Bishamon schrieb:Der Gnostizismus ist nicht nur eine weitere Abspaltung, sondern scheint Paulus auch deutlich beeinflusst zu haben:
Wikipedia: Paulinismus#Paulus und die Gnostik
Wenn, dann andersherum. Und wenn überhaupt, dann nicht mit den Erklärungen - und schon gar nicht mit den Textbeispielen, welche die Wikipedia da bringt. Das ist ja mal echt ausgemachter Bullshit.
Als Belege für "den Gegensatz von Psychikern und Pneumatikern" bringense da Gal3,28 und 1.Ko12,13:
"Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus."
und
"Denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden."
Hier kommt das Wort "Geist" vor, das ist dann aber auch schon die einzige "Gemeinsamkeit". Geht es hier irgendwo um den Pneumatiker / Geistlichenß Und das gar noch im gnostischen Sinne, also um den, der schon immer, von Anfang an, den Geistesfunken in sich trug? Und wo bleibt der Gegensatz zum Psychiker / Seelischen? Also dem, der diesen Geistesfunken nie in sich trug und damit nie in sich tragen wird laut Gnosis?
Auch das Textbeispiel für "die Betonung von „Freiheit“ und „Macht“ des Pneumatikers", 1.Ko9,1-23, ist echt geil. Klar betont Paulus da Freiheit und Macht - des Apostels! Nix von "Pneumatiker", und vor allem gehts da auch um Unfreiheit und Machtlosigkeit. Mit gnostischem Gedankengut hat das alles gar nichts zu tun.
Der erste wie der letzte angeführte Punkt, einfach nur Schwachsinn. Und der Rest dazwischen auch nicht wirklich gut.
Klar gibt es bei Paulus Äußerungen, bei denen der darin leidlich Bewanderte deutlich einen gewissen Bezug zur Gnosis erkennen sollte. Keine Frage! Nehmen wir doch mal 1.Ko15,42-51
42 So ist auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät in Verweslichkeit, es wird auferweckt in Unverweslichkeit.
43 Es wird gesät in Unehre, es wird auferweckt in Herrlichkeit; es wird gesät in Schwachheit, es wird auferweckt in Kraft;
44 es wird gesät ein natürlicher Leib, es wird auferweckt ein geistlicher Leib. Wenn es einen natürlichen Leib gibt, so gibt es auch einen geistlichen.
45 So steht auch geschrieben: `Der erste Mensch, Adam, wurde zu einer lebendigen Seele, der letzte Adam zu einem lebendig machenden Geist.
46 Aber das Geistliche ist nicht zuerst, sondern das Natürliche, danach das Geistliche.
47 Der erste Mensch ist von der Erde, irdisch; der zweite Mensch vom Himmel.
48 Wie der Irdische, so sind auch die Irdischen; und wie der Himmlische, so sind auch die Himmlischen.
49 Und wie wir das Bild des Irdischen getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen.
50 Dies aber sage ich, Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht erben können, auch die Verweslichkeit nicht die Unverweslichkeit erbt.
51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden
Das ist jetzt mal wirklich der selbe Gegensatz, wie er bei Gnostikern vorkommt. Allerdings in einem nicht zu übersehenden Unterschied.
In der Gnostik ist das Geistliche stets das Erste, das Materielle/Psychische nur das Nachfolgende, Nachahmende. Die Gnosis hat dies aus dem Platonismus übernommen, und schon dort ist diese "Richtung" vorgegeben. Was Paulus hier beschreibt, hat zwar ebenfalls einen Materie-Geist-Dualismus wie die Gnosis, aber das heißt ja nun gar nichts, den gibts in menschlichen Philosophien udgl. wie Sand am Meer.
Ebenso ist es in der Gnosis von Anfang an zu finden (selbst bei denen wie Marcion, denen heute das Gnostikersein eher abgesprochen wird, die dann aber als Quellen der später aufkommenden Gnosis gelten), daß alles nur entweder zum Bereich des Geistlichen gehören kann oder zum Bereich des Seelischen, Materiellen... Bei Paulus gehört alles erst einmal zum ersten, kann dann aber ins zweite verwandelt werden. Es gibt also keine solche absolute Aufteilung, sondern eine zeitliche Abfolge des Zugehörens. In der Gnosis ist dagegen ausgeschlossen, das, was einmal psychisch oder hylisch (materiell) ist, pneumatisch werden kann. Entweder ist man ein "Kind Gottes" oder ein "Kind des Bösen", wechseln geht nicht.
Denkbar ist, daß Paulus' Vorstellungen aufgegriffen und der Gegensatz verschärft wurde, sodaß es dann zu gnostischem Gedankengut werden konnte. Anders herum aber hätte der Weg nicht laufen können, da für Paulus keine Notwendigkeit bestanden hätte, den grundsätzlichen Widerspruch zwischen "Fleisch und Geist" zu einem Umwandlungsprozeß umzugestalten. Und schon gar nicht, den Primat des Geistes durch den Primat des Fleisches zu ersetzen.
Auch 1.Ko2,4-15 strotzt nur so von gnostischen Bezügen:
4 und meine Rede und meine Predigt [bestand] nicht in überredenden Worten der Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft,
5 damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft beruhe.
6 Wir reden aber Weisheit unter den Vollkommenen, jedoch nicht Weisheit dieses Zeitalters, noch der Fürsten dieses Zeitalters, die zunichte werden,
7 sondern wir reden Gottes Weisheit in einem Geheimnis, die verborgene, die Gott vorherbestimmt hat, vor den Zeitaltern, zu unserer Herrlichkeit.
8 Keiner von den Fürsten dieser Welt hat sie erkannt - denn wenn sie [sie] erkannt hätten, so würden sie wohl den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt haben -,
9 sondern wie geschrieben steht: `Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.
10 Uns aber hat Gott es geoffenbart durch den Geist, denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes.
11 Denn wer von den Menschen weiss, was im Menschen ist, als nur der Geist des Menschen, der in ihm ist? So hat auch niemand erkannt, was in Gott ist, als nur der Geist Gottes.
12 Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, damit wir die Dinge kennen, die uns von Gott geschenkt sind.
13 Davon reden wir auch, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in [Worten], gelehrt durch den Geist, indem wir Geistliches durch Geistliches deuten.
14 Ein natürlicher Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen, weil es geistlich beurteilt wird.
15 Der geistliche dagegen beurteilt zwar alles, er selbst jedoch wird von niemand beurteilt.
Hier kommen sogar die "
Archonten (dieser Welt)" vor, eine in der Gnosis wichtige negative Gruppe. Aber auch hier kommen eben nur Begrifflichkeiten und Gegensatzpaare vor, die eben auch in der Gnosis eine Rolle spielen. Die Art des Gegensatzes aber läßt sich hier nicht als gnostisch erweisen, in Kap15 dagegen als deutlich nichtgnostisch.
Und der wesentlichste Unterschied ist der, daß es nicht die "Weisheit" bzw. die Erkenntnis (gnôsis) dieser göttlichen Weisheit ist, die den Menschen laut Paulus befreit. Genau dies aber ist das Wesen der Erlösung in der Gnosis. Die Weisheit wird hier bei Paulus den
bereits Glaubenden ("die ihn lieben") gegeben, und nicht: die Erkenntnis der Weisheit macht den Glaubenden.
Die Ähnlichkeit zur Gnosis ist in jedem einzelnen Punkt eine zwar formelle, doch inhaltlich paßt beides wesentlich nicht zusammen. Man muß Paulus schon mit einem gnostischen Vorverständnis lesen und ihn dann entsprechend uminterpretieren. Genau dies hat Marcion dann wie's scheint als erstes getan (soweit wir wissen).
Bishamon schrieb:Sie haben den Fehler gemacht, sich nicht [...]aufseher zu nennen.
Wikipedia: BischofBischof (von altgriechisch ἐπίσκοπος epískopos ‚Aufseher‘, ‚Hüter‘, ‚Schützer‘)
"epi" heißt u.a. "auf", und "skopos" so viel wie "Seher", vgl. Mikroskop, Teleskop, Periskop.