gründelten nur noch mit zwei Flossenpaaren am Gewässerboden entlang. Und dann, als die ersten Landwirbeltiere übers Festland krochen, gabs noch unterschiedliche Fingerzahlen, bis sich bei Vorder- und Hinterextremitäten die Pentadaktylie durchgesetzt hat. Klar kann ich, würde ich im Karbon leben, damit voraussagen, daß künftige Tetrapoden jenseits des Karbon nur noch maximal fünf Finger haben werden können; Reduktion ist möglich, Vermehrung hingegen nicht. Es könnte also mal dazu kommen, daß irgendein Tier nur noch je einen Finger pro Hand haben wird, der so dick und stark ist, daß es damit galoppieren kann. Ja ich könnte sogar voraussagen, daß ein Wesen, welches sich durchs Erdreich gräbt und dabei eine besonders breite Grabschaufelhand benötigt, sich womöglich dennoch einen sechsten Finger wachsen lassen könnte, aber das wäre dann nur möglich durch Umgestaltung eines oder mehrerer Handwurzelknochen hin zu einem zusätzlichen Pseudofinger. Dennoch wäre die Hand pentadaktyl, fünffingrig, quasi anatomische Festlegung. Würde ich dann nach ein paar hundert Millionen Jahren auf Pferd und Maulwurf treffen, würd ich mit meiner Vorhersage richtig liegen. Hätte es die beiden nicht gegeben, hätte ich aber auch nicht falsch gelegen, denn "ein Finger pro Hand/Fuß" sowie "5+Pseudo" wären ja nur Entwicklungsmöglichkeiten, aber nicht zwingend aufzutretende Notwendigkeiten.
Und genau so sage ich jetzt mal als karbonzeitlicher Typ voraus: Sollten die Vierfüßer irgendwann einmal die Zweifüßigkeit hervorbringen, dann wird bei der anatomischen Umgestaltung die Ausrichtung der Körperachse, wie sie beim sich vierbeinig bewegenden Vorläufer vorhanden ist, beim nachfolgenden Zweibeiner beibehalten werden. Im Falle einer waagerechten Rumpfausrichtung werden die Hinterläufe sich weiter zur Körpermitte hin verschieben, also nach vorn. Oder aber, der vordere Rumpfbereich wird reduziert, dafür aber der Körper hinter dem Beckenansatz verlängert oder verbreitert. Hauptsache, am Ende wird das von nun an zweibeinige Wesen vor wie hinter den Laufbeinen ungefähr gleich viel Körpermasse haben, damit es ohne vornüber umzukippen sich auf zwei Beinen wirklich fortbewegen kann. Aber wesentlich in meiner Voraussage bleibt: Die Körperachse mag modifiziert werden, bleibt aber grundsätzlich gleich ausgerichtet bei der Fortbewegung.
Der Aufrechte Gang des Menschen nun aber ist in dieser Voraussage eben nicht die Regel, sondern eine totale Ausnahme. Zerstört sie die Richtigkeit meiner Voraussage? Nö, tut sie nicht. Denn als die Menschenaffen (i.w.S.) ihre Körperachse aufrichteten, da taten sie dies nicht als Zweibeiner (so dachte man das früher mal), sondern als Vierbeiner! Affen sind Baumtiere. Große Affen sind schwerer als kleine Äffchen, und da ist es fatal, beim Entlanglaufen auf einem dünnen Ast oder dicken Zweig sich mit allen vier Extremitäten nur an diesen einen Ast zu klammern. Glück und
Glas Ast, wie schnell bricht das! Also lernten diese Viecher, mit den Beinen auf einem Ast zu laufen und sich mit den Händen der Arme sich an weiterem, darüber befindlichem Astwerk festzuhalten. Es blieb also bei Vierfüßigkeit, nur eben oft genug mit aufgerichteter Wirbelsäule. Und als dann die Zweibeinigkeit entstand, blieb meine Voraussage korrekt: die Rumpfausrichtung blieb gleich.
Diese aufgerichtete Vierbeinigkeit ist aber eben keine Notwendigkeit in der Evolution der Tetrapoden, sondern eine seltene, geradezu singuläre Zufälligkeit*, keine Voraussagbarkeit. Voraussagbar wäre immerhin: wenn es mal so eine Art der vierbeinigen Fortbewegung gäbe, was für anatomische Voraussetzungen dafür nötig wären, welche anatomischen Umbauten sich daraus ergäben (etwa die Wanderung des Hinterhauptslochs hin zur Schädelbasis, aber auch eine sehr spezifische Umgestaltung von Becken- und Schulterblatt-Region). Ebenso ließe sich wohl voraussagen, in welchen Biotopen / ökologischen Nischen so eine erigierte Vierfüßigkeit vielleicht auftreten könnte, und wo nicht.
Aber zur Voraussage von Intelligenz braucht es in Sachen Tetrapodengrundbauplan eben nur, daß es einen Übergang zur Zweibeinigkeit geben muß, um ein Extremitätenpaar für feinmotorische Aktivitäten freizubekommen. Die erigierte Körperachse ist einfach nicht notwendig.
Aber ausgerechnet sie macht aus einem Tetrapodenkörper einen humanoiden Tetrapodenkörper! Und so sage ich: Welcher Experte vom Fach auch immer behauptet, was Intelligentes müßte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf humanoide Körperform hinauslaufen, der ist ein Spinner und Wunschdenker, der sein eigenes Handwerk sträflich vernachlässigt.
[* Ach ja: Sowas wie Eichhörnchen, die an Bäumen hoch oder runterklettern, sowas hat keine senkrecht ausgerichtete Körperachse. Die Körperachse ist nicht nach einem absoluten Oben und Unten hin definiert, sondern nach dem "Unter"grund, zu dem hin die Beine den Rumpf vermitteln. Beim Baumklettern ist also der Baumstamm "unten" und die Körperachse bleibt dazu waagerecht. Man kann auch sagen, die Körperachse ist waagerecht, wenn die Beine in rechtem Winkel dazu abstehen, und sie ist senkrecht, wenn Körperachse und Extremitätenausrichtung im Normalfall zusammengehen.]