Optimist schrieb:Ist das jetzt rein historisch oder geht das so auch aus der Bibel hervor?
Rein historisch. Wie gesagt, es gibt selbst in den orthodoxen Kirchen wie der katholischen Kirche nichts höheres als den Bischof. Ein Metropolit ebenso wie ein Papst ist schlicht ein Bischof, mehr nicht. In diesem Sinne bekleidet er ein biblisches Amt. Dennoch haben die orthodoxen Kirchen ebenso wie die katholische Kirche einen "führenden Bischof, den sie eben Metropolit bzw. Papst nennen. RFein organisatorisch - bei den Orthodoxen. Die Katholiken hingegen versuchen, daraus ein "biblisches Amt" zu machen. Mit diesem Petros-Wort Christi sowie mit weiteren Sprüchen wie Jesu Aufforderung an Petrus "weide meine Lämmer"... Selbst wenn man daraus ein "Primat des Petrus" lesen will, so steht nirgends, daß nach Petri Tod ein anderer dieses Amt ausfüllen solle. Apostel wurden schließlich nach deren Wegsterben auch nicht durch Nachfolge-Apostel eingesetzt (die Wahl des Matthias war keine Apostel-Nachbenennung, sondern eine Nachbenennung in das Gremium der Zwölf). Und ebenso wenig steht irgendwo biblisch, daß eine Petrus-Chef-Nachfolge stets durch den Bischof der von Petrus gegründeten Gemeinde erfolgen müsse. Und selbst wenns der Chef einer petrusgegründeten Gemeinde sein müsse, so war die Gemeinde zu Rom halt nicht die einzige Petrusgründung.
Daß eine Kirche sich ein Oberhaupt setzt, ist finde ich in Ordnung. Ist einfach ne organisatorische Frage. Aber es ist kein biblisches Amt und sollte nicht für ein solches gehalten werden. Und ebenso sollte dieser "Kirchenfürst" eben auch nur organisatorische Gewalt besitzen und nicht "religiöse". Die hat aber der Papst für die katholische Kirche, nach katholischer Lehre. Er kann z.B. Lehren "ex cathedra" verkünden, die dann als wahr zu gelten hätten (hierauf bezieht sich die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes, ansonsten kann ein Papst sich auch nach katholischer Sicht mal irren). Ist zwar nur zwei mal bis heute geschehen, aber es gibt kein solches biblisches Amt. In diesem Sinne ist das Papsttum unbiblisch. Als reine organisatorische Funktion eines "Chefs von't janze" wie gesagt, wäre es halt nur "außerbiblisch", so wie die Biubel sich auch nicht darüber äußert, ob es rechtmäßig ist, Kirchengebäude zu errichten, Fahrrad zu fahren, auch nix über Kleiderordnung von Amtsträgern etc. p.p. Kann jede Gruppe natürlich frei für sich organisieren.
Bishamon schrieb:ist mein Textverständnis so schlecht?
Hmmm, weiß nicht, dazu fehlt mir gerade das Optimistverständnis, um das zu beantworten. Klar kann man das Ganze Kirche, Gemeinde, Leib Christi oder sonsterwie nennen. All diese Begriffe meinen immer mal, je nach Zusammenhang, sowohl die einzelne Ortsgemeinde als auch den Verbund dieser Gemeinden. Und bei letzterem meint das manchmal nur einen einzelnen konkreten Verbund (katholische Kirche, Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage usw.), und schließlich wird damit auch die "ecclesia invisibilis" gemeint, also die Gesamtheit der Christen über alle Konfessionsgrenzen hinweg.
Was Jesus nun mit seinem Petros-Wort gemeint hat, ist nach meinem Dafürhalten die ecclesia invisibilis, also erstens Kirche im Sinne von Religionsgemeinschaft über Gemeindestrukturen hinweg, und zweitens nicht eine konkrete Kirchenorganisation (und wir müssen rausfinden, welche: Katholen, Orthodoxie, Mormonen, Anglikaner...), sondern eben die ecclesia invisibilis. So verstehe ich ihn, wenn Jesus seine Jünger hier zurechtweist (Markus9,38f):
Johannes sagte zu ihm: Lehrer, wir sahen jemand, der uns nicht nachfolgt, Dämonen austreiben in deinem Namen; und wir wehrten ihm, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus aber sprach: Wehrt ihm nicht, denn es ist niemand, der ein Wunder in meinem Namen tun und bald darauf schlecht von mir reden kann.
Niemand muß "den richtigen Aposteln folgen", um ein wahrer Jesusnachfolger zu sein. In dieser Erzählung stehen die Apostel also für die "legitime, die offiziell anerkannte Jesusnachfolge", quasi für die "wahre Kirche", für die jede Kirchenorganisation sich selber halten mag (und viele dieser Kirchen bemühen auch extra das Wort "apostolisch", um diesen ihren Status als quasi einzig rechtmäßig zu unterstreichen, angefangen bei den Katholiken). Aber diese Jesuswort sieht "Christen auch außerhalb der apostolischen Nachfolge". Also eine "unsichtbare Kirche", die nicht nach Kirchengrenzen fragt.
Optimist schrieb:ekklêsia bedeutet Gemeinde, aber wir drücken es heutzutage mit "Kirche" aus.
Also verstehe ich es so: Gemeinde=Kirche
Paulus schreibt in 1.Korinther12 viel über die Christen als Leib Christi. Bezeichnend der daran anschließende Vers 28:
Und die einen hat Gott in der Gemeinde gesetzt erstens zu Aposteln, zweitens [andere] zu Propheten, drittens zu Lehrern, sodann [Wunder-]Kräfte, sodann Gnadengaben der Heilungen, Hilfeleistungen, Leitungen, Arten von Sprachen.
Da Apostel nicht auf eine Gemeinde beschränkt sind, sondern quasi übergemeindlich wirken, Paulus dennoch von der "ekklêsia" im Singular spricht, meint er hier eben nicht die einzelne Ortsgemeinde, sondern die Gesamtheit. Quasi die Summe der Ortsgemeinden. An anderer Stelle kann Paulus mit dem Wort selbstverständlich auch mal eine konkrete Ortsgemeinde meinen, die Vokabel ist da also offen für beide Bedeutungen. Aber oft genug kann man am Kontext erkennen, welche "Art Gemeinde" er da gerade meint. (Spontan fällt mir ein, daß beim Offenbarer von den "sieben Gemeinden" (Smyrna etc.) die Rede ist; eindeutig einzelne Ortsgemeinden.)
Somit ist die Vokabel "ekklêsia" Ausdruck für beides: sowohl die einzelne Gemeinde als auch die ganze Kirche (und da dann doch eher die unsichtbare). Im konkreten Falle jedoch, wo das Wort dann verwendet wird, muß man schon hinsehen, um zu erkennen, welcher Bedeutungsgehalt nun gemeint ist. So meint ja auch im heutigen Sprachgebrauch "Kirche" mal eine konkrete Organisation (Katholische Kirche z.B.) und mal ein Funktionsgebäude (wie auch Kapelle, Kathedrale, Dom, Basilika). Und der Leser / Hörer kann sich nicht einfach aussuchen, welcher Bedeutungsgehalt ihm am besten schmeckt, sondern auf den Zusammenhang der Mitteilung achten .Bei "Die Kirche hat ein großes Mittelschiff" und "die Kirche vertritt die Auffassung, daß..." ist doch recht eindeutig zu verstehen, wie die Vokabel "Kirche" jeweils gefüllt ist. Dasselbe müssen wir auch bei "Gemeinde" in den Texten des NT berücksichtigen.
Aber man kann eben nicht sagen, nur weil das Wort an einer Stelle eindeutig im Sinne A gebraucht wurde, müssen sämtliche Stellen in diesem Sinn A gemeint sein, und Sinn B sei ausgeschlossen. Mal "Einzelgemeinde", mal "Gesamtkirche"; und wann was ---> genau auf den Zusammenhang achten.
Bishamon schrieb:wie krieg ich mehr Infos zum letzten Satz?
mein Google-fu lässt mich im Stich. Eine Perikope, die wanderte und recht spät eingefügt?
Ähm, welcher letzte Satz? Ich seh nichts mit "Perikope" Zitiertes, auch nix in dem Wiki-Link zu Petrus.
Markus8,27-30 jedenfalls ist keine wandernde, spät eingefügte Perikope. Weniger, weil eine Perikope einen etwas größeren Textabschnitt meint, sondern vielmehr deswegen, weil die Stellung dieses "Christusbekenntnisses" kurz nach der Verklärungserzählung so auch bei Matthäus und Lukas zu finden ist. Als eine gewanderte und spät in den jetzigen Kontext eingefügte Perikope kenne ich eigentlich nur die von der Ehebrecherin, die sprachlich wie sachlich weit besser zu den Synoptikern (Matthäus, Markus, Lukas) passen würde, aber bei Johannes steht. Und in den ältesten NT-Handschriften dort noch fehlt.
Optimist schrieb:damals war die Lehre vermutlich noch sehr bibeltreu.
Wessen Lehre? Die des Ptolemaios? Der lebte ja ebenfalls "damals".
Ich gehe zwar ebenfalls von der inhaltlichen Nähe dieses "Mainstreams" aus, aber letztlich ist das schon "vorab zu glauben". (OK, ich kenn halt auch noch ein paar mehr historische Daten, die dafür sprechen und es für sehr wahrscheinlich machen, daß eben dieser damalige Mainstream und nicht die zeitgleichen "Randerscheinungen" inhaltlich "näher dran" waren, das historisch-kritische Handwerkszeug aus meinem Studium ist da sehr hilfreich...)
Optimist schrieb:ich habe nicht generell was gegen Kirche ... wenn sie genau das lehrt was in der Bibel steht, nichts verfälscht, dazu macht oder weglässt...
Ach, Du weißt ja, irgendnen Splitter oder Balken hat halt jeder im Auge...
Jeder!