Kephalopyr schrieb:selbst Stickstoff ist in uns enthalten
"selbst" ist gut ... Stickstoff ist in Zellen um etwa das 200fache im Vergleich zur Erdkruste angereichert. Sämtliche Proteine und Nucleinsäuren enthalten Stickstoff als Molekülbestandteil, so dass Stickstoff neben Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff einer der vier Grundbestandteile ist, aus denen sich das Baumaterial der Zellen zusammensetzt. Darüber hinaus haben wir noch Schwefel spezifisch für die Proteine und Phosphor spezifisch für die Nucleinsäuren.
Kephalopyr schrieb:Wir vermehren uns, geben DNA weiter, damit wir fortbestehen können.
Nein, die Weitergabe von DNA ist keine Voraussetzung dafür, dass ich am Leben bleiben kann. Die Weitergabe von DNA über die Keimbahn ist eine (von mehreren) Voraussetzungen dafür, dass ein Exemplar der nächsten Generation am Leben sein kann. Einzeller kriegen das anders hin. Da leben nach der Zellteilung zwei Exemplare, ohne dass das "Elternteil" stirbt. Man kann das also nicht auf die DNA reduzieren, ob etwas lebt oder nicht lebt. Dafür bedarf es schon noch etwas mehr ...
Kephalopyr schrieb:Ich frage mich, ob Leben immer als letzteres definiert werden kann: die Weitergabe und Vermehrung von etwas ...
Das allein reicht nicht aus, ist aber eine notwendig sich ergebende Eigenschaft, denn Individuen unterliegen den erodierenden Umwelteinflüssen, so dass ein Generationenwechsel erforderlich ist, der das Leben über die Zeiten hinweg erhält. Das dürfte auch auf außerirdisches Leben zutreffen.
Kephalopyr schrieb:eine außerirdische Präsenz geben könnte, die beispielsweise nur aus Photonen bestünde
Das wäre dann nur Licht oder anderweitige Strahlung, aber kein Leben. Leben zeichnet sich durch abgrenzbare Strukturen aus, innerhalb derer ein höherer Ordnungsgrad mittels Stoff- und Energiewechsel über einen Durchstrom von Stoffen nach Art eines Fließgleichgewichts aufrechterhalten wird. Auf eine Strahlung trifft das nicht zu, so dass Strahlung kein Leben ist.
Lakonier schrieb:Ich meine, dass das Informationskonzept als solches lediglich eine nachträgliche Zuschreibung des Menschen ist und nicht an sich existiert.
Nun noch dazu, damit Du nicht bis Montag oder Dienstag warten musst:
Jetzt also die Erklärung, wie Leben funktioniert, ohne dass man dabei auf einen Bauplan, auf Informationen und auf eine Intelligenz zurückgreifen muss, die sich das alles ausgedacht haben muss:
Zunächst ein paar Punkte vorweg, die man als Grundwissen voraussetzen muss:
1. Lebewesen bestehen aus Zellen.
2. Pflanze, Tiere und Pilze sind Mehrzeller und bestehen aus Zellen, die einen Zellkern besitzen.
3. Einzeller unterteilt man in solche, deren Zelle einen Zellkern besitzt und solche, die keinen Zellkern besitzen. Einzeller mit Zellkern sind Eukaryoten. Einzeller ohne Zellkern sind Prokaryoten.
4. Prokaryoten unterteilt man in Bakterien und Archaeen.
5. Zellen sind bei allen Lebewesen die grundlegenden lebenden Bestandteile.
6. Zellen setzen sich aus kleineren Bestandteilen zusammen, die für sich genommen nicht lebendig sind.
7. Die Grundbestandteile aller Zellen sind Lipide (fettähnliche Stoffe), Nucleinsäuren (DNA und RNA), Proteine (eiweißähnliche Stoffe) und Saccharide (zuckerähnliche Stoffe) sowie eine Vielzahl kleinerer Stoffe, die sich nicht einer Stoffklasse zuordnen lassen (z.B. Mineralstoffe und Vitamine).
8. Grundmerkmal aller Zellen ist der permanente Stoffwechsel, bei dem aus der Umgebung körperfremde Stoffe aufgenommen werden, in körpereigene Stoffe umgewandelt werden und über den Abbau körpereigener Stoffe Abfallstoffe ausgeschrieden werden.
9. Der Stoffwechsel wird untergliedert in Baustoffwechsel (betrifft den Erhalt der Strukturen in der Zelle) und Betriebsstoffwechsel (betrifft den Erhalt der Energieversorgung in der Zelle).
Die Frage ist nun, wie der Stoffwechsel in der Zelle bzw. in einem mehrzelligen Organismus auf eine Weise abläuft, dass das Gesamtsystem nicht kollabiert, sondern in seinem geordneten Zustand erhalten bleibt, obwohl ein permanenter Durchfluss von Stoffen stattfindet und die Substanz der Zelle permanent erneuert wird. Es geht also um das koordinierte Zusammenwirken einer Vielzahl von Prozessen und Strukturen innerhalb eines Systems, über die das System als Ganzes permanent reproduziert wird.
Der Schlüssel zum Verständnis ist das Wirken der Proteine, die in alle Stoffwechselaktivitäten als vermittelnde Komponente eingebunden sind. Die Proteine, die hier zum Tragen kommen, sind die Enzyme. Sie bewirken nicht nur chemische Katalysen (Reaktionsbeschleunigungen), sondern bewirken darüber hinaus die Verknüpfung, die Aufspaltung und die Übertragung von Molekülen, Molekülteilen oder einzelnen Atomen oder Ionen sowie die Regulation des Zugriffs auf bestimmte Abschnitte der Nucleinsäuren.
Entscheidend für das Funktionieren von Enzymen ist die Gestalt und die Ladungsverteilung auf der Oberfläche. Über diese Gestalt und Ladungsverteilung ergeben sich mechanische Passformen sowie magnetische Wirkungen auf geladene Anteile der Moleküle, die an das Enzym binden. Mit der Bindung eines Moleküls an ein Enzym gehen oft Formveränderungen des Enzyms einher. Diese Formveränderungen lösen dann oft erst die Funktion eines Enzyms aus. Nach Ablösung des Moleküls nimmt das Enzym wieder die Ursprungsform ein.
Denken wir uns nun den permanenten Wechsel zwischen Anbindung und Ablösung eines bestimmten Moleküls an ein Enzym, ergeben sich mechanische Wirkungen nach Art eines Taktgebers, der dann weitere Taktgeber anstößt, die ihrerseits weitere Taktgeber anstoßen usw., so dass mit der Aktivierung eines Enzyms eine Reaktionskaskade ausgelöst wird, die sich in der Zelle ausbreitet, verzweigt, netzwerkartige Verbindungen eingeht, die ihrerseits in die Umgebung ausstrahlen usw.
Damit befindet sich die gesamte Zelle in einem permanenten Bewegungszustand, wo verschiedene Enzymkaskaden über Oszillationen aufeinander rückkoppeln. Gerät dieses System aus dem Takt, weil z.B. ein Reaktionsstoff fehlt, verändert sich die Struktur der Rückkopplungen, so dass z.B. andere Stoffwechselvorgänge dadurch ausgelöst werden, über welche dann der fehlende Stoff bereitgestellt wird, um das System wieder in das vorherige Gleichgewicht zu bringen.
Von diesem Rückkopplungsmechanismus sind die Enzyme selber nicht ausgenommen: Auch diese müssen über das Rückkopplungssystem in ihrem Bestand ausgeglichen werden, defekte Enzyme müssen abgebaut werden, frische und funktionstüchtige Enzyme müssen neu bereitgestellt werden. Das erfolgt über den Zugriff auf das Genom. Hier wird über Reaktionskaskaden die DNA-Doppelhelix an einer Stelle aufgetrennt und mittels eines Enzyms eine mRNA-Kopie hergestellt.
Über das Prinzip der komplementären Basenpaarung ergeben sich auch hier rein über die Form der Moleküloberflächen die Vorlagen für die Synthese der mRNA auf der Oberfläche des Einzelstrangs der DNA. Dasselbe Prinzip der Passformen setzt sich bei der nachfolgenden Synthese der Proteine fort: An den Ribosomen docken die mit einzelnen Aminosäuren beladenen tRNA-Moleküle an und gehen mit den Basen der mRNA eine formbasierte Bindung ein, so dass nur passende tRNAs - und nachfolgend nur passende Aminosäuren - in einer bestimmten Reihenfolge verkettet werden können.
Die Beladung der tRNAs erfolgt ebenfalls über Enzyme, deren Form passend ist zur Form der tRNA einerseits und der zugehörigen Aminosäure andererseits. Das heißt, dass es ausschließlich auf Molekülformen und die Ladungsverteilungen ankommt, um ein funktionierendes Ganzes zu ermöglichen, welches sich permanent selbst reproduziert, indem die einzelnen Bestandteile permanent reproduziert werden. Es ist alles ein primär mechanischer Prozess auf molekularer Ebene, sekundär ein chemischer Prozess, wenn es um echte chemische Reaktionen geht.
Nun zur Frage, wie so etwas Komplexes entstehen konnte:
Die heutigen Zellen haben eine Evolution von über drei Milliarden Jahre Dauer hinter sich und sind demzufolge auf einem sehr hohen Niveau feinabgestimmt und hochpräzise in ihren speziellen Leistungen. Diese Spezialisierung darf man nicht bei den ersten Lebewesen voraussetzen, die ursprünglich entstanden sind. Aber dennoch muss es am Anfang ein Mindestmaß an Komplexität und damit ein Mindestmaß an Reproduktionsfähigkeit für bestimmte Molekülformen gegeben haben, um die molekulare Mechanik einer Urzelle überhaupt erst beginnen zu lassen.
Da es auf die Molekülformen ankommt und auf Ladungsverteilungen, liegt es nahe, dass sich die Urzelle auf einer kristallinen Oberfläche gebildet hat, wo sowohl regelmäßige Kristalloberflächen vorhanden gewesen sind wie auch regelmäßige Ladungsverteilungen auf den Kristalloberflächen. Darüber hinaus muss ein permanenter Stoffdurchfluss stattgefunden haben, der auf dieser Oberfläche zu permanenten Neusynthesen von gestaltähnlichen Molekülen geführt hat und Abfallprodukte von Stoffwechselereignissen abgeführt werden konnten.
Der entscheidende Punkt ist nun das Zustandekommen eines passenden Molekülgemisches in einer teilweise durchlässigen Struktur nach Art einer heutigen Zellmembran. Hier bleibt nur das Warten auf einen günstigen Moment, wo sich der passende Mix sowohl in den Molekülstrukturen wie auch in den Stoffwechselprozessen zu einem sich selbst reproduzierenden Gesamtsystem zusammenfindet und danach noch lange genug stabil bleibt, ohne wieder zu kollabieren. Am Anfang steht also tatsächlich ein seltener Zufall - wie selten, kann man nicht vorab bestimmen.
Wesentlich ist aber: Es ist reine Physik und es erfordert weder einen Bauplan, noch Informationen, noch eine Intelligenz, die sich zuvor etwas hätte ausdenken müssen.