UnreaI schrieb:Da fehlt uns einfach ein Vergleich um das genau sagen zu können.
Nicht wirklich. Das Gehirn ist ja nicht losgelöst von der Komplexität des gesamten Organismus'.
Kurz gesagt, es braucht eine gewisse Zeit, wenn Leben erst einmal entstanden ist, daß es dann eine Effizienz der Energiegewinnung zuwegebringt, siehe die Entstehung von Photosynthese sowie Zuckeroxydation. Dies ist die Voraussetzung für Vielzelligkeit, welche dann auch erst einmal organisiert werden muß, was wiederum Zeit benötigt. Dann benötigt Vielzelligkeit Zeit, sich ein Stützskelett zuzulegen, um seine Bewegungen vom es umgebenden Medium (Wasserströmungen) unabhängig zu machen. Wofür es dann wiederum Extremitäten hervorbringen muß, um aktive Fortbewegung zu leisten. Je komplexer so ein Organismus dann geworden ist, desto mehr müssen die einzelnen neuronalen Funktionsabläufe koordiniert werden, was dazu führt, daß das Nervensystem ein Zentrales werden muß. Erfolgt auch nicht über Nacht. Doch selbst bei so komplexen Vielzellern sogenannten Höheren Lebens wie Fischen entspricht das Gehirn nur einem sehr kleinen Bereich eines Säuger- oder Vogelgehirns, nämlich dem Hirnstamm. Aus den Fischen entstanden dann Landwirbeltiere (früher Amphibien genannt, heute sind Amphibien nur eine grundlegende Nachkommengruppe davon), und aus denen dann die frühen Amnioten, die schließlich auch die Eiablage und Adoleszenz vom Wasser abkoppelten (früher Reptilien genannt, was heute darunter verstanden wird, sind gleich mehrere getrennte Nachkommengruppen, die aber ebenfalls in bestimmten wesentlichen Bereichen bei der damaligen grundlegenden Komplexität stehengeblieben sind). Und der Witz ist, dße Kompexität des Fischgehirns ist bei Amphibien und selbst Reptilien nahezu gleich geblieben, selbst das allometrische Hirn-Körper-Verhältnis ist bei den Amphibien und Reptilien weitestgehend dasselbe wie bei Knorpel- und Knochenfischen geblieben: gleich schwere Fische, Amphibien und Reptilien haben ein ungefähr gleich großes Gehirn. Es dient noch immer weitgehend sowas wie vegetativen Funktionen. Erst bei Dinos incl. Vögeln sowie bei Therapsiden incl. Säugern vergrößerte sich das Gehirn relativ und wurde in seinem Aufbau komplexer. Allerdings nicht auf einen Schlag, sondern sehr allmählich, anfangs geradezu minimal, und bis in die geologisch jüngste Vergangenheit gab es ein immer wieder auftretendes Anwachsen, Kompexerwerden unter diversen Vertretern dieser beiden Linien. Auch die Dinos am Ende der Dino-Ära hatten ein größeres Gehirn (relativ zum Körper) als die Dinos am Anfang (im Mittel, nicht jede Spezies-Linie hat da eine Hirnvergrößerung gleichermaßen durchgemacht), und auch die Säuger hatten beim Dinosterben ein größeres Hirn (im Mittel) als die frühesten Säuger, die nur ein paar Handvoll Millionen Jahre nach den ersten Dinos entstanden waren. Trotzdem waren die Säugerhirne in der ersten Epoche nach dem Dino-Aus, dem Paleozän, noch arg klein, vergrößerten sich nach ein paar Millionen Jahren aber zusehends, was nach einer Zwischenherrschaft der räuberischen Riesenvögel erst ab dem Eozän zur endgültigen Vorherrschaft der Säuger führte. Und auch die Vögel heute haben ein deutlich weiterentwickeltes Gehirn als im Paleozän. Jedenfalls die Neognathae, die Neukiefervögel. Die Urkiefervögel, Palaeognathae, wie etwa der Strauß, sind irgendwie auf nem Winzgehirn hängengeblieben. Diese Weiterentwicklung des Gehirns war nur teilweise mit einer weiteren organischen Komplexität verbunden (das aber durchaus auch, etwa wurden die Sinne wie Sehen und Riechen massiv ausgebaut und benötigten neue Hirnbereiche großen prozentualen Anteils), vor allem änderte sich nun das Verhalten, Sozialverhalten in größeren Verbänden, die Pflege von Brut und Jungtieren, aber auch das Lernen und "eigenständige" Agieren anstelle reiner Instinkthandlungen usw. Auch das ist eine enorme Komplexität, die hervorzubringen bei den Wirbeltieren mehrere hundert Millionen Jahre gebraucht hat. Selbst Spielen ist eine komplexe Leistung, notwendige Voraussetzung für instinktunabhängiges Lernen. Und nur Säuger und Vögel können als Junge spielen. Und nur wenige können das auch noch im adulten Stadium.
Du machst Dir kein Bild davon, wie komplex wir Menschen sind, nicht nur bezüglich unseres Körperbaus, unserer Organvielfalt, sondern vor allem unseres Verhaltensrepertoires. Wie viele Zwischenschritte es dazu benötigte, wie viele Grundlagen erst geschaffen werden mußten, um darauf dann etwas aufbauen zu können, das wiederum Grundlage für den nächsten Schritt in Richtung
Zoon sapiens war. Und alles brauchte Zeit. Auch ich mach mir da nicht wirklich ein Bild von, ich weiß vielleicht von groben Grundlagen dazu.
Alle diese einzelnen Entwicklungsschritte einer enorm langen Kette brauchen Zeit. Und die Länge dieser Zeit wird dadurch definiert, weie schnell Mutationen entstehen. Und das nun ist der Knackpunkt. Denn die Mutationsgeschwindigkeit kann nicht beliebig schnell oder langsam ablaufen. Würden die Gene zu schnell mutieren, könnte geschlechtliche Fortpflanzung (noch ein wichtiger Komplexitätsschritt, ohne Rekombination kann was Intelligentes schwerlich gebastelt werden innerhalb der Lebensdauer eines lebensfähigen Planeten) - könnte Fortpflanzung einer Art über kurz oder lang scheitern. Ändert sich das Erbgut zu schnell, könnten innerhalb einer Art nach einer Weile keine zwei Artgenossen mehr gemeinsam Nachkommen erzeugen, weil ihr Erbgut nicht mehr kompatibel zueinander ist, weil die Unterschiede so groß geworden sind wie zwischen Pferd und Esel. Zu hohe Mutationsrate würde schnell zu Sterilität führen, das höhere Leben stürbe aus.
Aber auch zu langsame Mutation wäre Gift. Denn ein für Leben geeigneter Planet verändert sich in geologischen Zeiträumen ständig. Hier eine Kontinentverschiebung, die die Klimazonen verändert, dort ein Asteroidenimpakt. Alle paar Millionen Jahre verändert sich was, und die Lebewesen müssen sich neu anpassen. Dafür aber brauchen sie einen reichhaltigen Genpool pro Spezies, damit einige Vertreter irgendwas an Genen und damit Eigenschaften in sich tragen, die sie mit den neuen Bedingungen klarkommen lassen. Wenn aus dem Dschungel erst mal eine Wüste geworden ist, ist es zu spät, jetzt erst mit dem Mutieren neuer Genversionen anzufangen. Also muß der Genpool bereits "bunt" geworden sein, bevor es nach Katastrophe A vor ein paar Millionen Jahren jetzt zur nächsten Katastrophe B kommt. Mit zu geringer Mutationsrate würde Lebenvon Umweltveränderung zu Umweltveränderung immer artenärmer werden und schließlich komplett verschwinden.
Daher hat die Mutationsgeschwindigkeit ein eingeschränktes "Zeitfenster". Sie darf nicht zu schnell und nicht zu langsam sein. Und zwar nicht nur auf der Erde; das gilt geradezu universumsweit. Weswegen ich sage: Wenn wir diese knapp vier Milliarden Jahre von Lebensentstehung bis zum Homo sapiens gebraucht haben, dann wird das auf anderen Planeten nicht in vierhundert Millionen Jahren passieren können, aber auch nicht vierzig Milliarden Jahre dauern dürfen. Ob es auch in drei Milliarden Jahren klappen könnte, denkbar. Aber nennenswert weniger, da sage ich no way. Allein schon nach Entstehung der Photosysnthese und damit der Freisetzung freien Sauerstoffs brauchte es eine bis eher zwei Milliarden Jahre, bis dieser Sauerstoff sich in der Atmosphäre (und selbst in den Meeren) anreichern konnte, was aber Voraussetzung für komplexes, höheres Leben ist. Wie sollte das massivst schneller erfolgen können??? Der erte freie Sauerstoff ging ja nicht gleich in atembares Wasser / atembare Luft, sondern reagierte ewig lange erst mal mit der Lithosphäre, mit darin enthaltenem freien Eisen usw. Erst als das oberflächennah abgeschlossen war, konnte der nun freigesetzte Sauerstoff frei bleiben und sich in Wasser und Luft anreichern. Und das dauert. Ganz ohne Mutationsgeschwindigkeit.
Drei Milliarden Jahre statt vier scheint mir da eher das Minimum. Wenn überhaupt...
UnreaI schrieb:Könnte es sein das es schon 1 Milliarde Jahre so Wesen in unserer Sternennachbarschaft (Milchstraße) gibt?
Was das Evolutionstempo betrifft, halte ich es wie gesagt für denkbar, aber vor allem aufgrund meiner mangelnden Kenntnisse, wie schnell Mutation ablaufen könnte, ohne zu den beschriebenen fatalen Folgen zu führen. Und womöglich gab es bei unserer Komplexitätszunahme hin zum Homo sapiens auch ein paar Umwege, die hätten vermieden werden können. Muß aber nicht so sein.
Was die Frage der nötigen stellaren Metallizität betrifft, so sehe ich sogar weniger Chancen, daß Leben früher hätte entstehen und dann Milliarden Jahre später was Intelligentes hervorbringen können. Im Bulge der Milchstraße, also der massiven Sternenansammlung im Zentrum, da dürfte die Metallizität schon mehrere Milliarden Jahre früher erreicht worden sein als im hiesigen Galaxie-Bereich, wo die Sonne eher zur ersten Generation gehören dürfte. Dort konnten also auch mehrere Milliarden Jahre früher Planeten um diverse Sterne entstanden sein. Das Dumme aber ist, daß dort die Sternendichte extrem höher ist als hier. Dort gibt es weit häufiger extrem nahe Sternentransite, was die stabilen Umlaufbahnen der Planeten um den Heimatstern in geologischen Zeiträumen stört. Leben mag da entstanden sein, doch wird es entsprechend auch wieder zerstört. So auch durch die weit größere Gefahr von Novae und Supernovae in unmittelbarer Nachbarschaft, was ebenfalls durch Strahlung und Materiebombardement eventuelles Leben zerstört. Je geringer die Sternendichte, desto länger dauert es, bis die beim Sternentod abgesprengten schweren Elemente die nächsten protostellaren Gaswolken / Sternengeburtsorte anreichern, damit dort dann auch Planeten entstehen können. Wo wir sind scheinen wir "erste Generation" zu sein. Weiter zum Milchstraßenrand hin könnte die Metallizität vn vor wenigen Milliarden entstandenen Sternen noch zu gering gewesen sein. Vielleicht sind dortige planetenhaltige Sternsysteme gerade erst entstanden.
Auch hier gibt es also so ein Fenster: Zu große Sterndichte führt zu frühen Planeten, aber auch zu zahlreichen Leben abtötenden Events. Zu niedrige Sternendichte läßt Planeten in lebensunbedrohlichen Situationen entstehen, aber erst sehr spät. Wir mögen uns wirklich am idealsten Platz für frühes, lang genug existieren dürfendes Leben befinden und damit zu den allerersten gehören.
Ob anderes Leben uns eine Milliarde Jahre voraus ist? Kann und will ich nicht ausschließen, befürchte aber, daß es nicht noch früher sein kann, ja sogar, daß ne Milliarde zu hoch gegriffen ist. Aber wenn ich unseren Fortschritt ansehe, wären selbst hundert Millionen Jahre, ja sogar eine Million Jahre "Vorsprung" ein unvorstellbar enormer Vorsprung. Was wird der Mensch (vorausgesetzt, er überlebt und schreitet weiter fort mit einer Technologie) allein schon in 1000 Jahren so alles können, wovon wir heute nicht mal träumen können?